FB-aktuell_Journal_4_2014

Fortbildung aktuell - Das Journal (April 2014)

Fortbildung aktuell Das Journal

Polymedikation im Alter, Medikamentenmonitoring und Defekturarzneimittel

2/2014 Das Journal: April 2014

Seite 5 Polymedikation – Praxisbeispiele zur Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) Seite 14 Wie ein Medikamentenmonitoring Organschäden vermeiden kann Seite 23 Prüfung von Defekturarzneimitteln nach Risikomanagement

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EDITORIAL

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ein breites Themenspektrum deckt die erste Ausgabe des Jahres 2014 unseres Fortbildungsjournals ab. Es reicht von Praxisbeispielen zur Polymedikation über Medikamentenmonitoring bis zur Prüfung von Rezepturarzneimitteln. Für alle drei Beiträge gilt: Nach der Lektüre können Sie sich wieder den Ler- nerfolgskontrollen im Mitgliederbereich unserer Kammerhomepage stellen und sich damit Fortbildungspunkte sichern. Dort haben wir übrigens für Sie auch die Lernerfolgskontrollen zu den vergangenen Ausgaben des Journals hinterlegt. Was der Auftritt des Schlagerbarden Heino beim Heavy-Metal-Festival in Wa- cken mit der Polymedikation älterer Menschen zu tun hat, verrät Ihnen Dr. Hil- trud von der Gathen im ersten Artikel. Unser „pharmazeutischer Leuchtturm“ aus Castrop-Rauxel verdeutlicht, dass es bei der Behandlung von Krankhei- ten nicht nur darum gehen kann, dem Leben weitere Jahre hinzuzufügen, sondern diese auch lebenswert auszugestalten zu sind. Welche Rolle hier die Apotheke spielt, zeigt sie auf eindrucksvolle Weise auf. Dass die regelmäßige Überprüfung von Laborwerten unerwünschte Arznei- mittelwirkungen und Organschäden aus einer Arzneimitteltherapie verhin- dern kann, veranschaulicht Verena Arzbach, Redakteurin der Pharmazeuti- schen Zeitung, im zweiten Artikel. So sind Arzneimittel aktuell für ein Drittel der auftretenden Nierenschäden verantwortlich. Das Medikamentenmoni- toring in der Apotheke kann hier entscheidend dazu beitragen, Fehler von Hausärzten zu vermeiden. Spätestens nach Inkrafttreten der neuen Apothekenbetriebsordnung müssen sich viele Apothekerinnen und Apotheker neu mit dem Thema Defektur be- fassen. Die Herstellung und Prüfung von Defekturarzneimitteln soll und muss in jeder Apotheke möglich sein, so Christian Bauer, Vorsitzender der Arbeits- gemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands, im dritten und letzten Artikel dieses Journals. Er zeigt auf, wie die neuen gesetzlichen Vorgaben ohne grö- ßeren Aufwand, aber zugleich mit dem Ergebnis einer hohen Produktqualität für den Patienten umgesetzt werden können.

Gabriele Regina Overwiening Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe

René Graf Vizepräsident der Apothekerkammer Westfalen-Lippe

Impressum: „Fortbildung aktuell“

der Apothekerkammer Westfalen-Lippe erscheint zweimal jährlich als „Fortbildung aktuell – Themen & Termine“ und dreimal pro Jahr als „Fortbildung aktuell – Das Journal“. Herausgeber: Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Bismarckallee 25, 48151 Münster, Tel: 0251/520050, Fax: 0251/52005-69, E-Mail: info@akwl.de, Internet: www.akwl.de Redaktion/Grafiken: Dr. Sylvia Prinz, Dr. Oliver Schwalbe Layout: Sebastian Sokolowski Autoren dieser Ausgabe: Dr. Hiltrud von der Gathen, Verena Arzbach, Christian Bauer, Der Bezugspreis für „Fortbildung aktuell“ und „Fort- bildung aktuell – Das Journal“ ist für die Mitglieder der Apothekerkammer Westfalen-Lippe im Kammer- beitrag enthalten. Auflage: 7.400 Exemplare Nachdruck – auch in Auszügen – nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers. Gedruckt auf Papier aus 100 Prozent recycelten Fasern. Titelfoto: www.fotolia.com – Kaulitzki

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen, Lernen und Punkten!

Gabriele Regina Overwiening René Graf

Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 1/2010 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 3 Fortbildung ktuell – Das Journal er A t ekerka er Westfale -Lip e

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Dr. Hiltrud von der Gathen

Polymedikation im Alter Praxisbeispiele zur Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS)

erhöht sich die Summe sogar auf 19 Mil- liarden Euro. 4 Folglich spart die Verbesse- rung der Anwendung erhebliche Kosten.

Polymedikation im Alter ist in aller Munde. Der Aktionsplan AMTS 2013 bis 2015 des Bundesministeriums für Gesund- heit dokumentiert den hohen politischen Stellenwert des Ziels, die Sicherheit von Arzneitherapien zu erhöhen. Während lange Zeit unter Arzneimittelsicherheit vor allem die Sicherheit des Arzneistoffs und -mittels verstanden wurde, rückt nun die Sicherheit der bestimmungsgemäßen Anwendung weiter in den Vordergrund. Hier verbirgt sich ein großes Potenzial, nicht nur Kosten im Gesundheitssektor zu sparen, sondern vor allem den Patienten vor vermeidbaren Schäden einer Arznei- therapie zu schützen und durch die rich- tige Anwendung der passenden Arznei- mittel und Arzneiformen seine Lebens- qualität positiv zu beeinflussen. 1 Während der Patient im Diagnoseprozess zumeist umfangreich betreut wird, ist er nach Diagnosestellung für den bestim- mungsgemäßen Gebrauch seiner Medi- kation weitgehend allein verantwortlich. Gerade der ältere Mensch mit Dauerme- dikation bedarf dabei eines stärkeren Bei- standes. Zu Beginn der Therapie muss er die gute, heilende Wirkung seiner Arznei- mittel erkennen, anerkennen und im Um- gang mit Nebenwirkungen geschult wer- den. Im Verlauf der Therapie muss über- prüft werden, ob sich Fehler bei der An- wendung bewusst oder unbewusst einge- stellt haben. Für diese patientennahe Begleitung ist der Apotheker so gut ausgebildet wie kein anderer im Gesundheitswesen. Hier gilt es, die Verantwortung mit Elan und Schwung kompetent zu übernehmen, sie gegen Begehrlichkeiten von anderer Seite zu verteidigen und die einzigartige apo- thekerliche Arzneimittelkompetenz über-

Die „neuen“ Alten

Wer verfolgt hat, dass Heino letztes Jahr in Wacken – dem größten Heavy-Metal- Festival der Welt – mit 75 Jahren im roten Nietenmantel zusammen mit Rammstein gerockt hat, der weiß, dass die Zeiten vorübergehen, in denen man beim Se- niorenkaffee Catarina Valente und Pe- ter Alexander hört. Lange wird es nicht mehr dauern, bis dort „I can’t get no sa- tisfaction“ gespielt wird. Die „neuen“ Al- ten sind nicht mehr die „alten“ Alten. Die ehemalige, rebellierende 68er-Genera- tion kommt ins Rentenalter. 50 Prozent der heute über 50-jährigen weisen bereits mindestens drei chronische Erkrankungen auf, die keine Bagatellerkrankungen son- dern behandlungsbedürftig sind. 3 In Zukunft wird bei der Beratung des- halb die paternalistische Entscheidungs- findung an Bedeutung verlieren, bei der einer (Arzt oder Apotheker) sagt, was ge- macht wird und der andere (Patient) dem gehorsam Folge leistet. Vielmehr wird die partizipative Entscheidungsfindung an Bedeutung gewinnen, bei der beide Sei- ten gleichberechtigt an der Therapieent- scheidung beteiligt sind. 3 Der multimor- bide, ältere Patient wird in der Zukunft nicht nur be- handelt werden, sondern vermehrt wird der Berater mit ihm über die Therapie ver -handeln müssen. Zum Beispiel darüber, welche seiner Beschwer- den behandelt werden können und müs- sen und was der Patient bereit ist, dafür zu leisten oder in Kauf zu nehmen. Ver- teidigt er seine Arzneitherapie gegen- über Angriffen von außen? Hält er zu er-

Dr. Hiltrud von der Gathen ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Bun- desapothekerkammer. Neben ihrer Re- ferenten- und Autorentätigkeit ist sie bundesweit als Referentin und als Ver- tretung in Apotheken tätig.

zeugend darzustellen, in die Praxis umzu- setzen und zu verteidigen.

Das Horrorszenario der Kosten

Beim Thema Polymedikation impo- niert das Horrorszenario der Kosten. In Deutschland nehmen ca. sieben Millionen Mitbürger fünf oder mehr Medikamente ein. 2 Jeder zweite jedoch nimmt seine Arzneimittel nicht wie verordnet ein. 3 Je- de fünfte Krankenhauseinweisung er- folgt wegen unerwünschter Arzneimittel- wirkungen. 25 Prozent davon sollen ver- meidbar sein. 1 Nach einer Untersuchung von IMS Health 2013 soll sich ein Einspar- potenzial von 13 Milliarden Euro erge- ben, würden Arzneimittel richtig verwen- det. Werden Folgekosten mit einbezogen,

Fortbildung aktuell – Das Journal der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 5

Polymedikation im Alter

Tabelle 1: Bausteine des Medikationsmanagements bei der Überprüfung. Plausibilität Vollständigkeit

einflusst. Die beste Diagnose, die Verord- nung des besten Arzneimittels nützen nichts,wennderPatientsichnichtandienot- wendigen Anwendungsmodalitäten hält.

Doppelverordnungen

Dosierung

Anwendung

Einnahmeintervalle

Unerwünschte Wirkungen

Lagerung

Entsorgung

Unter-/ Überversorgung Anwendungszeitpunkt

Adhärenz

Adhärenz – Non-Adhärenz

1000 mg ca. 200 Newton Kraft benötigt. Der ältere Mensch bringt jedoch häufig nicht mehr als ca. 50 Newton auf. 5 Auch können unerwünschte Arzneimittelwir- kungen wie Interaktionen, Kontraindika- tionen und Nebenwirkungen sowie die Nichtbeachtung des richtigen Einnahme- zeitpunkts die Sicherheit und den Erfolg der Therapie gefährden.

In der Literatur hat der Begriff der Adhä- renz den Begriff der Compliance weitge- hend ersetzt. Während Compliance eher das fügsame Einhalten einer Vorschrift beschrieb, bedeutet Adhärenz das über- zeugte Einhalten. Auch hier zeigt sich der Wechsel einer paternalistisch geprägten Entscheidungsfindung hin zu einer parti- zipativen.

wartende Nebenwirkungen für tolerabel? Unterstützt er die Therapie mit seinem Le- bensstil? Kann er die Kosten für die Emp- fehlungen aufbringen? Die „neuen“ Al- ten verlangen unzweifelhaft eine neue Einstellung bei der Beratung, wenn die Therapie zu einem Erfolg führen soll.

Erhöhung von AMTS – Bausteine des Medikationsmanagements

Untersuchungen haben gezeigt, dass gut aufgeklärte Patienten eine höhere The-

Entscheidend wird die Sicherheit jedoch auch durch die Adhärenz des Patienten be-

Die Überprüfung der gesamten Medika- tion einschließlich der Selbstmedikation ist die Grundlage, um beurteilen zu kön- nen, ob und gegebenenfalls wie sich die Sicherheit einer Arzneimitteltherapie er- höhen lässt. Tabelle 1 zeigt wichtige Bau- steine, die betrachtet werden müssen. So wird die Verordnung beispielsweise auf Vollständigkeit und Plausibilität über- prüft. Nicht selten stellt man fest, dass die bei einer Opiat-Therapie auftretende Ob- stipation nicht durch ein verordnetes La- xans gelindert wird. Doppelverordnungen können sowohl durch Verordnungen mehrerer Ärzte entstehen als auch durch Nichtlöschen eines Arzneimittels, das in Zukunft wegen der Vorschriften des Ra- battvertrags von einem anderen Herstel- ler unter Umständen sogar unter einem anderen Namen gegeben wird. Bei der Anwendung zeigen sich altersspezifische Probleme besonders häufig. Die Entnah- me einer festen Arzneiform aus einem Blister, das Durchbrechen einer Tablet- te, das Zusammendrücken eines Fläsch- chens mit Augentropfen oder die Injekti- on mit einem Pen erfordern eine gewisse Kraft und Geschicklichkeit, die der ältere Patient oft nicht mehr aufbringt. So wer- den beim Teilen einer Tablette Metformin

Abbildung 1: Je individueller die Kommunikation, desto besser die Adhärenz. 7

Foto: Melpomene / Fotolia.com

6 Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 1/2014 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe der Apothekerkammer W stfalen-Lipp

Dr. Hiltrud von der Gathen

Tabelle 2: Gründe für Non-Compliance. 8

rapietreue zeigen und eine wichtige Si- cherheitsbarriere gegen arzneimittelbe- zogene Probleme sind. 1,3 Doch nicht nur die Sicherheit wird dadurch beeinflusst, sondern auch der Erfolg der Therapien. 6 Aus ökonomischer Sicht ist Non-Adhärenz eine „Volkskrankheit“, bei der finanzielle Ressourcen verschleudert werden. Außer- dem ist die Erkenntnis wichtig, dass die Adhärenz umso besser ist, je individueller die Kommunikation abläuft. Ein Infobrief verändert die Adhärenz nicht, während regelmäßige Gespräche die Adhärenz ver- doppeln, 7 (Abbildung 1). Die Ursachen für Non-Adhärenz sind viel- fältig. Fragt man Ärzte nach ihrer Mei- nung, warum Patienten ihre Arzneimit- tel nicht vorschriftsmäßig einnehmen, so lautet die Antwort: „Die Verunsicherung durch das Lesen des Beipackzettels.“ 8 Eine eigene Untersuchung der Autorin brachte für Offizinapotheker das gleiche Ergeb- nis. Wie in Tabelle 2 dargestellt, ist das Er- gebnis modifiziert zu betrachten, wenn Patienten dieselbe Frage gestellt wird. Von den Befragten geben 31 Prozent an, dass sie die Arzneimittelanwendung schlicht vergessen haben. 26 Prozent ha- ben sich zwar an die nötige Anwendung erinnert, hatten die Packung jedoch zum geforderten Zeitpunkt nicht griffbereit. Dieses Ergebnis zeigt deutlich auf, dass Patienten nicht hinreichend über den Sinn ihrer Therapie informiert waren und dass ihnen die Bedeutung der Arzneiga- be nicht ausreichend bewusst war. Dies hängt häufig damit zusammen, dass sie sich kein „Bild“ von der Wirkung machen können und / oder, dass die Wirkung nicht als hinreichend lohnenswert dargestellt wurde. Wie soll es einen Laien auch mo- tivieren, beim oberen Blutdruck die Zahl 140 und beim HbA 1c -Wert die Zahl 7,5 nicht zu überschreiten? Der römische Phi- Ursachen für Non-Adhärenz

Arzneimittelanwendung vergessen

31 % 26 % 23 % 16 % 10 %

Packung zum Anwendungszeitpunkt nicht griffbereit Verunsicherung durch den Beipackzettel Allgemeine Skepsis gegenüber Arzneimitteln

Angst vor Nebenwirkungen

oder auch bei altersbedingter Multimor- bidität kann diese Anzahl an Arzneimit- teln durchaus Leben verlängern und / oder erträglich machen. Dem Patienten muss deshalb unbedingt erklärt werden, wa- rum er ein oder mehrere Arzneimittel an- wenden soll. Die Betrachtung allein der Anzahl ist nicht zielführend, wobei aber immer im Auge behalten werden muss, ob tatsäch- lich für jedes Arzneimittel eine Indikation besteht. Eine Untersuchung des Deutschen Ärzte- blattes 2013 hat gezeigt, dass die Häufig- keit des Auftretens von Nebenwirkungen auch von den Fachkreisen bei weitem überschätzt wird. 9 In Tabelle 3 werden die geschätzten Angaben im Kontext von Ne- benwirkungen von 600 Ärzten und 200 Apothekern den Häufigkeitsangaben den Definitionen des Bundesinstitut für Arz- neimittel und Medizinprodukte (BfArM) gegenüber gestellt. Dabei zeigt sich, dass ein großer Aufklärungsbedarf selbst bei den Fachkreisen besteht, welche Zahlen- angaben sich dahinter verbergen. Wenn schon die Fachkreise die Häufig- keitsangaben laut Beipackzettel über- schätzen, so wird es bei der allgemeinen Bevölkerung nicht anders sein. Im Bera- tungsgespräch muss dem Patienten des- halb erläutert werden, was die Begriffe beinhalten. Wenn man jedoch einen Pa- tienten trösten und damit positiv motivie- Umgang mit Nebenwirkungen – Häufig- keit des Auftretens

losoph Seneca stellte bereits fest: „Wenn ein Seemann nicht weiß, welchen Ha- fen er ansteuert, dann ist jeder Wind der falsche Wind.“ Wenn ein Patient folglich nicht weiß, warum er ein Arzneimittel an- wendet, dann kann jedes Arzneimittel ein „falsches“ Arzneimittel sein. Als wei- tere Gründe für Non-Adhärenz nannten 23 Prozent den Beipackzettel, 16 Prozent allgemeine Skepsis gegenüber Arzneimit- teln und 10 Prozent die Angst vor Neben- wirkungen (Tabelle 2). Eine Untersuchung über die Ursachen von Non-Compliance der Boston Consul- ting Group brachte 2013 ein ähnliches Er- gebnis für die USA. 7 Hier rangieren das Vergessen der Einnahme und die Angst vor Nebenwirkungen auf den Plätzen 1 und 2. Die Nichtanwendung wird unzwei- felhaft durch das Lesen des Beipackzettels gefördert, der wesentlich mehr die Merk- male eines Gefahrenblattes aufweist als die einer Gebrauchsanweisung. Aus be- hördlicher Sicht ist die Darstellung der po- sitiven Seiten des Arzneimittels, des Nut- zens der Therapie, nicht vorgesehen, so dass sich die Frage erhebt, wann und wo der Patient von positiven Seiten eines Arz- neimittels hört. Vielmehr hört und liest er häufig in den Medien von pauschalierten Verunglimpfungen. So lautete beispiels- weise die Aussage in einem Artikel der Frankfurter Rundschau vom 27. Dezem- ber 2013: „Im Schnitt nehmen Männer über 65 Jahren täglich über 7,3 Medika- mente ein, bei den Frauen sieht es ähn- lich übel aus.“ Mit keinem Wort werden Indikationen erwähnt. Bei einer Chemo- therapie oder nach einer Transplantation

Fortbildung aktuell – Das Journal der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 7

Polymedikation im Alter

Tabelle 3: Einschätzung der Häufigkeit von Nebenwirkungen 2013. 9

ren möchte und ihm beispielsweise erläu- tert, dass eine gelegentliche Nebenwir- kung höchstens einen von 100 Patienten trifft, dann hört man oft die Antwort: „Und der bin ich!“ Hier kann man sich eine Beobachtung der Psychologie zunutze machen, dass die meisten Menschen lieber zu einer größe- ren Gruppe gehören. Dieses Phänomen stammt noch aus der Zeit unserer Vorfah- ren. Das Überleben war eher gesichert, wenn Männer gemeinsam auf die Jagd gingen, Frauen gemeinsam das Feld be- stellten und die Kinder hüteten. Deshalb sollte in einem Beratungsgespräch nicht erwähnt werden, wie viele Patienten ei- ne Nebenwirkung möglicherweise erlei- den sondern, wie viele sie nicht verspüren werden. Der Appell lautet folglich: „Las- sen Sie Nebenwirkungen in die Ferne rü- cken!“ (Abbildung 2).

häufig: 1 - <10 %

gelegentlich: 0,1 – 1 %

selten: 0,01 - < 0,1 %

Definition laut BfArM

Einschätzung Ärzte

60 % 50 %

10 % 10 %

5 % 3 %

Einschätzung Apotheker

aus der Wirkung der Arzneistoffe abge- leitet werden können und die erfahrungs- gemäß häufig oder sehr häufig auftre- ten. Hier müssen dem Patienten Ratschlä- ge gegeben werden, wie er mit den Ne- benwirkungen umgeht. In manchen Fäl- len gewöhnt sich der Organismus an den Arzneistoff und die Nebenwirkung ver- schwindet nach einiger Zeit. Durch Kon- kretisierung des Einnahmezeitpunktes bezüglich der Mahlzeit lassen sich ande- re Nebenwirkungen abmildern. Schluss­ endlich kann dem Patienten auch eine Be- gleitmedikation empfohlen werden, da- mit er nicht so stark unter den Nebenwir- kungen leidet. Manchmal muss ihm aller- dings auch geraten werden, das Mittel so- fort abzusetzen, wenn er eine bestimmte Nebenwirkung verspürt und sich in ärzt- liche Behandlung zu begeben. Arzneimittel können beim Patienten Kopfschmerzen auslösen (Tabelle 4). Da- zu zählen vor allem gefäßaktive Substan- zen, die eine Dilatation der Gefäße bewir- ken, um die Blutversorgung zu verbessern und / oder den Blutdruck zu senken. Dazu gehören Calcium-Kanal-Blocker wie Am- lodipin, Felodipin, Nifedipin, Diltiazem und Verapamil. Weitere Beispiele sind zentralwirksame Antisympathotonika wie Clonidin und Moxonidin. Ebenfalls kön- nen NO-freisetzende Arzneistoffe als Ne- benwirkung Kopfschmerzen hervorrufen wie Isosorbidmononitrat (ISMN) / Isosor- biddinitrat (ISDN), Nitroglycerin und Mol- sidomin. Auch die bei erektiler Dysfunk- tion eingesetzten Phosphodiesterase-5- Hemmer (PDE-5-Hemmer) Sildenafil, Ta- Nebenwirkung Kopfschmerzen

meistens damit allein gelassen wird. Si- cher ist es nicht hilfreich, alle im Beipack- zettel aufgelisteten Nebenwirkungen mit ihm zu besprechen. Durch diese Hinweise könnte der Patient seine Wahrnehmung auf genau diese Wirkungen fokussieren und sie dann auch im Sinne einer „Self- fulfilling-prophecy“ verspüren. Bei manchen Nebenwirkungen ist es schwer, sie eindeutig mit der Arzneimit- telgabe zu erklären. Dazu gehören Ne- benwirkungen wie Unwohlsein, Abge- schlagenheit, Gähnen, Konzentrations- störungen, Nervosität, die bei vielen Arz- neimitteln als mögliche Nebenwirkungen im Beipackzettel aufgelistet sind und die häufig auch ohne Arzneimitteleinnahme oder krankheitsbedingt auftreten. Die Beratung sollte sich deshalb vor allem auf die Nebenwirkungen konzentrieren, die

Nebenwirkungen – Was kann der Apo- theker raten

Das größte Problem beim Umgang mit Nebenwirkungen ist, dass der Patient

Selten: 999 von 1000 nicht

Gelegentlich: 99 von 100 nicht

Häufig: 90 von 100 nicht

Abbildung 2: Betonen Sie, wie viele Patienten die Nebenwirkung nicht bekommen. Lassen Sie Nebenwirkungen in die Ferne rücken.              Foto: Coco / Fotolia.com

8 Fortbildung aktuell – Das Journal der Apothekerkammer Westfalen-Lippe

Dr. Hiltrud von der Gathen

eine falsche Vorstellung von der notwen- digen Stuhlfrequenz die Ursache. Die Re- gel lautet: Der Stuhlgang ist normal, wenn es zwei- bis dreimal am Tag oder zwei- bis dreimal pro Woche zu einer Stuhlentlee- rung kommt. Viele ältere Menschen ha- ben jedoch die Vorstellung, dass der län- gere Aufenthalt von Stuhl im Darm schäd- lich ist. Außer bei einem Darmverschluss trifft dies nicht zu. Des Weiteren sind sie häufig von der produzierten Menge ent- täuscht. Je ballaststoffärmer die Kost ist, desto geringer ist die Stuhlmenge. Bei normaler mitteleuropäischer Kost beträgt das Stuhlgewicht etwa 150 bis 200 g. Die- se Menge kann dem Patienten anschau- lich mit einem kleinen Töpfchen Quark oder Joghurt erläutert werden, das genau diese Menge fasst. Bei Klagen eines älteren Patienten über eine schlechte Verdauung ist immer nach seiner Medikation zu fragen und zu klä- ren, ob die Obstipation ein arzneimittel- bedingtes Problem sein könnte (Tabel- le 5). Bei Kenntnis der Einnahme obstipie- render Arzneimittel ist darüber hinaus aktiv nachzufragen, wie es um die Ver- dauung bestellt ist, da viele Patienten die Probleme nicht mit einer Arzneimit- telgabe in Zusammenhang bringen. So ist der Parkinsonpatient besonders von Verdauungsproblemen betroffen, da die Beschwerden sowohl durch die Grund­ erkrankung als auch durch die Gabe von Levodopa und / oder Dopaminagonisten wie Pramipexol, Rotigotin, Ropinirol als Nebenwirkung hervorgerufen werden. Dem Patienten dann zu raten, dass er sich mehr bewegen soll, um das Problem zu beheben, ist genauso wenig ethisch ver- tretbar wie diese Vorgehensweise einem mit Opiaten oder Opioiden behandel- ten Schmerzpatienten zu empfehlen. Bei- den Patienten muss geraten werden, sich Laxantien wie Macrogol, Bisacodyl oder

dalafil und Vardenafil können diese Ne- benwirkung zeigen.

MERKE: Kopfschmerzen können ein Zeichen der Wirkung sein!

Bei der Beratung ist dem Patienten zu- nächst zu erklären, dass die Kopfschmer- zen ein Zeichen der Wirkung sind. Davon wird er wahrscheinlich nicht begeistert sein, da er sich gerade in der ersten Zeit der Blutdrucksenkung schlechter fühlt als vorher mit höherem Blutdruck. Des- halb muss ihm weiter erläutert werden, dass sich die Kopfschmerzen im Laufe von ca. zwei bis drei Wochen bessern werden, da sich der Körper an die Gefäßerweite- rung gewöhnt. Dies gilt natürlich nur für die gefäßerweiternden Arzneistoffe, die als Dauermedikation gegeben werden. Kopfschmerzen können auch als Neben- wirkung von Estrogenen und Gestagenen auftreten, die als Hormonersatzthera-

pie (hormone replacement therapy, HRT) in der Menopause oder als Kontrazep- tiva eingesetzt werden. Hier verschafft nur das Absetzen des Arzneimittels Bes- serung.

Nebenwirkung Obstipation

Gerade im fortgeschrittenen Alter ist Ob- stipation ein häufig anzutreffendes Phä- nomen. Neben Bewegungs- und Flüssig- keitsmangel sowie Einschränkung der Zu- fuhr von Ballaststoffen, die von Älteren auf Grund eines Gebisses meist schlech- ter gekaut werden können, ist oft auch

Tabelle 4: Arzneistoffe, die Kopfschmerzen auslösen können.

Arzneistoff Calcium-Kanal-Blocker wie Amlodipin, Felodipin Diltiazem, Verapamil Zentrale Antihypertonika wie Clonidin, Moxonidin NO-Donatoren wie ISMN/ISDN, Nitroglycerin, Molsidomin; PDE-5-Hemmer Estrogene, Gestagene

Tabelle 5: Arzneistoffe und Erkrankungen, die Obstipation auslösen können.

Arzneistoff Opiate und Opioide L-Dopa und Dopaminagonisten Anticholinergika: Memantin, Trizyklika wie Amitryptilin, Opipramol, Doxepin, Neuro- leptika wie Olanzapin, Urologika wie Oxybutynin, Trospium Diuretika Eisen

Verapamil Omeprazol Gabapentin Erkrankungen Parkinson Multiple Sklerose Diabetische Neuropathie Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen Ileus

Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 3/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 9 Fortbildung aktuell – Das Journal der Apothekerkam er Westfalen-Lip e 9

Polymedikation im Alter

geben werden. Wenn die Umstellung der Lebensgewohnheiten nicht ausreicht, sollte ein Laxans empfohlen werden. Bei Omeprazol, bei dem neben Verstopfung auch Durchfall als Nebenwirkung auftre- ten kann, ist ein Wechsel zu Pantoprazol ins Auge zu fassen, welches diese Neben- wirkung seltener zeigen soll. In Tabelle 5 sind Erkrankungen aufgelistet, die Obsti- pation verursachen können. Bei Patienten mit Parkinson, Multiple Sklerose oder di- abetischer Neuropathie sollte aktiv nach der Zufriedenheit mit der Verdauung ge- fragt werden. Bei Verdacht auf Ileus oder chronisch-entzündlicher Darmerkrankung muss ein Arztbesuch angeraten werden. Eine Einschränkung der Leistungsfähig- keit ist häufig im Alter zu beobachten. Es besteht die Gefahr, dass die Ursache dafür vorschnell dem allgemeinen Alte- rungsprozess zugeordnet wird. Deshalb lohnt es sich nachzuforschen, ob das Pro- blem eventuell arzneimittelbedingt sein könnte (Tabelle 6). Arzneimittel können den Kaliumhaushalt beeinflussen und sowohl Ursache für ei- ne Hypo- als auch eine Hyperkaliämie sein. In beiden Fällen fühlt sich der Pati- ent schwach. Seine Leistungsfähigkeit ist vermindert. Der exzessive Gebrauch von Laxantien, von Furosemid, Torasemid und HCT erniedrigen den Kaliumspiegel, die kombinierte Anwendung von Kaliumspa- rern wie ACE-Hemmer, AT 1 -Antagonisten mit Spironolacton erhöhen ihn. Wenn der Patient diese Arzneimittel anwen- det, sollte gefragt werden, ob und wann der Kaliumspiegel überprüft worden ist. Die Normalwerte liegen zwischen 3,5 und 5,2 mmol/l. Nebenwirkung Einschränkung der Leistungsfähigkeit

Natriumpicosulfat verordnen zu lassen, die von der Leitlinie als Mittel der 1. Wahl empfohlen werden. Bei mit Opiaten ver- sorgten Patienten ist die Verordnung pro- blemlos möglich, da Opiatbehandlung zu den anerkannten Ausnahmen der Arznei- mittelrichtlinie zählt. Beim Parkinsonpati- ent kann man sich diese Ausnahmeregeln ebenfalls zunutze machen, da es bei Be- handlung des Parkinsons zu einer neuro- genen Darmlähmung kommen kann, die ebenfalls zu den Ausnahmen der Anlage I zum Abschnitt F der Arzneimittelrichtlinie zählt, bei denen Laxantia verordnet wer- den können. 10 Bei den apothekenpflich- tigen Laxantia ist zu überprüfen, ob sie als Arzneimittel oder Medizinprodukte in den Handel gebracht werden. Hier ist die Lage bei Macrogol außerordentlich verwirrend, da die gleichen Produkte un- terschiedlicher Hersteller sowohl als Arz- neimittel als auch als Medizinprodukt im Handel sind. Bei Verordnung eines Me- dizinproduktes muss überprüft werden, ob es namentlich in Anlage V zum Abschnitt J der Arzneimittelrichtlinie ge- listet und die angegebene Frist nicht ab- gelaufen ist. Eine Überprüfung der Dia- gnose durch den Apotheker und eine Ge- nehmigungspflicht durch die Krankenkas- se sind nicht erforderlich. 11 Die Vorgaben der Rabattverträge und der Wirtschaft- lichkeit der Verordnung sind jedoch zu beachten. Die drei verschreibungspflichtigen Laxan- tia können uneingeschränkt unter Berück- sichtigung der in der Zulassung genann- ten Indikation verordnet werden: Methyl- naltrexoniumbromid wird in der Palliativ- behandlung bei einer Opiattherapie ver- wendet, Linaclotid bei mittelschwerem bis schwerem Reizdarmsyndrom und Pru- caloprid bei Frauen mit chronischer Ob- stipation, wenn andere perorale Laxantia nicht eingesetzt werden können. 11 Eigen- artigerweise ist dieser Arzneistoff nicht für die Behandlung von Männern zuge­

MERKE: Bei Obstipation sind die Empfeh- lungen mehr zu trinken, mehr Bal- laststoffe zu verzehren, sich mehr zu bewegen nicht immer sachge- recht und oft nicht erfolgreich.

lassen. Die notwendigen Studien wurden vorwiegend an Frauen durchgeführt.

Bei Verordnung anticholinerg wirkender Arzneistoffe ist die Verstopfung Teil der anticholinergen Wirkung (Tabelle 5). Wichtig ist zu beachten, dass ältere Pati- enten sensibler auf anticholinerge Neben- wirkungen reagieren als jüngere. 12 Anti- histaminika wie Doxylamin und Diphen- hydramin, z. B. in apothekenpflichtigen Hypnotika, haben eine mittelstarke anti- cholinerge Potenz. Bei anticholinerg verursachter Obstipa- tion können nur allgemeine Ratschläge zur Vermeidung der Beschwerden gege- ben oder der Erwerb eines für den Dauer- gebrauch geeigneten Laxans empfohlen werden. Die bei Diuretika häufig zu beo- bachtende Verstopfung resultiert oft aus einer Einschränkung der Trinkmenge, um vermehrte Toilettenbesuche zu vermei- den. Bei Abgabe von Hydrochlorothiazid (HCT), Furosemid, Torasemid und Triam- teren ist deshalb immer auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr hinzuweisen. Eine Aus- nahme bildet die Indikation Herzinsuffizi- enz, bei der meist eine Flüssigkeitsrestrik- tion angeordnet ist. Deshalb ist bei Abga- be von Spironolacton die Indikation zu er- fragen, bevor geraten wird, mehr zu trin- ken. Eisen färbt den Stuhl nicht nur schwarz, sondern lässt ihn auch sehr fest werden. Wie bei Verapamil und Gabapentin kön- nen nur die allgemeinen Ratschläge ge-

Antihypertonika und Antidiabetika kön- nen vor allem zu Beginn der Therapie

10 Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe – l de Apothek kammer Westfalen-Lippe

Dr. Hiltrud von der Gathen

einer Hypothyreose und ca. acht Prozent unter einer Hyperthyreose. 12

die Leistungsfähigkeit einschränken. Zu Beginn aber auch im weiteren Verlauf müssen Blutdruck und Blutzucker vor allem bei Beschwerden überprüft wer- den, um ein zu starkes Absinken der Wer- te zu vermeiden. Bei einer Hypertoniebe- handlung muss bei Männern darauf ge- achtet werden, welche Arzneistoffe im Fall einer gleichzeitig bestehenden Pros- tatahyperplasie zur Anwendung kom- men, gegebenenfalls auch bei Verord- nung durch einen Urologen. Die verwen- deten α -Blocker Doxazosin und Tamsulo- sin senken den Blutdruck möglicherwei- se zusätzlich. Bei den im Alter bei Herzin- suffizienz häufig eingesetzten β -Blockern kann die arzneistoffbedingte Einschrän- kung der Leistungsfähigkeit den Einsatz limitieren. Auch ZNS-wirksame Pharmaka führen zu dieser Nebenwirkung. Dazu gehören Benzodiazepine, Zolpidem, Zopiclon und Trizyklika, die als Hypnotika verwendet werden. Hier muss der Patient eine aus- reichend lange Bettruhe einhalten und darf in der Nacht bei Schlaflosigkeit nicht nachdosieren. Bei den drei Erstgenannten ist von einem Dauergebrauch abzusehen.

MERKE: Die Einschränkung der Leistungsfä- higkeit kann nicht nur alters- son- dern auch arzneimittelbedingt sein.

Bei Klagen über eine Leistungsminderung sollte der Apotheker immer auch an das Vorliegen einer Herzinsuffizienz und ei- ner Depression denken. Beide Erkran- kungen führen bei Behandlung zu einer deutlichen Erhöhung der Lebensquali- tät. Gerade die Altersdepression ist eine in Deutschland oft unterdiagnostizierte Erkrankung. Hier erspart Beratung dem Patienten unnötiges Leid, wenn ihm ein Arztbesuch empfohlen wird. Auch die im Folgenden behandelten Schlafstörungen führen zu einer Einschränkung der Lei- stungsfähigkeit. Das tägliche Wohlbefinden wird entschei- dend durch einen erholsamen Schlaf ge- prägt. Schon Heinrich Heine bezeichnete den Schlaf als „die köstlichste Erfindung“. Und der Philosoph Arthur Schopenhauer bemerkte: „Der Schlaf ist für den Menschen das, was das Aufziehen für die Uhr ist.“ Viele ältere Menschen klagen über einen schlechten Schlaf. Objektiv messen lässt sich die Schlafqualität nur im Schlaflabor. Die Abfolge von drei bis vier REM-Schlaf- phasen (REM: Rapid Eye Movements) mit dazwischen liegenden Tiefschlafphasen garantiert eine gute Schlafqualität. In vielen Fällen ist das Problem auch auf ei- ne falsche Erwartungshaltung zurückzu- führen. Nach einer Untersuchung des Fo- cus (Ausgabe 8 / 2014) benötigen knapp 40 Prozent der Bevölkerung nur bis zu sechs Stunden Schlaf. Da Ältere oft früh schlafen gehen, ist dann das zeitige Auf- wachen normal und nicht behandlungs- bedürftig. Außerdem spielt die Schlaf­ hygiene eine entscheidende Rolle. Eine gute, nicht durchhängende Matratze, ab- solute Dunkelheit und Stille sowie eine eher kühle Zimmertemperatur verbessern Nebenwirkung Schlafstörungen

Bei den als Antidepressiva eingesetz- ten Trizyklika und auch bei Neuroleptika ist ebenfalls mit einer Einschränkung zu rechnen. Auch beeinträchtigen einige Erkran- kungen die Leistungsfähigkeit (Tabelle 6). Eine Exsikkose gehört dazu. Diese kann durch eine unzureichende Flüssigkeits- zufuhr und / oder die Gabe von Diuretika hervorgerufen werden. Hier sollte der Pa- tient nach seinen Trinkgewohnheiten ge- fragt und ihm deutlich gemacht werden, dass im Alter das Durstgefühl nachlässt und er auch dann trinken muss, wenn er keinen Durst verspürt. Das Hochziehen ei- ner Handfalte auf dem Rücken, die sich nicht wieder sofort glättet, ist ein ein- facher Hinweis, ob die Flüssigkeitszufuhr ausreicht. Die Beeinflussung gewisser Blutparame- ter kann ebenfalls zu einer Einschrän- kung führen. Bei Klagen sollte dem Pa- tienten die Untersuchung der Hb- und Eisenwerte angeraten werden. Die regel- mäßige Anwendung von Acetylsalicylsäu- re (ASS) auch zur Thrombozytenaggre- gationshemmung und die häufige Gabe nicht-steroidaler Analgetika (NSA) wie Ibuprofen, Diclofenac, Naproxen und In- dometacin bei Schmerzen bergen das Ri- siko gastrointestinaler Mikroblutungen mit einem Blutverlust, der sich in einer Leistungsminderung äußern kann. Außer- dem sollten sowohl die Leber- als auch die Schilddrüsenwerte überprüft werden. Le- bererkrankungen können sich ebenso wie eine Hyper- oder Hypothyreose durch das Symptom Müdigkeit äußern. Bei den über 65-jährigen leiden ca. vier Prozent unter

Tabelle 6: Arzneistoffe und Erkrankungen, die die Leistungsfähigkeit vermindern können.

Arzneistoff Laxantien Diuretika Antihypertonika Antidiabetika ZNS wirksame Pharmaka ASS/NSA bei Daueranwendung Erkrankungen Hyper-/Hypokaliämie Exsikkose Niedrige Hb-/Eisenwerte Herzinsuffizienz Depression Schlafstörungen

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Polymedikation im Alter

Tabelle 8: Selektive-Monoamin-Reuptake-Inhibitoren.

die Schlafqualität ebenso wie ein festes Ritual vor dem Zubettgehen. Auch sollte das Bett nur zum Schlafen und nicht als Platz vor dem Fernseher benutzt werden. Kritisch muss der Alkoholkonsum am Abend betrachtet werden. Während „ein Gläschen in Ehren“ die Nachtruhe positiv beeinflusst, lassen größere Mengen den Patienten zwar schnell einschlafen, stören aber das Durchschlafen erheblich und un- terdrücken den REM-Schlaf. Gerade ältere Männer konsumieren abends oft zu viel Alkohol, wobei Langeweile als Ursache ei- ne große Rolle spielt, wie auch ein zu aus- gedehnter Mittagsschlaf oder das „Zwi- schendurcheinnicken“. Trotzdem sollte bei Beschwerdeäußerung immer zusätz- lich die Medikation daraufhin überprüft werden, ob das Problem auch arzneimit- telinduziert sein könnte. 7 Diuretika erhöhen die Miktionsfrequenz ebenso wie α –Blocker, die wegen einer Prostatahyperplasie gegeben werden und stören dadurch die Nachtruhe. Die Ein- nahme sollte deshalb nicht zu spät erfol- gen. Gegebenenfalls muss die Medikation umgestellt werden.

Selektive-Monoamin-Reuptake-Inhibitoren Beispiele Selektive-Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRI)

Citalopram, Sertralin, Paroxetin, Fluoxetin

Selektive-Serotonin-Noradrenalin-Re­ uptake-Inhibitoren (SSNRI) Selektive-Noradrenalin-Reuptake-Inhibi- toren (SNRI)

Venlafaxin, Duloxetin

Reboxetin

B-Hemmer Selegilin wird bei oraler Gabe in der Leber zu einem Amphetaminderi- vat verstoffwechselt, welches den Schlaf beeinträchtigen kann. Hier kann dem Pa- tienten geraten werden, die Substanz als Schmelztablette/Xilopar ® buccal anzu- wenden, da so die Bildung von Amphe- tamin in der Leber im Rahmen des First- pass-Effektes verhindert wird. Eine wei- tere Alternative ist das Rasagilin, das nicht zu Amphetaminen abgebaut wird. 13 Bei Beschwerdeäußerung ist ebenfalls zu bedenken, dass Erkrankungen als Auslö- ser in Frage kommen können (Tabelle 7). Bei Vorliegen einer Depression klagen al- le Patienten über Schlafstörungen. Hier kann die kurzfristige Verordnung von Benzodiazepinen schnell Linderung ver- schaffen. Der Anwendungszeitraum ist je- doch strikt auf maximal vier Wochen zu beschränken. Außerdem wird die Sturz- gefahr erhöht. Für eine längerfristige Ein- nahme eignen sich eher Nichtselektive- Monoamin-Reuptake-Inhibitoren wie Amitriptylin, Doxepin, Opipramol oder niedrig-potente Neurolpetika wie Melpe- ron und Dipiperon. Die altersspezifischen Kontraindikationen sind jedoch zu beach- ten. Der Parkinsonpatient schläft auch noch aus anderen Gründen schlecht. Häufig ist dafür eine Bewegungsunfähigkeit in der MERKE: Schlafstörungen im Alter können auch arzneimittelbedingt sein.

Theophyllin wirkt als Xanthinderivat wie Coffein belebend. Der Patient verspürt vor allem zu Beginn der Therapie eine Unruhe und schläft schlechter. Im Laufe der Zeit gewöhnt sich der Organismus da- ran und die Schlafstörungen bessern sich. Aufgrund seiner engen therapeutischen Breite sollte der Einsatz beim betagten Patienten kritisch hinterfragt werden. mol und Fenoterol rufen vor allem bei zu häufiger Anwendung Unruhe hervor, die sich auf den Schlaf auswirkt. Mit Hilfe ei- ner Reichweitenanalyse ist zu überprüfen, ob der Patient die angegebene Tages- höchstdosis an Sprühstößen überschrei- tet und ob bei eventueller Exazerbation der Erkrankung die derzeitige Behand- lung noch ausreichend ist. Die bei einer Depression eingesetzten Selektiven-Mo- noamin-Reuptake-Inhibitoren zeichnen sich neben der depressionslösenden Wir- kung auch durch eine antriebssteigernde Wirkung aus, die die Schlafqualität beein- trächtigen kann. Die abendliche Gabe ist bei Beschwerden zu vermeiden. Tabelle 8 listet betroffene Arzneistoffe auf. Bei Duloxetin ist wichtig zu wissen, dass die Substanz nicht nur bei Depression eingesetzt wird, sondern auch bei Bela- stungsinkontinenz. Der bei Parkinson und bei extrapyramidalen Störungen einge- setzte NMDA-Rezeptorantagonist Aman- tadin sollte wegen Schlafstörungen nicht nach 16 Uhr eingenommen werden. Der ebenfalls bei Parkinson verwendete MAO- Auch inhalativ bei Asthma verwen- dete β 2 -Sympathomimetika wie Salbuta-

Tabelle 7: Arzneistoffe und Erkrankungen als Auslöser von Schlafstörungen.

Arzneistoff Diuretika α -Blocker bei BPH Theophyllin β 2 -Sympathomimetika SSRI, SSNRI, SNRI Amantadin Selegilin Erkrankungen Depression Parkinson Restless-Legs Asthma Schlaf-Apnoe-Syndrom

12 Fortbildung aktuell – Das Journal der Apothekerkammer Westfalen-Lippe

Dr. Hiltrud von der Gathen

scheidet, ob die Parkinsonmedikation ge- ändert oder zusätzlich ein Neuroleptikum gegeben wird. Patienten mit Restless-Legs-Syndrom muss erklärt werden, dass Unruhe in den Beinen therapierbar ist, was die Schlaf- qualität entscheidend verbessert. Bei starkem Schnarchen ist an das Schlaf-Ap- noe-Syndrom zu denken, das mit einer nächtlich zu tragenden Atemmaske be- handelt wird. Der Asthmapatient sollte überprüfen las- sen, ob seine Beschwerden mit seiner der- zeitigen Asthmamedikation ausreichend behandelt sind. Referenzen & Literatur 1 Aktionsplan AMTS 2013 – 2015 des Bundes- ministeriums für Gesundheit 2 Presseinformation des Landes NRW 944/11/2013 3 Hausärztliche Leitlinie Multimedikation 2013 4 Schersch, S., Pharm. Ztg. 42, 11, 2013 5 Kircher, W., Arzneiformen richtig anwenden, Dt. Apothekerverlag, 2007 6 Jaehde, U. et al Pharm. Ztg. 18, 2013 7 Metzger, J., Psychologie heute, 01/2013 8 Heilmann, K., Medikament und Risiko, med- pharm, Stuttgart 1994 9 Dtsch Arztebl Int 2013; 110(40): 669-73; DOI: 10.3238/arztebl.2013.0669 10 www.g-ba.de/downloads 11 Dicheva, S. et al DAZ, 32, 5, 2013 12 Baum, S., Hempel, G. Geriatrische Pharmazie, Govi Verlag Eschborn, 2011 13 Herdegen, T., Kurzlehrbuch Pharmakologie, Thieme Verlag, 2013

Zusammenfassung Dank der immensen Entwicklungen im Arzneimittelbereich halten wir heute das in den Händen, wonach Menschen seit Jahrtausenden gesucht haben – lebensverlän- gernde Arznei. Bei der Behandlung von Krankheiten gilt es jedoch nicht nur, dem Leben Jahre hinzuzufügen, sondern die gewonnenen Jahre mit lebenswertem Le- ben zu füllen. Da ein Arzneimittel neben der erwünschten Wirkung immer auch unerwünschte Wirkungen zeigen kann, verspüren viele Menschen eine gewisse Skepsis gegenüber Arzneimitteln. Dies Problem verstärkt sich, wenn wegen Multi- morbidität im Alter Polymedikation an der Tagesordnung ist. Da ein Arzneimittel nur dann seine positiven Wirkungen voll entfalten kann, wenn der Patient ihm vertraut und wenn er es richtig anwendet, muss der Fokus bei der Arzneimittelbe- ratung darauf gelegt werden. Die Ausführungen beleuchten zum einen den Wandel in der Persönlichkeitsstruk- tur der älteren Bevölkerung. Zum anderen werden Vorschläge gemacht, welche Aspekte die Beratung in der Apotheke umfassen sollte bezüglich des Manage- ments von Nebenwirkungen. Gute Information führt dazu, dass der Patient der Therapie vertraut und sie so wie verordnet anwendet.

Nacht verantwortlich. Die abendliche Ein- nahme von retardiertem Levodopa kann hier Abhilfe schaffen. Außerdem sollte darauf geachtet werden, dass die Matrat- ze nicht zu weich ist, da so die Verände- rung der Lagerung zusätzlich erschwert wird. Des Weiteren kann das nächtliche Tragen von Socken mit Gumminoppen empfohlen werden, die das Umdrehen er-

leichtern. Erheblich wird die Schlafquali- tät durch Albträume beeinträchtigt, die als Nebenwirkung von L-Dopa und Dopa- minagonisten auftreten können. Sicher wird der Parkinsonpatient die schlech- ten Träume nicht mit dem Arzneimittel in Verbindung bringen, wenn er nicht dies- bezüglich aufgeklärt worden ist. Der Pa- tient muss den Arzt aufsuchen, der ent-

Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 13 Fortbildung ktuell – Das Journal

Verena Arzbach

Medikamentenmonitoring Organschäden durch Arzneimittel vermeiden

weitere Kontrollen einzubestellen. Im No- vember besuchte der Arzt den Patienten zu Hause, zu diesem Zeitpunkt war al- les in Ordnung. Im darauffolgenden Fe- bruar rief die Ehefrau des Patienten den Hausarzt schließlich nach Hause. Ihrem Mann ging es plötzlich sehr schlecht. Das Blutbild des Patienten war katastrophal: Leukozyten 2,2 × 10 3 /µl, Erythrozyten 2,1 × 10 3 /µl, Hämoglobin 5,9 g/dl, Throm- bozyten 21 × 10 3 /µl. Der Patient wurde sofort ins Krankenhaus eingewiesen, wo er eine Woche später verstarb. 2 Der Hausarzt hatte im Laufe der Zeit die bei einer Methotrexat-Therapie notwen- digen Blutkontrollen vernachlässigt (Ab- bildung 1). Dadurch hatte er eine selten auftretende, aber schwerwiegende Ne- benwirkung, die Panzytopenie, überse- hen. Die Erkrankung ist, wie am Blutbild erkennbar, gekennzeichnet durch einen Mangel aller drei Zelltypen des Blutes, es besteht also gleichzeitig eine Leuko- zytopenie, eine Anämie (Mangel an Ery- throzyten) und eine Thrombozytopenie. Die Panzytopenie kann sich plötzlich und ohne Warnsignale entwickeln. Die Ursa- che ist in der Regel die Zerstörung von Stammzellen als Vorläuferzellen der Hä- matopoese und damit ein Funktionsver- lust des blutbildenden Knochenmarks. Das tragische Fallbeispiel macht deutlich, wie wichtig regelmäßiges Monitoring bei der Einnahme bestimmter Wirkstoffe ist. Treten Organschäden unter einer Arznei- mitteltherapie auf, können diese zu Kran- kenhauseinweisung, dauerhaften Schä- den, Behinderung oder schlimmstenfalls zum Tod führen. Untersuchungen aus verschiedenen Ländern haben gezeigt, Was war passiert?

Polypharmazie und Multimorbidität neh- men im Alter zu. Damit steigt auch die Häufigkeit unerwünschter Arzneimittel- wirkungen (UAW). Die sichere Umset- zung der Arzneimitteltherapie in der Pra- xis ist daher wichtig: Risiken und arznei- mittelbezogene Probleme sollen wäh- rend des gesamten Medikationspro- zesses möglichst im Vorfeld erkannt und unerwünschte arzneimittelbedingte Er- eignisse (UAE) vermieden werden. Das Konzept der Arzneimitteltherapiesicher- heit umfasst dabei alle Maßnahmen, mit denen Fachleute, wie Arzt und Apothe- ker, den bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Arzneimittels gewährleisten, ins- besondere solche Maßnahmen, die dazu beitragen, Medikationsfehler zu vermei- den. Der gesamte Medikationsprozess reicht von der Diagnose über eine Medikations- überprüfung in Arztpraxis und Apotheke, die richtige Information und Abgabe bis hin zur korrekten Anwendung durch den Patienten. In einigen Fällen ist der Medi- kationsprozess damit aber noch nicht ab- geschlossen. Bei bestimmten Wirkstoffen steht am Ende des Prozesses das Monito- ring, die regelmäßige Bestimmung von Laborparametern und / oder des Konzen- trationsspiegels des Wirkstoffs im Blut. Dies ist vor allem sinnvoll bei Patienten, die langfristig ein Medikament mit ge- wissem Risikopotenzial für UAE einneh- men. Beim Monitoring können – wie auch bei den anderen Teilschritten des gesamten Medikationsprozesses – Fehler auftreten: Beispielsweise wird zu selten getestet, der Therapieerfolg wird mit den Labortests nicht erfasst, der Arzt fragt nicht nach Symptomen oder ob der Patient das Arz-

neimittel korrekt anwendet. Diese Fehler können mitunter dramatische Folgen ha- ben. Das folgende Beispiel ist angelehnt an den Fallbericht Nr. 201 aus der Online- Datenbank „Jeder Fehler zählt“, bei der Ärzte anonym Behandlungsfehler melden können. Wegen einer rheumatoiden Arthritis er- hielt ein 79-jähriger Patient wöchentlich 7,5 mg Methotrexat als Basistherapie. Der Hausarzt führte Blutbild-, Leber- und Nie- renwertkontrollen anfangs in 14-tägigen Abständen durch, später alle vier Wo- chen. Eine im März durchgeführte Blut- bildkontrolle blieb ohne Befund, danach versäumte der Arzt, den Patienten für Verena Arzbach (Frankfurt am Main) studierte Pharmazie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Nach der Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke volontierte sie bei der Phar- mazeutischen Zeitung. Seit April 2013 ist sie als Redakteurin der Pharmazeu- tischen Zeitung und des PTA-Forums beim Govi-Verlag in Eschborn tätig. Fallbeispiel

14 Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe – as r al de Apothek k mmer Westfalen-Lippe

F rtbildung aktuell – Das Journal Nr. 1/2014 der Apoth kerkammer Westfalen-Lippe 14

Medikamentenmonitoring

lang kein flächendeckendes systema- tisches Programm für die hausärztliche Versorgung, das Kontrolluntersuchungen für riskante Arzneimittel in bestimmten Abständen zusammenfasst. Die deut- sche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) hat aus diesem Grund eine Handlungsempfeh- lung zum Medikamentenmonitoring in Arztpraxen unter einer Therapie mit be- stimmten Medikamenten entwickelt (sie- he Tabelle 1). 3 Die neue Leitlinie listet Arzneimittel auf, in deren Fachinformation die Kontrolle bestimmter Laborparameter empfohlen wird. Dazu zählen Wirkstoffe mit einem bestimmten Risikopotenzial für UAW und / oder arzneimittelbedingte Organ- schäden, das aufgrund der Pharmakoki- netik / Pharmakodynamik des Wirkstoffes

oder präklinischer Erkenntnisse (CYP-Me- tabolisierung, p-Glykoprotein) entweder klinisch gesichert oder wahrscheinlich ist. In der Leitlinie sind 22 Arzneistoffe und Arzneistoffgruppen erfasst, die überwie- gend in der Dauertherapie eingesetzt werden. Angegeben sind die jeweils zu prüfenden Laborparameter und Intervalle sowie der Zeitraum, über den das Monito- ring fortgesetzt werden soll. Dabei rich- tet sich das vorgeschlagene Intervall nach Schwere und Dynamik der potenziellen UAW sowie nach der Dauer der Arznei- mitteleinnahme. Klinische Parameter und wichtige Symptome von UAW führt die Leitlinie nicht auf.

dass fünf Prozent der Krankenhausein- weisungen Folgen von UAW sind. Bei zwei Prozent verläuft die UAW unmittel- bar oder mittelbar tödlich. Bei älteren Pa- tienten mit Multimedikation liegt die Zahl noch höher. 1 Mit einem konsequenten Monitoring lassen sich viele UAW jedoch rechtzeitig erkennen und so Folgeschä- den verhindern. Auf der anderen Sei- te müssen Patienten auch vor Überdia- gnostik und falscher Beunruhigung durch übermäßige oder nicht gerechtfertigte Untersuchungen geschützt werden.

Handlungsempfehlung zum Medikamen- tenmonitoring in Arztpraxen

Leberschäden durch Arzneimittel

Einheitliche Empfehlungen zum Vorge- hen beim Monitoring und zu nötigen Un- tersuchungsintervallen sind von groß- er Bedeutung. Tatsächlich existierte bis-

Leberschäden durch Arzneistoffe sind mit einer Inzidenz von 1:10 000 bis 1:100 000

Abbildung 1: Regelmäßige Blutbildkontrollen sind unter Methotrexattherapie notwendig. 7

Foto: Alexander Raths / Fotolia.com

15 Fortbildung aktuell – Das J urnal Nr. 1/2014 der Ap thekerkammer Westfalen-Lippe

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