Qualitative Textanalyse Anleitung

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Graf Orthos Rechtschreibanalyse und Beratung Kompetenzanalyse Rechtschreiben

Anleitung zur Durchführung und Auswertung

Impressum

Autor Norbert Sommer-Stumpenhorst

Anhang (Rechtschreibwerkstatt – Regelwerk) Anne Krämer, Peter Kühne, Uta Theiling

Grafik und Layout Peter Wiesener

Lektorat Kirsten Gerndt

Verlag Graf Orthos Rechtschreibwerkstatt GmbH & Co. KG

Marienstraße 33 59269 Beckum

Vertrieb www.collishop.de

Infos zum Konzept www.rechtschreibwerkstatt.de E-Mail: info@rechtschreibwerkstatt.de

© 2011 Norbert Sommer-Stumpenhorst

2. Auflage, 2015/04

ISBN 978-3-942220-26-2

Wichtiger Hinweis:

Da die Erstellung vergleichbarer Diktattexte recht aufwendig ist, dürfen diese Texte in die Hände von Schüler(inne)n oder Eltern niemals gelangen! Geben Sie den Kindern die Texte daher mit auf keinen Fall nach Hause! Die Diktate sind sonst bereits nach kurzer Zeit un- brauchbar, da der Austausch der Eltern untereinander dafür sorgen kann, dass die Texte von den Kindern anderer Klassen geübt werden. Besprechen Sie Ihr Vorgehen vielmehr an einem Elternabend: Die Kinder bekommen die qualitative Analyse (siehe Ausdruck für den Rechtschreibpass) mit nach Hause und die Eltern können die Texte der Kinder am Elternsprechtag einsehen!

Inhalt

I

2 2 3 3 3 4 4 5 6 6 7 7 8 8 8 9

Schreib- und Rechtschreibkompetenz Kompetenzbereiche des Faches Deutsch Die Ordnung der Rechtschreibung Grundprinzipien Folgen Besonderheiten Ausnahmen Kompetenzerwartung Rechtschreiben

II

Analyse der Rechtschreibkompetenz Ziele der Erfassung der Rechtschreibkompetenz Erfassung verschiedener Teilkompetenzen Sprachgespür Rechtschreibgespür Rechtschreibwissen und Reflexion über Schriftsprache Methodenkompetenz Zusammenfassung Verfahren zur Erfassung der Rechtschreibkompetenz Normierte Testverfahren Standardisierte Verfahren Qualitative Analyseraster Diktate in der Schule, Diktate zur Leistungsbewertung Qualitative Analyse der Texte der Schüler(innen) Standardisierte Diktate Kriterien für die Erstellung standardisierter Diktate Standardisierung der Diktate für die Grundschule Standardisierung der Diktate für die Sekundarstufe

10 10 12 12 12 14 15 15 20 21

III 24 24 24 25 26 28 28 30 30 32

Standardisierte Diktate schreiben und Texte qualitativ auswerten Diktate schreiben Diktatgruppe und Diktate auswählen Diktieranleitung Audio-Diktate Qualitative Textanalyse nach Lernbereichen Auswertungshilfen zur qualitativen Textanalyse Auswertungshilfen – Tabellen zu den einzelnen Diktaten Vorgehensweise Auswertungsbeispiele Anhang Qualitative Textanalyse nach dem Konzept der Rechtschreibwerkstatt im Vergleich zur amtlichen Regelung der deutschen Rechtschreibung Übersicht: Materialien zur qualitativen Textanalyse Weitere Produkte

IV 41 41

46 48

T E X T A N A L Y S E RECHTSCHREIB- ANALYSE und BERATUNG Graf Orthos

I

Schreib- und Rechtschreib­ kompetenz

In den Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz sind für das Fach Deutsch folgende Kompetenzbereiche beschrieben:

Kompetenzbereiche des Faches Deutsch

l Sprechen und zuhören l Schreiben l Lesen – Umgang mit Texten und Medien l Reflexion über Sprache

In allen vier Bereichen werden Kompetenzen erworben, die zum richtigen Schreiben führen:

l Die Sprachkompetenz ist wichtig für die Entwicklung einer gramma- tischen Kompetenz, die wiederum Grundlage für die korrekte Formenbil- dung (z. B. dem oder den , ihn oder ihm ) und kontextabhängige Schrei- bungen ist (z. B. dass oder das , wieder oder wider , weise oder Weise oder Waise ). l Das Schreiben von Texten zielt immer darauf ab, dass jemand das Geschriebene liest. Das Lesen wird erleichtert, wenn beim Schreiben be- stimmte Schreibkonventionen (Rechtschreibregeln) eingehalten werden. l Beim Lesen und Umgang mit Texten und Medien werden unbe- wusst Modelle für die schriftsprachliche Kommunikation aufgenommen, die zugleich die Sprachkompetenz erweitern (vor allem bezüglich des passiven Wortschatzes und der Grammatik). Auch für die rechtschriftli- che Überarbeitung eigener Texte ist es unerlässlich, die geschriebenen Texte noch einmal mit einer besonderen Rechtschreibaufmerksamkeit zu lesen . Hierfür ist eine Lesetechnik erforderlich, die nicht auf die Sinnent- nahme, sondern auf die Schreibung der Wörter ausgerichtet ist („Lesen, was da steht“, „Mit Wörtern jonglieren“). l Beim Schreiben von Texten denken Erwachsene in der Regel nicht darüber nach, wie etwas geschrieben wird. Sie haben ein sicheres Rechtschreibge­ spür entwickelt. Erst bei Unsicherheiten denken sie über die Schreibung ein­ zelner Wörter nach und nutzen das explizite Rechtschreibwissen, das sie durch die Reflexion über Sprache (Sprache untersuchen) erworben haben.

Der Komplex „Rechtschreiben“ ist in den Lehrplänen unterschiedlichen Be- reichen zugeordnet: in den Lehrplänen für die Grundschulen häufig dem Be- reich „Schreiben“ und in den Lehrplä- nen für die Schulen der Sekundarstufe dem Bereich „Reflexion über Sprache“. Letztlich werden alle Bereiche des Fa- ches Deutsch genutzt, um die Schüle­ rinnen und Schüler zu einer hohen Recht­ schreibkompetenz zu führen.

Lesen – mit Texten und Medien umgehen l über Lesefähigkeiten verfügen l über Leseerfahrungen verfügen

Sprechen und zuhören

Schreiben

l zu anderen sprechen l verstehend zuhören l Gespräche führen l szenisch spielen l über das Lernen sprechen

l über Schreibfertigkeiten verfügen l richtig schreiben l Texte planen l Texte schreiben l Texte überarbeiten

l Texte erschließen l Texte präsentieren

Methoden und Arbeitstechniken Methoden und Arbeitstechniken werden jeweils im Zusammenhang mit den Inhalten

Abb. 1 Kompetenzbereiche Deutsch (Beschluss der Kultusminister­ konferenz vom 15.10.2004)

jedes einzelnen Kompetenzbereichs erworben. Sprache und Sprachgebrauch untersuchen

l grundlegende sprachliche Strukturen und Begriffe kennen l sprachliche Verständigung untersuchen l an Wörtern, Sätzen, Texten arbeiten l Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Sprachen entdecken

2

Um das Ziel einer hohen Rechtschreibkompetenz zu erreichen, muss der gesamte Bereich der Rechtschreibung eine für Schülerinnen und Schüler überschaubare Ordnung erhalten. Im Konzept der Rechtschreibwerkstatt liegen solch einer Ordnung der Rechtschreibphänomene die historische Entwicklung, die neurologischen Verarbeitungsstrukturen und die Ebenen der Sprachentwicklung zugrunde. Sämtliche Rechtschreibphänomene lassen sich in einer Tabelle ordnen und zusammenfassen. In dieser Tabelle werden drei Lernebenen beschrieben: die Laut-, die Wort- und die Satzebene (Kontextebene). Auf jeder Lernebene werden qualitative Entwicklungsschritte unterschieden: von Grundprinzipien (einschließlich der Beachtung bestimmter Folgen) über Besonderheiten hin zu Ausnahmen. Daraus ergeben sich die einzelnen Lernbereiche, die jeweils einer Lernebene und einem qualitativen Entwicklungsschritt zuge- ordnet werden können. l Lautebene: Schreib, wie du sprichst – aber sprich deutlich (und hochdeutsch)! l Wortebene: Schreibe den Wortstamm über alle Ableitungen und Umformungen hinweg gleich. l Satzebene: Formuliere und gliedere einen Text so, dass der Leser möglichst schnell versteht, was genau du sagen willst. Außer den Grundprinzipien sind auf jeder Ebene auch bestimmte Folgen zu berücksichtigen: Auf der Lautebene ist neben den Prinzipien der Laut-Buchstaben-Zuord­ nung zu beachten, dass die gesprochene Lautfolge in eine passende Buchstabenfolge übertragen wird. Gesprochene Laute können bei der Verschriftung nicht nach Belieben ausgelassen und Buchstaben für nicht gesprochene Laute nicht einfach hinzugefügt werden. Auch auf der Wortebene gibt es eine solche Gesetzmäßigkeit für die Folge. Die dem Wortstamm hinzuzufügenden Endungen (Suffixe) bestim- men in der Regel die Stellung (Bedeutung) eines Wortes im Satzzusam- menhang (Beispiel Verb: ich kauf e ..., du kauf st ...; Beispiel Adjektiv: das neu e Auto , ein grün es Auto ). Die Vorsilben (Präfixe) haben dem- gegenüber die Funktion, die Bedeutung eines Grundwortes zu ändern (Beispiel: kaufen – ver kaufen , an kaufen , ...). Auf der Satzebene (Kontextebene) gibt es eine „Standardabfolge“ ver- schiedener Wortgruppen: Subjekt – Prädikat – Ergänzung. In der gespro- chenen Sprache können diese Wortgruppen je nach Bedeutsamkeit durch ihre Betonung hervorgehoben werden. Beispiel: Ich gehe heute ins Kino (und nicht morgen). Ich gehe heute ins Kino (und nicht ins The- ater). In der Schriftsprache werden die Wortgruppen oft durch die Ver- änderung ihrer Abfolge (Wortstellung) hervorgehoben. Beispiel: Heute gehe ich ins Kino . Ins Kino gehe ich heute . Auf allen drei Lernebenen ist die Beachtung der Abfolgeregeln von be- sonderer Bedeutung. Die drei Grundprinzipien (inkl. der zu beachtenden Folgen) gelten im Übrigen für alle Schriftsysteme, die sich an einer Laut-Buchstaben-Zu- ordnung orientieren und auf die griechische Schrift zurückführen lassen.

Die Ordnung der Rechtschreibung

Grundprinzipien

Folgen

3

T E X T A N A L Y S E RECHTSCHREIB- ANALYSE und BERATUNG Graf Orthos

Neben den drei Grundprinzipien und den zu beachtenden Folgen sind in der deutschen Rechtschreibung einige Besonderheiten zu berücksichtigen. Auf der Lautebene wird z. B. der kurz gesprochene Vokal in der Regel mit einer Kon- sonantenfolge gekennzeichnet: ka lt , he lf en , Schra nk . Folgt auf den kurz gesprochenen Vokal nur ein einzelner hörbarer Konsonant, so wird dieser in der Regel verdoppelt: dü nn , schwi mm en , We tt er . Auf der Wortebene ist vor allem die Großschreibung der Nomen als Beson- derheit zu beachten. Allerdings ist hier der Übergang zur Satzebene fließend: Einerseits gibt es konkrete Begriffe, die nie kleingeschrieben werden (z. B. Baum , Haus ). Andererseits können Verben und Adjektive im Satzzusammen- hang durchaus die Funktion eines Substantivs übernehmen (z. B. Die Schöne und das Biest . Das Lesen zu lehren, ist Aufgabe der Schule .). Auch in folgenden Fällen kann die richtige Schreibung eines Wortes oder einer Wortgruppe nur aus dem Satzzusammenhang heraus erschlossen werden: Es gibt eine Reihe gleichlautender, aber bedeutungsverschiedener Wörter (Ho- monymie): z. B. der Leiter – die Leiter ; das Tor – der Tor . Für ein einfa- cheres Sinn entnehmendes Lesen werden einige dieser Wörter unterschiedlich geschrieben (Homophonie): z. B. weise , Weise , Waise oder dass , das oder wieder , wider . Welche Schreibung richtig ist, lässt sich jeweils nur aus dem Satzzusammenhang heraus erschließen. Dies trifft oft auch auf die Ge- trennt- und Zusammenschreibung zu. In einigen wenigen Fällen genügt allerdings noch nicht einmal der Satz, um den Sinn zu verstehen. Dann ist das Verständnis des gesamten Textes notwen- dig ( Kontextebene ). Beispiel: Du solltest deine Augenbraue wachsen lassen. Hier wird erst im Textzusammenhang deutlich, ob die Augenbrauen- haare mit Wachs entfernt werden oder weiter wachsen (länger werden) sollten. In der Übersichtstabelle (siehe Abb. 2) sind die Satzebene und die Kontextebene zusammengefasst. Ê Schreibtraditionen Die Prinzipien der Laut-Buchstaben-Zuordnung und die Schreibung einzelner Wörter haben sich über Jahrhunderte hinweg entwickelt. Bei einigen Wörtern haben diese Veränderungen jedoch nicht stattgefunden. Das betrifft vor allem Namen. Dazu gehört z. B. der Rhein , obwohl die Buchstabenfolge rh in der allgemeinen Schriftsprache längst aufgegeben wurde. Andere Beispiele sind Meyer , Soest , Troisdorf . Es gibt aber auch „systematische“ Schreibtraditi- onen. So brachten beispielsweise die Buchdrucker (nach der Erfindung des Buchdrucks) verstärkt ästhetische Aspekte in die Rechtschreibung ein. Hier- zu gehören z. B. das Dehnungs- h und die Doppelvokal-Schreibung. Zu den Schreibtraditionen zählt auch die Schreibung deutscher Wörter mit v (z. B. Vater , Vogel ) oder mit ai (z. B. Hain , Laib , Maid ). Ë Fremdwörter Die meisten Ausnahmeschreibungen sind durch die Übernahme von Wörtern aus anderen Sprachen entstanden (Lehnwörter und Fremdwörter). Viele dieser Wörter werden heute nicht mehr als Fremdwörter erkannt (z. B. Bus , Lärm ) und daher als Ausnahmen zu den allgemeinen Rechtschreibregeln behandelt. Neben den Grundprinzipien und Besonderheiten gibt es in jedem Schriftsys- tem auch Wörter oder Wortgruppen, die nicht den allgemeinen Verschrif- tungsregeln folgen. Sie lassen sich wie folgt unterscheiden:

Besonderheiten

Ausnahmen

4

DieOrdnung der Rechtschreibung lässt sich in zwölf Lernbereichen zusammen­ fassen:

Qualitative Entwicklung

Lernebenen

Abb. 2 Die Ordnung der Rechtschreibung

Der Rechtschreiblernprozess folgt im Wesentlichen dieser Ordnung der Recht- schreibung: Die qualitative Entwicklung des Schreibens vollzieht sich von der „lauttreuen“ Verschriftung der Sprache (Lernbereich LB) bis hin zu den Beson- derheiten auf der Kontextebene. Im Laufe von zehn Schuljahren sollen die Schülerinnen und Schüler diese zwölf Lernbereiche kennenlernen und verin- nerlichen. Darüber hinaus gehören die Beherrschung verschiedener Lernme- thoden und Techniken der Textkorrektur zum Rechtschreiblernprozess. Viele Lehrpläne für die Grundschule 1 und Schulen der Sekundarstufe 2 orien- tieren sich mit den beschriebenen Kompetenzerwartungen inzwischen an dem Aufbau der deutschen Rechtschreibung und beinhalten Lernziele und Kompe- tenzerwartungen für l die Laut-Buchstaben-Ebene, l die Wortebene, l die Satzebene, l Ausnahme- und Fremdwortschreibungen, l die Beherrschung von Lern- und Schreibmethoden sowie von Lösungsstrategien. Im Rechtschreiblernprozess geht es somit nicht um Fehlervermeidung, son- dern um den Aufbau grundlegender Kompetenzen. Die durch die Ordnung der Rechtschreibung vorgegebenen Lernbereiche (Kompetenzen) sind zugleich die Grundlage für die Analyse der Rechtschreibkompetenzen der Schülerinnen und Schüler.

Kompetenzerwartung Rechtschreiben

1 Lehrplan Deutsch, Grundschule NRW: Die Schülerinnen und Schüler untersuchen Spra­ che und Sprachgebrauch in konkreten Situati­ onen gezielt und entdecken dabei Muster und Strukturen. Richtig schreiben: Die Schülerinnen und Schüler verwenden Rechtschreibstrategien zum norm­ gerechten Schreiben, kennen grundlegende Regelungen der Rechtschreibung und nutzen sie, verwenden Hilfsmittel, z. B. Wörterbuch, Lernkartei, Rechtschreibhilfe des PCs [...] Fach­ begriffe werden situationsbezogen als Mittel zur Verständigung über Sprache eingeführt. 2 Lehrplan Deutsch, Sek. I NRW: Sprachliche Formen und Strukturen ihrer Funk­ tion: grammatische Kategorien und ihre Leis­ tungen in situativen und funktionalen Zusam­ menhängen kennen und nutzen, insbesondere Tempus; Modus (Indikativ, Konjunktiv I/II); Aktiv, Passiv; Genus, Numerus, Kasus; Steigerung. Richtig schreiben: individuelle Fehlerschwer­ punkte erkennen und mit Hilfe von Recht- schreibstrategien abbauen, insbesondere Nachschlagen, Ableiten, Wortverwandtschaften suchen, grammatisches Wissen anwenden.

5

T E X T A N A L Y S E RECHTSCHREIB- ANALYSE und BERATUNG Graf Orthos

II

Analyse der Rechtschreib­ kompetenz

Das Ziel der Erfassung der Rechtschreibkompetenz ist es, herauszufinden, wo eine Schülerin bzw. ein Schüler auf dem Weg zur normgerechten Schreibung steht. Diese Analyse ist Grundlage für die gemeinsame Beratung über wei- tere Lernschritte. Am Ende des Beratungsprozesses steht die Festlegung der Schülerin/des Schülers auf den nächsten Lernschritt. Eine langfristig tragfä- hige Lernmotivation kann nur entstehen, wenn die Schülerin/der Schüler die Lernziele selbst definiert und in absehbarer Zeit erreichen kann. Das jeweilige Lernziel wird in einer Lernentwicklungstabelle 3 festgehalten, in der der Lernver- lauf der Schülerin/des Schülers über eine längere Zeit hinweg dokumentiert wird. In dieser Tabelle werden zugleich die Kompetenzen der Schülerin/ des Schülers zu den in den Lehrplänen festgelegten Kompetenzerwartungen in Beziehung gesetzt. Es ist Aufgabe der Lehrerin bzw. des Lehrers, der Schülerin/dem Schüler effiziente Methoden zu vermitteln, mit deren Hilfe das festgelegte Lernziel erreicht werden kann. Aufgabe der Schülerin bzw. des Schülers ist es, die Methoden sachgerecht anzuwenden, zu üben und die durchgeführten Übungen in einem Protokoll festzuhalten.

Ziele der Erfassung der Rechtschreibkompetenz

3 Lernentwicklungstabellen, die alle Lernfelder zur Rechtschreibung in der Primar- und in der Sekundarstufe umfassen, befinden sich im Downloadbereich der Rechtschreibwerkstatt (www.rechtschreibwerkstatt.de). Zum Umgang mit den Lernentwicklungstabellen bietet das Heft „Lernentwicklung und Beratung“ eine ausführliche Anleitung: Vorteile, Ziele und Einsatz in der Praxis für die individuelle Bera­ tung von Schülerinnen und Schülern.

Bei einer erneuten Analyse der Rechtschreibkompetenz kann nun der Lernertrag (Vergleich zweier Analysen) mit den durch- geführten Übungen (Protokoll der Schülerin/des Schülers) und eingesetzten Methoden in Beziehung gesetzt werden. So können die Schüler(innen) Schritt für Schritt eine Metho­ denkompetenz aufbauen. Die- se Methodenkompetenz ist Grundlage und Voraussetzung für die Entwicklung eines Un- terrichts, in dem individuelle Lernwege in Übungsstunden ermöglicht werden.

Abb. 3 Der zirkuläre Prozess von Analyse, Beratung, Vermittlung und selbst­ ständigem Üben

Analyse, Beratung, Metho- den und Übungen sind so- mit aufeinander und auf ein gemeinsames Bezugssystem ausgerichtet (hier: die Ord- nung der Rechtschreibung). Durch diese Ausrichtung wird für die Schüler(innen) der Zu- sammenhang zwischen der Analyse der Rechtschreibkompetenz und dem durch das eigene Üben erreichten Lernfortschritt transparent.

6

Erwachsene denken beim Schreiben in der Regel nicht darüber nach, wie etwas geschrieben werden muss. Erst bei Unsicherheiten überdenken sie die Rechtschreibung oder schlagen ein Wort im Wörterbuch bzw. im Regelwerk der deutschen Rechtschreibung nach. Jede Rechtschreibkompetenz setzt sich daher aus folgenden Teilkompe- tenzen zusammen: l Sprachgespür

Erfassung verschiedener Teilkompetenzen

l Rechtschreibgespür l Rechtschreibwissen l Methoden- und Korrekturkompetenz

Die Analyse der Rechtschreibkompetenz umfasst demzufolge mehr als nur die Auswertung von Testverfahren oder Diktaten.

Ein sicheres Sprachgespür ist die Grundlage für die Bildung eines siche- ren Rechtschreibgespürs. Die Erfassung der Sprachkompetenz kann nur in alltäglichen Sprech- situationen erfolgen. Neben der korrekten und deutlichen Aussprache (Lautebene, Artikulation) und der Verwendung eines angemessenen Wortschatzes (Wortebene, Wortbedeutung) geht es hier vor allem um die korrekte Bildung von Sätzen (Satzebene, Betonung/Intonation) und um die Formulierung zusammenhängender Gedanken (Kontextebene, Rhetorik). In der Regel schätzen Lehrerinnen und Lehrer die Sprachkompetenzen der Schülerinnen und Schüler intuitiv und korrekt ein. Da die meisten Lehrer(innen) auf einem gehobenen Bildungsniveau sozialisiert wurden, legen sie dieses auch als „Maßstab“ für die Einschätzung der Sprachkom- petenzen der Schüler(innen) an. Hieraus können aber auch Fehleinschät- zungen resultieren und zwar vor allem bei der Erfassung der Sprachkom- petenz eines Kindes, das in einer einen Dialekt sprechenden oder nicht deutschsprachigen Umgebung aufwächst. Bei relevanten Unsicherheiten ist es sinnvoll, einen Spezialisten hinzuzuziehen (Logopäde, Sprachthera- peut, Förderlehrer Sprache). Im Allgemeinen genügt es bei Unsicherheiten jedoch, die sprachlichen Äußerungen der Schüler(innen) zu beobachten und sich dabei an folgen- den Fragen zu orientieren: l Lautebene l Kann das Kind alle Laute korrekt bilden? l Spricht das Kind deutlich? Kann das Kind hochdeutsch sprechen? l Wortebene l Kann das Kind aus einem Klangkontinuum (gesprochene Sätze) einzelne Teile (bedeutungstragende Wörter) abstrahieren? l Verfügt das Kind über einen altersgemäßen, aktiven Wortschatz? l Satzebene l Kann das Kind vollständige Sätze formulieren und in angemessener Betonung sprechen? l Bildet das Kind in der Alltagssprache die korrekten Endungen, Fälle, Zeiten etc.? l Kontextebene l Behält das Kind über mehrere Sätze hinweg den „Gesprächsfaden“? l Wie geht ein Kind damit um, wenn es die Bedeutung eines Wortes nicht kennt? (Kann es dennoch den Sinn erfassen – passiver Wortschatz? Fragt es aktiv nach?)

Sprachgespür

7

T E X T A N A L Y S E RECHTSCHREIB- ANALYSE und BERATUNG Graf Orthos

Ziel des Rechtschreibunterrichts ist es, dass die Schülerinnen und Schüler ihre eigenen Texte angemessen richtig schreiben. Gerade bei den eigenen Texten ist dieAufmerksamkeit der Schreiber(innen) jeweils auf den Inhalt ausgerichtet. Hier zeigt sich am deutlichsten, wel- che Rechtschreibprinzipien ein(e) Schüler(in) bereits so weit verinnerlicht hat, dass sie „automatisch“ angewendet werden (Rechtschreibgespür). Um dieses Rechtschreibgespür zu erfassen, werden die Texte anhand ei- nes qualitativen Analyserasters ausgewertet, welches sich an der Ord- nung der Rechtschreibung orientiert (siehe Kapitel „Qualitative Textanalyse nach Lernbereichen“). Die Rechtschreibkompetenz umfasst neben dem Rechtschreibgespür je- doch noch mehr. Hierzu gehört auch die Kompetenz, über Rechtschrei- bung nachzudenken und sich Rechtschreibprinzipien bewusst zu machen. Dabei geht es nicht um das Auswendiglernen von Rechtschreibregeln, sondern um ein Grundverständnis des Aufbaus und der Grundprinzipien der deutschen Rechtschreibung. Die Reflexion über Schriftsprache gelingt am einfachsten in „Recht- schreibgesprächen“ in kleinen Lerngruppen. Anlässe für solche Gesprä- che können ungewöhnliche Schreibungen in Texten der Schüler(innen) oder sogenannte „Aufgaben für Spürnasen“ 4 sein, die spezifische Recht- schreibprobleme thematisieren. In diesen Gesprächen lässt sich auch am ehesten beobachten, ob und wie die Schüler(innen) Fragen zur Schrei- bung von Wörtern stellen und welche Lösungswege sie einschlagen: Ist die Aufmerksamkeit auf das einzelne Wort ausgerichtet (z. B. durch Nachschlagen im Wörterbuch)? Oder können sie auch Fragen zu grund- legenden Rechtschreibprinzipien stellen und Lösungen erarbeiten (z. B. Wann schreiben wir Wörter mit Doppelkonsonanten? )? Solange die Aufmerksamkeit auf den Inhalt des zu schreibenden Textes ausgerichtet ist, unterlaufen auch den erwachsenen, rechtschreibkompe- tenten Schreiber(inne)n einzelne Verschreibungen oder Tippfehler. Wenn ein geschriebener Text rechtschriftlich weitgehend korrekt sein soll, be- darf es in einem zweiten Schritt seiner rechtschriftlichen Überarbeitung. Bei dieser Überarbeitung werden Korrekturtechniken wie auch explizites Rechtschreibwissen angewendet. Insofern lässt sich die Kompetenz des Zurückgreifens auf Rechtschreibwissen am ehesten anhand der Überar- beitung der Texte erfassen. Um ein Rechtschreibgespür, Rechtschreibwissen und Korrekturkompetenz aufzubauen, bedarf es grundlegender Rechtschreiblernmethoden. Hierzu gehören: l Methoden zur Entwicklung eines Rechtschreibgespürs l Schreiben und mitsprechen l Abschreibtechnik (Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf die Schreibung der Wörter, Kopieren einzelner Zeichen verhindern, Selbstkontrolle) l Partnerdiktat und Selbstdiktat (Anweisung: „Diktiere das Wort/den Text so, dass dein Partner das Wort/den Text mit Sicherheit richtig schreibt.“) l Methoden zur Reflexion l Wörter nach Rechtschreibphänomenen sammeln und gruppieren l „Rechtschreibgespräche“ l Eigenregeln erstellen und überprüfen l Merkhilfen nutzen (z. B. Wer „nämlich“ mit h schreibt, … )

Rechtschreibgespür

Rechtschreibwissen und Reflexion über Schriftsprache

4 Informationen zu den „Aufgaben für Spürnasen“ unter: www.rechtschreibwerkstatt.de

Methodenkompetenz

8

l Methoden zur Überarbeitung von Texten l Korrekturtechniken (z. B. „Lesen, was da steht”, „Mit Wörtern jong­ lieren”) l Nachschlagen von Wörtern in einem Wörterbuch l Überprüfung der Rechtschreibung anhand von Rechtschreibregeln l sachgerechte Nutzung von Korrekturprogrammen am Computer Die zentrale Aufgabe des Rechtschreibunterrichts ist es, den Schüler(inne)n die grundlegenden Rechtschreiblernmethoden zu vermitteln und so mit ihnen einzuüben, dass sie sie selbstständig und sachgerecht anwenden. Die Messung der Rechtschreibkompetenz mit einem Rechtschreibtest, das Zählen von Fehlern und auch eine qualitative Analyse der Schreibungen reichen allein nicht aus. Die Erfassung der Rechtschreibkompetenz ist ein vielschichtiger Prozess, der sich vor allem auf die Beobachtung, gestellte Situationen (z. B. schrift- liche Tests, Klassenarbeiten) und die Auswertung der eigenen Schreibpro- dukte der Schüler(innen) stützt. Dies lässt sich in besonderen Fällen durch weitere (auf den folgenden Seiten beschriebene) Verfahren ergänzen.

Zusammenfassung

9

Verfahren zur Erfassung der Rechtschreibkompetenz

Das Rechtschreibgespür als Teilkompetenz einer Schülerin bzw. eines Schülers kann mit folgenden Verfahren erfasst werden:

l normierte Testverfahren l standardisierte Diktattexte l qualitative Analyseraster

Alle Verfahren haben Vor- und Nachteile, die sich am besten durch eine Kombination ver- schiedener Vorgehensweisen ausgleichen lassen. In jedem Fall ist zu beachten, dass mit jedem Verfahren jeweils nur eine Teilkompetenz der viel umfassenderen Rechtschreibkom- petenz erfasst werden kann. Die Durchführung eines normieren Testverfahrens oder eines standardisierten Diktats kann daher niemals für sich allein ausreichen, um die Rechtschreib- kompetenz einer Schülerin bzw. eines Schülers zu erfassen! Rechtschreibtests werden in der Regel zunächst mit vielen Schüler(inne)n durchgeführt (Stich- probe). Die Auswahl der Schüler(innen) sollte nach vorgegebenen Kriterien einem genauen Abbild der Bevölkerungsgruppe entsprechen. Ein Verfahren, das z. B. für Klasse 4 normiert werden soll, muss zunächst mit Schüler(inne)n der Klasse 4 durchgeführt werden. Jungen und Mädchen, Kinder mit und ohne Migrationshintergrund, Kinder aus Großstädten und aus dem ländlichen Raum, Kinder aus Stadt- und aus Flächenstaaten, begabte und weniger begabte Kinder etc. müssen in der Stichprobe so verteilt sein, wie es der Verteilung in der Gesamtgruppe der Kinder der Klasse 4 entspricht. Darüber hinaus muss eine Mindestgröße der Stichprobe gewährleistet sein. Die meisten Testverfahren arbeiten mit einer Stichprobe von ca. 1.500 bis 3.000 Schüler(inne)n. Das entspricht ca. 0,2 bis 0,4 % der Gesamtgrup- pe. 5 Die Ergebnisse der Überprüfung anhand der Normstichprobe werden anschließend so verteilt, dass sich daraus eine Normalverteilung ergibt:

Normierte Testverfahren

5 Im Schuljahr 2010/2011 umfasste ein Jahrgang der Grundschule ca. 700.000 Schüler(innen). Eine Stichprobe von 1.400 Schüler(inne)n ent­ spräche demnach einer Quote von 0,2 %.

Standardabweichung

-4

-3

-2

-1

+1

+2

+3

+4

Prozentrang

0,1 2,3 0,1 2,2

15,9 13,6

50

84,1 34,1

97,7 13,6

99,9 100 2,2 0,1

Anzahl in Prozent

34,1

Note

6

6

5

4

3

2

1

1

Abb. 4 Normalverteilung

Um eine aussagekräftige Normierung für Teilgruppen (z. B. Geschlecht oder Schüler(innen) mit Migrationshintergrund) zu erstellen, ist eine große Stichprobe erforderlich. Die meisten Verfahren begrenzen diese Stichrobe und geben nur Normwerte für die Gesamtgruppe ohne eine oder mit einer Untergruppe an (z. B. Geschlecht oder Schulform). So wurde z. B. die Normierung der Hamburger Schreibprobe zunächst überwiegend mit Schüler(inne)n aus Hamburg durchgeführt. Das führte in den ersten Auflagen dazu, dass die Ergebnisse der meisten Schüler(innen) aus anderen Bundesländern viel zu gut ausfielen. Sollen zusätzlich zu einer quantitativen Normierung auch noch qualitative Aspekte berück- sichtigt werden, so muss die Stichprobe noch weiter vergrößert werden, damit auch für die Teilaspekte genügend Auswertungsdaten zur Verfügung stehen. Nur sehr wenige Verfahren

10

Lernentwicklungs- tabelle Klasse 1 und 2

Lernentwicklungs- tabelle Klasse 1 bis 4

Lernentwicklungs- tabelle Sekundarstufe I

tabellen

Lernentwicklungs-

Audio-Diktate (online) Der Online-Zugang zu den Audio-Diktaten kann als fester Bestandteil des Schulpakets „Rechtschreibanaly- se und Beratung” für alle Lehrkräfte einer Schule frei- geschaltet werden.

Audio-Diktate Auswertungs- programm

Auswertungsprogramm zur qualitativen Textanalyse Dieses Auswertungsprogramm wird wie das Auswertungsprogramm zum Bild-Wort-Test als fester Bestandteil des Schulpakets „Rechtschreibanalyse und Beratung“ online freigeschaltet.

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WEITERE PRODUKTE

Best.-Nr: RKG-GT99-Z (plus Download-Lizenz: RKG-GT98-Z)

Die Aufgaben und Lösungen zur Textkorrektur auf der Laut- und auf der Wortebene dienen der Einübung und Automatisierung gezielter Korrekturtechniken in allen Lernbereichen. Mit den hier gelernten Techniken erweitern die Schüler(innen) schrittweise ihre Korrekturkompetenzen so, dass sie dann auch die eigenen Texte überarbeiten können (inkl. Klassenarbeiten und Analysediktate).

TEXT-

KORREKTUR Graf Orthos Korrekturkarte Die Korrekturkarte erleichtert den systematischen Aufbau der Korrekturkompetenz. Best.-Nr: RKG-SE01-Z

Vorderseite

l Vorwärtskorrektur: „Lesen und verstehen“ l Rückwärtskorrektur: „Lesen, was da steht“

Rückseite

Mit Wörtern jonglieren: l zurückführen und ableiten l Vokallänge und Wortarten bestimmen l im Wörterbuch nach- schlagen

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