Hobbes, Kant und heutige Menschenrechtskonzeptionen

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Richard Hörner

Hobbes Menschenrechtskonzeption, Kants Idee des Friedens und heutige Menschenrechtsproblematiken

Standpunkte

SCL Scriptline Publishers

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Inhaltsübersicht

1. EINLEITENDE BEMERKUNGEN

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2. HINTERGRÜNDE: MENSCHENRECHTE- NOTWENDIGKEIT, GESCHICHTE, GEGEN- WÄRTIGE AUSPRÄGUNGEN, GEGENWÄRTIGE PROBLEMFELDER 26

2.1 Notwendigkeiten und Problemstellungen

26

2.2 Formen bzw. Arten bzw. Geltung von

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Menschenrechten

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Definition von Recht Definition von Menschenrechten Begründung der Menschenrechte Egalitäre, universelle Menschenrechte und positives Recht Kategorien von Menschenrechten Unterscheidung einzelner Menschenrechte Menschenrechte und Naturrecht Geltungsbereiche

Durchsetzung von Menschenrechten und Kritik Exkurs: Menschenrechte und positives Recht

Innerstaatlich Überstaatlich

2.3 Historischer Überblick

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Ideen aus der Antike und dem Christentum

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Ideen des Mittelalters Zeit der Aufklärung

a) Virginia Bill of Rights von 1776 b) Amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776 c) Declaration des Droits de l´homme et du citoyen von 1789 d) 19. und 20. Jahrhundert Völkerrecht Internationale Strafgerichtsbarkeit als Beispiel einer Form der Durchsetzung internationaler Menschenrechtsstandards Allgemeine Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen vom 10. 12.1948 Nachklänge Grundgesetz als Beispiel von konkreten Ausformungen solcher Inhalte

2.4 Gegenwärtige Problemfelder: Sichtweisen

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2.4.1 Die Vereinten Nationen: Ansätze heutiger

Ausprägungen und Probleme von Durchsetzung 61

Die Vereinten Nationen als institutionalisierter Friedensschaffer und -wächter Aufbau der Vereinten Nationen Ansätze Entwicklungen

2.4.2 Menschenrechtsverletzungen, Probleme und Kritik

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Berichte von NGOs und Vereinter Nationen

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Kriegsereignisse versus Menschenrechte Die Westliche Welt, Schwellenländer und Dritte-Welt Staaten Export von westlichen Menschenrechtsvorstellungen Problem der reinen Addition von Ansprüchen Kritik an Menschenrechtsfragen

2.5 Der Begriff und Aspekt des Friedens bei Menschenrechtsfragen

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Begriff des Friedens Kurzer historischer Überblick Friedensforschung und Sicherheitspolitik Der Aspekt des Friedens bei Menschenrechtsfragen

2.6 Conclusio

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3. HOBBES MENSCHENRECHTSAUFFASSUNG

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3.1 Wesen des Menschen und Naturzustand: Hobbes Anthropologie

85

Hobbes Perspektivenwechsel der normativen Begründung Methodik Grundlagen Der Leviathan

3.2 Auffassung von Naturzustand, Selbst-Erhalt als Trieb und Grundrecht des Menschen 90

Naturzustand

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Im einzelnen: …Neuer Ausgangspunkt …Andere Tradition …Gleichheit …Zwei Konzeptionen von Recht: Natürliche Gesetze und natürliche Rechte Nach dem Naturzustand – das Leviathan-Modell

Der Zustand des Friedens im Leviathan Freie Wahl und Rolle eines Souveräns

Selbst-Erhalt als einziges „Recht“ des Menschen Rechte des Menschen und Verhältnis zum Souverän Gottesrechte innerhalb des Leviathan-Modells versus Souverän-Rechte Vorstellung zu internationalen Beziehungen

3.3 Hobbes Begründer universalistischer Menschenrechtsauffassungen?

120

4. KANTS IDEE DES FRIEDENS UND DIE EINES RECHTS DER VÖLKER

128

Exkurs: Kants Vorstellungen vom Menschen in der Natur

4.1 Kants Friedensidee als Ideal

133

4.1.1 Drei Ideen zum „ewigen Frieden“ – verschiedene Kontexte

133 137

4.1.2 Zum ewigen Frieden

4.1.2.1 Aufbau der Friedensschrift 139 4.1.2.2 Die sechs Präliminarartikel im einzelnen 144 4.1.2.3 Die drei Definitivartikel im einzelnen 150

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4.1.2.4 Wie wird der Völkerbund bei Kant begründet 4.1.2.5 Was garantiert nun in Kants 4.1.2.6 Garantie auf drei Ebenen: Staats- rechtliche, völkerrechtliche und weltbürgerliche Ebene Staatenbund den Frieden?

156 159 159

161

4.2 Friedensidee und Probleme der Ansätze zu einer Art Völkerrecht

166

4.2.1 Widersprüche

169 170

4.2.2 Beherrschung globaler Aggression

5. VERBINDUNGSPOTENTIALE BEIDER KONZEPTIONEN

173

Auffassung vom Menschen und Wahlmöglichkeiten:

Der Naturzustand Faktor Krieg

Element der Vernunft und Funktion Auffassung vom Wesen des Friedens Auftretende Menschenrechte Verhältnis zwischen Mensch und Staatsaufbau bzw. Staat und Völkerbund Diskussion: Verknüpfung beider Konzeptionen- Kants Idee des Friedens als mögliche Komponente der Auffassung von Hobbes auf internationaler Ebene?

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6. LÖSUNGSPOTENTIALE BEIDER AUFFASSUNGEN FÜR GEGENWÄRTIGE MENSCHENRECHTS- PROBLEME UND KRITIKPUNKTE 183

6.1 Hobbes Auffassung und Lösungshorizonte

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Aufbau eines Mindeststandard-Menschenrechtskatalogs Völkergemeinschaft und Friedensschaffung und -erhalt

Implementierung von Menschenrechten Durchsetzung der Menschenrechte heute Vereinte Nationen und möglicher Souverän

6.2 Kants Friedensidee Möglichkeit für friedensstiftende Strukturen zwischen Völkern auf Basis der Menschenrechte Völkergemeinschaftliche Institutionen I Kant und der Völkerbund von 1920 Völkergemeinschaftliche Institutionen II Kant und die Vereinten Nationen (united nations) Idee einer Weltföderation I Idee einer Weltföderation II: Global Governance Terrorkriege Stärkung der Rechte des Menschen Lösung weiterer Menschenrechtsprobleme bei Kant

191

6.3 Kritikpunkte

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6.3.1 Bei Hobbes 6.3.2 Bei Kant

206 208

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7. SCHLUSSBEMERKUNGEN

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8. LITERATURVERZEICHNIS

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1. Einleitende Bemerkungen

I. Als im Jahr 1948 der erste offiziell ernannte Generalsekretär der zu damaliger Zeit noch jungen Vereinten Nationen, Trygve Halvdan Lie, zusammen mit der UN-Vollversammlung die Allgemeine Erklä- rung der Menschenrechte ausrief, die insgesamt dreißig Artikel um- fasst, nahm man, unter anderem, mehrere Fäden innerhalb bestehen- der Menschenrechtskonzeptionen auf, deren Ursprung bereits in der Antike und im Christentum zu finden sind und zum einen Denker wie Kant, Hobbes, Locke usw. theoretisch inspirierten und zum an- deren Menschen, Gruppen oder ganze Völker dazu veranlassten, politische Veränderungen zu wagen oder Revolutionen wie in Ame- rika und in Frankreich im 18. Jahrhundert auszurufen: Auf der Basis unterschiedlicher Erklärungsmuster erwuchsen im Laufe von Jahrhunderten Überzeugungen, dass jedem Menschen eine Würde zukommt, die durch politische, kulturelle oder religiöse Ge- meinschaften, Gesellschaften und Staaten anerkannt, gepflegt und durchgesetzt werden müsse, jene Wurzeln für konkrete Ausformun- gen des Rechts entstanden also, die gegenwärtig durch globale Insti- tutionen wie den united nations, die derzeit mehr als 189 souveräne Mitgliedsstaaten umfasst, und ihr angeschlossener Organisationen und Staaten angestrebt, implementiert, entwickelt oder ausgebaut werden. 1 Gerade aber seit der verbindlichen Festlegung auf bestimmte Rechte in globaler Sphäre in den letzten fünf Jahrzehnten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nach 1945 trat die Entwicklung der Menschen- rechte in eine neue, fruchtbare Phase, und es kamen weitere als un- veräußerlich angesehene Rechte hinzu, die den eigentlichen, klassi- schen Kernbereich der Menschenrechte erweiterten, aber Synonym 1 Honneth, Axel. Universalismus...? Bedingungen und Grenzen einer Politik der Menschenrechte. In: Matthias Lutz-Bachmann/ James Bohman (Hrsg.). Frieden durch Recht. Kants Friedensidee und das Problem einer neuen Weltordnung. Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1996, S. 273, Z. 18ff

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gebraucht werden: die Rechte, die in den Frauen- und Kinderrechts- konventionen von 1979 bzw. 1989 2 aufscheinen, gehören beispiels- weise dazu, die in der Erklärung über die Rechte von Angehörigen nationaler oder ethnischer, religiöser und sprachlicher Minderheiten von 1992 3 oder die in den Übereinkommen gegen Rassendiskrimi- nierung und Folter von 1966 bzw. 1984 4 . Vor diesem Hintergrund und den heute mehr als 14 laufenden Frie- denseinsätzen unter internationaler Führung und Beteiligung von 89 Staaten 5 , um vorherrschende kleinere und größere Konfliktherde in Afrika, Asien oder Europa zu schlichten, der Tatsache, dass es zu- künftig zu Ressourcenknappheiten mit der Folge von kriegerischen Aktionen um Wasser-, Öl- und Gasvorkommen kommen wird 6 , be- schäftigen sich zahlreiche Politiker, nationale Regierungen und non 2 das „Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau von 1979 als Dokument bei: Fritzsche, K. Peter. Menschenrechte, a.a.O., S.275ff; das „Übereinkommen über die Rechte des Kindes“ von 1989 bei: Fritzsche, K. Peter. Menschenrechte, a.a.O., S. 287ff 3 genauer: vom 18. Dezember 1992, als Resolution 47/135 der Generalver- sammlung der Vereinten Nationen, als Dokument bei: Fritzsche, K. Peter. Menschenrechte, a.a.O., S. 369ff 4 das „Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Ras- sendiskriminierung von 1966 als Dokument unter: Fritzsche, K. Peter. Men- schenrechte, a.a.O., S.247ff; das „Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe“ von 1984 als Dokument unter: Fritzsche, K. Peter. Menschenrechte, a.a.O., S.261ff 5 unter Führung der Vereinten Nationen, Stand: 30. April 2003 6 vgl. hierzu interessant: Homepage des Forschungszentrum Karlsruhe in der Helmholtz-Gemeinschaft Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), ein Tagungsbericht in der Zeitschrift des ITAS zur Technikfolgenabschätzung, "Technikfolgenabschätzung", Nr. 3 / 4, 11. Jahrgang, November 2002, S. 165-16, von Elisabeth Kühn, Forschungsinsti- tut für Philosophie Hannover „Eine Erde für alle – Geowissenschaften und Philosophie im Dialog“

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governmental organizations 7 , private und öffentliche Stiftungen oder Menschenrechtsexperten auf nationaler und internationaler Ebene mit Systematiken und länderinternen oder -übergreifenden Projekten, die helfen sollen, verschiedene Rechte, die als Menschenrechte be- nannt worden sind, zu beschreiben und durchzusetzen: Und hierbei nicht nur Frieden und Sicherheit oder eine wirtschaftliche und sozia- le Entwicklung zu gewährleisten, für die Umwelt als Gut einzutreten oder für völkerrechtlich verbindliche Regeln in den einzelnen Staaten und Gemeinschaften zu kämpfen, sondern darüber hinaus parallel auch ein theoretisches Fundament dafür zu finden, weshalb es für die Völkergemeinschaft im Ganzen wichtig erscheint, gegen Hunger und Krieg und für Wohlstand und Frieden einzutreten und die Idee der Menschenrechte als wesentliches Werkzeug zum Erreichen eines alle Menschen befriedigenden Daseins heranzunehmen. In Zeiten des Kalten Krieges, in denen sich zwei Machtblöcke feind- lich gegenüberstanden, bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion in den Neunziger Jahren und dem einhergehenden Zerfall dieser kon- kurrierenden Blöcke, konnte hierbei wie selbstverständlich Hobbes Paradigma seines Naturzustandes, der quasi einen Krieg aller gegen alle und einen rohen Naturzustand zwischen Individuen beschrieb, auch auf die lange Zeit vorherrschende Situation innerhalb der Völ- kergemeinschaft plastisch als Bild verwendet werden, als Legitimati- on des Konzeptes „der aggressiven Sicherheitspolitik“, welches Stellvertreterkriege und Hegemonialbestrebungen mit einschloss: In jeweiliger „Unkenntnis der Absichten“ des anderen ergab sich das passende Mosaik eines Verhältnisses zwischen den Staaten, welches potentiell Krieg beinhaltete, der nur durch „präventive Machtsteige- rung“ verhindert werden konnte, die die Möglichkeit einer „Überle-

7 so genannte Nichtregierungsorganisationen/NGOs, wie beispielsweise Amnesty international (ai) oder Human Rights Watch (HRW) im Men- schenrechtsbereich (vgl. bei. Gahler, Michael. Menschenrechte…., a.a.O., S.11, rechte Spalte, Z. 14f) oder greenpeace im Bereich des Umweltschut- zes

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genheit im Ernstfall“ sichern half. 8 Aber nach Wegfall der für diese Beschreibung essentiellen Bausteine nach dem Zusammenbruch der Blöcke – wie die „Unmöglichkeit der elementaren Vertrauensbildung zwischen den Individuen oder eben den Einzelstaaten“ 9 aufgrund vermehrter gemeinsamer Anstrengungen der Völkergemeinschaft unter dem Dach der Vereinten Nationen im Irak, im Kosovo, in Zy- pern, im Nahost bei der Palästinenserfrage, in Osttimor usw. – war es nun möglich, im Laufe des letzten Jahrzehnts des letzten Jahrhun- derts dieses Mosaik dahingehend zu modifizieren, dass dieser gesetz- lose, potentiell lauter Krieg beinhaltende Zustand einmündet in einen Zustand „internationaler Sicherheit und gesellschaftlichen Wohl- stand[es]“ unter dem freiwillig gewählten Dogma einer „moralisch geregelte[n] Kooperation“ 10 . Auch wenn es seit 1948 bereits 56 Friedenssicherungseinsätze gege- ben hatte 11 , so umfasste diese moralisch geregelte Kooperation heute fast sämtliche Staaten, die sich unter dem Dach der united nations zusammengefasst haben, und man wünscht sich trotz der immer mehr zunehmenden Anzahl an Bürgerkriegen und Gewaltausbrü- chen, humanitären Katastrophen und Kriegen mit Völkermordansät- zen 12 , dass eine bereits bei Kant formulierte Idee des Ideals einer friedlichen Konstruktion der Völker vorherrschen könnte, der es nachzueifern gilt und deren Durchsetzung (im Gegensatz zu der An- 8 alle im Satz verwendeten Zitate bei: Honneth, Axel. Universalismus...? Bedingungen und Grenzen einer Politik der Menschenrechte. In: Matthias Lutz-Bachmann/ James Bohman (Hrsg.). Frieden durch Recht. Kants Frie- densidee und das Problem einer neuen Weltordnung. Frankfurt/Main. Suhr- kamp, 1996, S. 272, Z. 16ff 9 Honneth, Axel. Universalismus...?, a.a.O., S. 272, Z. 25f 10 dieses und das Zitat zuvor bei: Honneth, Axel. Universalismus...?, a.a.O., S. 273, Z. 14f 11 Stand 2003, Quelle: Vereinte Nationen 12 vgl. diese Ansicht immer mehr zunehmenden Konflikte trotz größerer internationaler Zusammenarbeit seit Zusammenbruch der sich gegenüber- stehenden West- und Ostmächte bei: Honneth, Axel. Universalismus...?, a.a.O., S.273f, Z. 29ff

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sicht des Königsberger Gelehrten) auch in gar nicht ferner Zukunft Wirklichkeit wird. 13

Vorliegende Arbeit fußt in diesem Spannungsfeld von theoretischer Begründbarkeit von Menschenrechten, wie sie bei Hobbes erscheint, der Möglichkeit der Anerkennung und Förderung durch internationa- le Konstruktionen wie des Völkerbunds bei Kant und beschreibt deren Anwendbarkeit bzw. Plausibilität sowie deren Aktualität vor dem Bereich heutiger Menschenrechtsproblematiken. Es werden hierfür zum einen die Konzeption von Hobbes Ansatz , der vor allem in seinem Leviathan zum Ausdruck kommt, als theoreti- schem Fundament für die Möglichkeit einer Sichtweise vorgestellt, wie sie bei der Beurteilung darüber auftreten kann, was Rechte des Menschen sind und wie diese erscheinen. Zum anderen wird Kants Konzeption von der Idee eines ewigen Friedens im politischen Kontext , die als Basis zum Aufbau einer Art Völkerrecht führen und als Anerkennungs- sowie Durchsetzungskon- struktion auf internationaler Ebene fungieren kann, dargestellt. Es wird ersichtlich, dass sowohl die Einzelbetrachtungen als auch die Verbindungen beider Konzeptionen Aspekte eröffnen, die pragmati- sche Ansätze zur Lösung heutiger Menschenrechtsproblematiken und zur sinnvollen Ausgestaltung von aktiven Strukturen international tätiger Organisationen aufzeigen: Nur auf Basis von den Frieden anstrebenden , reduktionistisch ge- prägten, strukturgebenden Gebilden können die zuvor von allen teil- nehmenden Staaten anerkannten und später implementierten Rechte der Menschen auch umgesetzt, durchgesetzt und weiterentwickelt

13 die Idee „einer Verrechtlichung der internationalen Beziehungen“, die Kants Konzept trägt, vgl. bei: Honneth, Axel. Universalismus als morali- sche Falle, a.a.O., S.275, Z. 18ff

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werden. Dabei erscheint ein Dreiklang der Anerkennung notwendig von…

…diversen Grundrechten oder Urrechten des Menschen, die notwen- dig eingebettet sein müssen in eine künstliche, von Menschen ge- schaffene Konstruktion und auf Grundlage einer überzeugenden theoretischen Basis stattfinden sollten, …der Durchsetzung mit Hilfe eines Instrumentes wie eines Staates, Staatenbundes oder der Vereinten Nationen und … die Weiterentwicklung sowohl der Menschenrechte als auch der Strukturen mit Hilfe eines monitoring-systems (wie beispielsweise durch ein Modell von staatlichen und internationalen Berichts- bzw. Kontrollsystematiken) 14 . Auch wird deutlich, dass eine Lösung auf einer simulierten oder imaginären Ebene (ein Menschenrecht als Forderung durch die Ver- einten Nationen beispielsweise) völlig sinnlos ist und als solches nicht bezeichnet werden kann. Ebenso, dass beide Module vorder- gründig zwar wenig kompatibel sind, da die wesentlichen Grundge- danken nur Ähnlichkeit vorgeben, so im Bereich der Vorstellungen über die Natur des Menschen oder des Wesens des Friedens, aber die Bindungen und Strukturen, die diese Gedanken miteinander verknüp- fen und tragen, durch Modifikationen durchaus in der Lage wären, eine gewisse Einheit einzugehen. Vermieden – und darauf sei hier ausdrücklich und nachdrücklich hingewiesen – wird eine als Plan konzipierte Lösung heutiger Men- schenrechtsproblematiken, die aus den ganzen Überlegungen bei Hobbes und Kant hergeleitet werden soll, auch wenn beispielsweise ein möglicher Menschenrechtskatalog bei Hobbes oder mögliche 14 vgl. hierzu, auf europäischer Ebene: Gahler, Michael. Menschenrech- te…., a.a.O., S.17, rechte Spalte. Z. 17ff; auf internationaler Ebene das Helsinki-Dokument von 1992 der KSZE, welches Kontroll- und Konsultati- onsmechanismen enthält, vgl. Kambartel, Friedrich. Kants Entwurf…, a.a.O., S.247, Z. 7ff

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sekundäre Menschenrechte vorgestellt werden oder es zu einem Ver- gleich von Hobbes und Kants Überlegungen kommt, die aber ledig- lich als spielerische Randüberlegung gedacht sind und als Ansatz dafür, die in den zuvor geäußerten detaillierten Überlegungen be- sprochenen Fäden weiterzuspinnen. Es handelt sich bei dieser Arbeit um eine Diskussion, nicht um eine Handlungsanweisung, die einzel- nen Kapitel behandeln Bereiche, die ausdrücklich nicht als Synthese beider Ansätze wiedergegeben werden können. Daher können auch einzelne Kapitel herausgegriffen werden und für sich stehen. II. Hobbes Menschenrechtskonzeption , das heißt seine Vorstellungen darüber, welche Rechte die Menschen auf eine natürliche oder unter- einander zugestandene Weise inne haben, wird dabei erst indirekt ersichtlich durch seine Auffassungen, die in seiner Anthropologie und innerhalb seines Leviathan-Modells beschrieben werden, in wel- chem sich die Menschen innerhalb eines Rahmens, der ihnen ein sinnvolles, bestmögliches Dasein im Leben ermöglicht, befinden: Ihm kommt es hierbei auf den Grundgedanken an, dass dieser Rah- men den von ihm postulierten Selbst-Erhalt, den Hobbes als das zentrale Motiv des Menschen erkennt, auch fördert, stabilisiert und ausprägt. Das Ziel eines friedfertig ausgerichteten Modells besitzt hierbei hohe Priorität, da nur unter diesen Prämissen solche Ausfor- mungen möglich erscheinen. Letztlich wird deutlich, dass Hobbes durch seine Anthropologie und seine politischen Überlegungen die Grundlage dafür geschaffen hat, dass sich Theorien und in der Folge politische Ansichten und konkrete Ausformungen von Menschen- rechten, die universell gelten sollen, in der Folge durch Denker wie Locke oder Kant haben weiterentwickeln können 15 .

15 diese Ansicht vertreten durch: König, Siegfried. Zur Begründung der Menschenrechte: Hobbes-Locke-Kant. Band 48 der Alber-Reihe Praktische Philosophie. Freiburg/München: Karl Alber Verlag, 1994, S. gesamtes Werk

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Kants Konzeption von der Idee eines ewigen Friedens im politischen Kontext , die als Basis zum Aufbau einer Art Völkerrecht führen und als Anerkennungs- sowie Durchsetzungskonstruktion auf internatio- naler Ebene fungieren kann, wirkt innerhalb dieser theoretischen Überlegungen vordergründig als ein nach gelagertes Zusatzmodul, welches es als hohes Ziel innerhalb der internationalen Ebene an- sieht, ebenfalls eine friedfertige und gleichsam moralische Konstella- tion zu errichten – insbesondere, da sich Hobbes eben nicht dazu äußert, wie ein Friede zwischen Völkern bzw. Staaten konkret ausse- hen könnte. Die Friedensschrift kann ein Pendant bilden zu der fas- zinierenden Idee eines Modells, welches zuvor erkannte Menschen- rechte nicht nur beachtet, sondern auch konkret umzusetzen hilft. 16 Dabei wird erstens die Frage behandelt, ob das Fehlen einer ausrei- chenden Systematik von Begründung, Geltung, Inhaltsfestlegung, Sicherung und Durchsetzung von grundlegenden Rechten des Men- schen auf internationaler bzw. globaler Ebene zwischen Staaten und Völkern bei Hobbes durch Kants Vorstellungen über das Zusammen- spiel zwischen Staaten ergänzt werden kann. Zweitens, ob die Vor- stellungen einer friedvollen Atmosphäre, die essentiell sowohl für den englischen Philosophen als auch den deutschen Gelehrten sind, die Potentiale eröffnen helfen, die für das Menschsein notwendigen Voraussetzungen und Entwicklungen aufzugreifen und auszuführen – also nach Kant beispielsweise die Prosperität und der Erhalt jener Staaten ermöglicht werden können, die aufgrund ihrer inneren repub- likanischen Verfasstheit Räume eröffnen, die im Zeichen der Natur den Menschen kultivieren helfen. Drittens, inwiefern der bei beiden Konzeptionen vorhandene Ansatz auf nur wenige, dafür aber kon- sensfähige Voraussetzungen und Festlegungen, der jeweils reduktio- nistischen Charakter aufweist, eine gerade in einer sehr komplexen, pluralistisch geprägten Weltgemeinschaft mit unterschiedlichen Kul- turausprägungen, religiösen, politischen oder sozialen Mustern einen 16 denn nur dann haben nach Ansicht vieler Beobachter solche Menschen- rechte auch Sinn, vgl. u.a. bei: Köhler, Wolfgang R. Das Recht auf Men- schenrechte., a.a.O., S.123, Z. 13ff

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Minimalkonsensus bei der Festlegung heutiger Vorstellungen darü- ber ermöglicht, was Menschenrechte darstellen und wie Probleme heutiger Umsetzungen gelöst werden können. III. Der erste Teil der Arbeit beschreibt die Hintergründe , deren Ver- ständnis notwendig erscheinen, wenn man über Menschenrechte, deren Notwendigkeiten und Problemstellungen und deren Formen sprechen will, er gibt an, was man unter dem Begriff Recht verstehen kann, definiert Menschenrechte , erklärt deren Kategorien und Unter- scheidungen , deren Geltungsbereiche und bemüht sich um Abgren- zungen zwischen den Menschenrechten, dem Naturrecht und positi- vem Recht, er gibt einen historischen Überblick und stellt gegenwär- tige Ausprägungen dar, die in dem Spannungsfeld zwischen Univer- salität und Relativismus entstehen, und stellt die Kernfragen einer Politik , die sich mit Menschenrechten auseinander setzt. Sichtweisen verdeutlichen diese gegenwärtigen Problemfelder, die heutige Men- schenrechtsverletzungen umfassen oder auch Ansätze der Durchset- zung von beschriebenen Menschenrechten der Vereinten Nationen – insbesondere nach Ende des Zweiten Weltkrieges – aufzeigen. Darü- ber hinaus wird der Aspekt des Friedens bei Menschenrechtsfragen verdeutlicht. Der zweite Teil versucht, Hobbes Ansätze für eine Art Menschen- rechtskonzeption vorzustellen. Auch wenn der Philosoph nicht expli- zit eine solche Konzeption entwickelt hat, lassen sich doch Vorstel- lungen über bestimmte Rechte des Menschen, die er besitzt, aus sei- nen Arbeiten über den Leviathan herausarbeiten. Es wird deutlich, dass Hobbes die Ansätze geschaffen hat für einen umgreifenden Wandel – eine Art Paradigmenwechsel der normativen Begründung gegenüber dem klassischen Naturrecht – in der Betrachtung darüber, was Rechte des Menschen ausmachen können. Erkennbar wird, dass Hobbes ein universales Recht des Menschen sieht, und zwar seinen Selbst-Erhalt , aus dem heraus er Rechte ableitet. Dies wird erkenn- bar durch die Beschäftigung mit Hobbes Auffassungen des Naturzu- standes , den er imaginiert, und der Schöpfung des Leviathan , des

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künstlichen Menschen, der den Willen der einzelnen Individuen ver- körpert. Anschließend wird gefragt, inwieweit Hobbes als Begründer von universalistischen Menschenrechtsauffassungen herangezogen werden kann. Der dritte Teil handelt von Kants Idee eines ewigen Friedens und die eines Rechts der Völker und formuliert den Gedanken, ob seine Idee des ewigen Friedens auf völkerrechtlicher Ebene als Konstrukt dafür taugt, die universalen und abgeleiteten Rechte Hobbes auf internati- onaler Ebene durchzusetzen und zu verteidigen: Seine Idee eines ewigen Friedens erscheint als Ideal, welches in verschiedenen Kon- texten unterschiedlichen Charakter aufweisen kann. Ein Exkurs beschäftigt sich allgemein mit Kants Vorstellungen vom Menschen in der Natur . Anhand der zu dem politischen Kontext entstandenen Hauptschrift Zum Ewigen Frieden , die in der Arbeit nachgezeichnet und untersucht wird, verdeutlicht er systematisch die politische Friedensidee und Ansätze zu einer Form des Völkerrechts . Widersprüche , die Frage, wie Kant den Völkerbund begründet und den Frieden innerhalb dieses Bundes garantiert , werden ebenso betrachtet wie Probleme , die sich aus seinen Völkerrechtsansätzen ergeben. Nachfolgend wird untersucht, ob Hobbes Vorstellungen und Kants Idee des ewigen Friedens einen Zusammenhang aufweisen: Und zwar hinsichtlich der Auffassung vom Menschen und seinen Wahl- möglichkeiten im Naturzustand, des Faktors Krieg, des Elements der Vernunft, des Wesens der Idee des Friedens , der auftretenden Men- schenrechte , des Verhältnisses zwischen Mensch und Staatsaufbau bzw. des Staats und des Völkerbundes . Es wird prägnant anhand der wesentlichen Punkte diskutiert, ob beide Vorstellungen inhaltlich stark divergieren, aber auch mit Blick auf ein Ziel einer übergeordne- ten Systematik Verknüpfungspunkte erlauben und letztlich auf Grundlage einer Basis, einer Struktur und der Entwicklung als er- gänzende Komponenten potentiell Entfaltung versprechen.

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Im letzten Teil wird untersucht, inwiefern die Vorstellungen von Hobbes und Kant für die Lösung heutiger Menschenrechtsprobleme herangezogen werden können bzw. für den Aufbau friedensstiftender Strukturen: Bei Hobbes stellt sich dabei die Frage nach einem Auf- bau eines Menschenrechtskatalogs , der einen Konsens verspricht, hinsichtlich der Möglichkeiten für die Völkergemeinschaft , es wird diskutiert, ob seine Vorstellungen bei der Implementierung von Men- schenrechten tauglich erscheinen, sie auch durchgesetzt werden könnten, und es wird das Bild der Vereinten Nationen als möglichem Souverän ins Spiel gebracht. Bei Kant wird dessen Einfluss auf die Ausgestaltung völkerrechtli- cher Gemeinschaften wie des Völkerbundes und der Vereinten Nati- onen untersucht und betrachtet, welche Rolle seine Ideen innerhalb den Überlegungen zu einer Weltföderation inne haben könnten, auch für den Bereich des heute vorgebrachten global governance . Darüber hinaus wird erläutert, ob die Stärkung der Rechte des Menschen möglich sind und seine Vorstellungen zur Lösung heutiger Men- schenrechtsprobleme verwendet werden können. Anschließend werden mögliche Kritikpunkte , die zuvor noch nicht hinreichend angesprochen wurden, aber Fäden spinnen können für mögliche weiterführende Diskussionsfelder, diskutiert. Es folgen Schlussbemerkungen .

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