2 2015

AKTUELL

Ein «Bürgerdienst» für alle soll das Milizprinzip stärken Um das Milizsystem zu beleben, schlägt Avenir Suisse einen «allgemeinen Bürgerdienst» vor. Die Parteien finden die Idee im Prinzip gut, FDP, SVP und BDP machen sich Sorgen um die Armee. Die SP lehnt den Zwang ab.

Der Schweizerische Gemeindeverband (SGV) ist erfreut, dass die Idee von Ave- nir Suisse, einen «allgemeinen Bürger- dienst» zu schaffen, die Diskussion um die Förderung des Milizsystems in Gang bringt. «Das Milizsystem steht vor gros-sen Herausforderungen. Der SGV steht grundsätzlich hinter Denkanstös- sen, welche es wieder stärken», sagte SGV-Direktor Reto Lindegger in der Sendung «Echo der Zeit» von Radio SRF.

zum Beispiel in der Politik, aber auch in Vereinen etc. Wie die Bedingungen da- für verbessert werden können, ist Ge- genstand von Diskussionen», sagt Tho- mas Jauch, der Kommunikationschef der CVP Schweiz, auf Anfrage der «Schweizer Gemeinde». Die CVP werde den «interessantenVorschlag» von Ave- nir Suisse genau prüfen.

eines Zwangsdiensts zur Rettung des auf Freiwilligkeit und Ehrenamt basierenden Milizprinzips sei jedoch der falscheWeg. «Neben der Entlastung der Gemein- deamtsträger − zum Beispiel durch ver- stärkte überkommunale Zusammenar- beit − müssen vor allem die Arbeitgeber in die Verantwortung genommen wer- den.» Es brauche Massnahmen für eine bessereVereinbarkeit solcher Ämter mit dem Beruf. Zudem trage eine staatliche Parteienfinanzierung dazu bei, dieArbeit der lokalen Parteien und damit der direk- ten Demokratie zu stärken und auch für die Zukunft zu gewährleisten. Die Erosion aufhalten Die Grünliberalen beobachten die Ten- denz zur Professionalisierung des politi- schen Betriebes ebenfalls mit Sorge. «Dass allerdings ein allgemeiner Bürger- dienst dieser Professionalisierung Ein- halt gebietet, bezweifeln wir», sagt Ge- neralsekretärin Sandra Gurtner-Oesch. «Ein aktives Bekenntnis zur Milizkultur heisst aus unserer Sicht, in erster Linie die fortschreitende Erosion aufzuhal- ten.» Dazu seien Reformen nötig. Einer- seits müssten die formalen Strukturen so angepasst werden, dass es jedem Bürger möglich wäre, Politik und Beruf

Auch für Frauen und Ausländer

Die Denkfabrik Avenir Suisse schlägt den Bürgerdienst für Männer, Frauen und niederge- lassene Ausländer in ihrer neusten Publikation «Bürger- staat und Staatsbürger − Miliz- politik zwischen Mythos und Moderne» vor. Die Idee hat Avenir Suisse bereits 2013 als

Ähnlich tönt es bei der BDP: «Die Idee vonAvenir Suisse ist insofern prüfenswert, als eine allgemeine Dienstleistungs- pflicht die BDP schon länger beschäftigt und insbesondere von der Jungen BDP angeregt worden ist», sagt BDP-Gene- ralsekretärin Nina Zosso. «Die

Kleine Reformen haben wenig gebracht.

Alternative zum Wehrdienst ins Spiel gebracht. Neu möchte die Denkfabrik auch Mandate in Parlamenten und Ge- meinderäten sowie die Unterstützung und spezifische Projekte zugunsten von Gemeindebehörden in eine allgemeine Dienstpflicht integrieren. Der Dienst in der Armee wäre aus- schliesslich den Schweizer Bürgerinnen und Bürgern vorbehalten, die anderen Bereiche stünden allen offen. Vorschlag schadet der Armee Bei der SVP befürchtet man, der Bürger- dienst könnte der Armee schaden, wenn die Dienstpflichtigen lieber Sozial- oder Zivildienst statt Militärdienst leisten würden. Er gehe davon aus, dass die heutige Freiwilligkeit reichen werde, sagte SVP-Nationalrat Gregor Rutz in der Sendung «Echo der Zeit». Schlimms- tenfalls habe man immer noch die Mög- lichkeit, die Leute zu Ämtern zu ver- pflichten. «Es ist unsere Aufgabe, das Verständnis für das Milizsystem auf- rechtzuerhalten und zu schauen, dass die Leute das Milizprinzip als wichtige Säule für die Stabilität und den Wohl- stand in der Schweiz begreifen», so Rutz. «Der CVP ist es ein Anliegen, dass sich die Menschen wieder vermehrt freiwillig für die Gesellschaft engagieren, dies

Dienstleistungspflicht wäre breiter ge- fasst als die heutige Militärdienstpflicht und würde auch Frauen oder beispiels- weise Ausländerinnen und Ausländer umfassen.» Gleichzeitig dürfe damit aber die Militärdienstpflicht weder ge- schwächt noch verwässert werden, heisst es bei der BDP. In dieselbe Richtung geht die Antwort der FDP. «Die FDP sieht im Milizsystem, sei es im Militär oder beim ehrenamtli-

chen Engagement, einen zen- tralen Pfeiler des Erfolgsmo- dells Schweiz», sagt die Aargauer Nationalrätin Corina Eichenberger. Als Beitrag zu einer Grundsatzdiskussion über das Milizwesen sei der Avenir-Suisse-Vorschlag inte- ressant. «Ich habe aber im Bereich Wehrpflicht Vorbe-

oder Politik, Beruf und Familie zu vereinen. Andererseits müssten die Anforderungen und die zu leistende Zeit für das Milizsystem verträglich sein. «Die Grünen unterstützen ge- nerell die Idee eines Bürger- dienstes», sagt Gaëlle La- pique, Fachsekretärin der Grü-

Der SGV steht hinter Ideen, welche das Milizprinzip stärken.

halte: Ein allgemeiner Bürgerdienst darf unter keinen Umständen zu einer Schwä- chung der Armee führen.» Viel Arbeit auf wenig Schultern «Avenir Suisse hebt den Mahnfinger zu Recht», sagt Michael Sorg, Medienver- antwortlicher der SP Schweiz. «Wir mer- ken das auch als SP: Die lokalen Partei- sektionen leisten enorme und wertvolle Arbeit − auf den Schultern von immer weniger Freiwilligen.» Die Einführung

nen Partei. Dies solle allerdings ein freiwilliger Zivildienst für alle − Männer und Frauen, Ausländerinnen und Aus- länder − sein. Aus Sicht der Grünen wäre dieser «eine echte Chance für den sozi- alen Zusammenhalt und für die berufli- che Zukunft der Zivildienstleistenden». Es stelle sich zudem die Frage, wie si- chergestellt wird, dass in der Politik die gesamte Gesellschaft repräsentiert wird. «Die Antwort darauf ist sicher kein obli- gatorischer Milizdienst, sondern mehr

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SCHWEIZER GEMEINDE 2 l 2015

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