GOLF TIME 2/2016

Endlich beginnt das Match. Jones und Ha- gen schlagen ihre Bälle etwa 200 Meter weit in die Mitte des breiten Fairways. John Daly produziert einen monströsen Drive, der kurz vor dem Flüsschen Burn unweit des Grüns liegenbleibt. Hagen pfeift anerkennend durch die Zähne. „Hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut, alter Junge.“ Jones und Hagen legen ihren Ball sicher auf das Grün jenseits des Wassers, Daly toppt sein kurzes Eisen jedoch und verfehlt das Ziel um gut 20 Meter. „Ja, den Niblick muss man beherrschen“, kichert Hagen, während Daly fluchend zu seinem Ball stapft. Sein exzellenter Chip zurück auf das Grün bleibt direkt am Loch liegen. Hagen klatscht beifällig und bedeu- tet John, dass er ihm den Putt schenkt. Dann macht er sich daran, seine Puttlinie zu lesen und schickt seinen Ball schließlich auf die Reise. Dieser trifft das Loch mittig zum Birdie. Jones, der nur etwa drei Meter vom Loch entfernt liegt, tut es ihm gleich. „Schlückchen gefällig? Ist ja bei euch noch verboten, oder?“, fragt Daly beiläufig und hält Hagen eine Flasche „John Daly Cock- tail“ unter die Nase. „Ah, einMann nachmeinemGeschmack“, freut sich der zu diesem Zeitpunkt acht- fache Majorsieger und untersucht das Eti- kett. „Selbstgebrannt? Da steht sogar Ihr Name drauf! Himbeer Tee & Limonade? Was für eine großartige Tarnung!“ Hagen nimmt einen tiefen Schluck. „Hui! Für einen Moonshine richtig gut. Etwas süß, aber...“ Hagen setzt erneut an. „Teufel noch- mal, tut das gut. Verdammte Prohibition!“

BOBBY JONES JAHRGANG: 1902

SIEGE IN ST. ANDREWS: Open Championship 1927,

British Amateur 1930 BESONDERHEITEN:

13facher Majorsieger inkl. Grand Slam 1930, gab nie seinen Amateur-Status auf, Gründer des Augusta National

Bobby Jones blickt missbilligend auf das Treiben. Mir fällt auf, dass Daly ihm die Flasche nicht anbietet. Anders als seine beiden kichernden Mit- spieler trifft er das Fairway der nächsten Bahn. „Und du wolltest nie Golfprofi sein?“, lenke ich Jones von Daly und Hagen ab, die erneut die Flasche kreisen lassen. „Und so werden wie dieser aufgeblase- ne Rohling Hagen?“, antwortet Jones, „auf keinen Fall! Ich werde Jurist.“ Nachdem Daly einen Countrysong an- stimmend Jones Blickfeld passiert hat, wundert der sich hörbar: „Und John Daly ist wirklich ein Philister meiner Verbindung? Womit verdient er sein Geld?“ „Na ja, eigentlich ist er auch Golfprofi“, höre ich mich sagen. „Aber seine vier Ex- frauen haben ihn ganz schön geschröpft. Dannhat er esmitGlücksspiel versucht, dabei hat er ein paarMillionen verloren. Jetzt macht er Musik, verkauft Alkohol und bunte Hosen.“ „Es war ein Fehler, hierherzukommen“, sagt Bobby mehr zu sich selbst als zu mir. „Ich nehme das nächste Schiff zurück in die Staaten.“ Jones hebt seinen Ball auf und mar- schiert davon. Ich drehe mich hilfe-

ser aus der Flasche trinken zu können. Ich renne hinter Jones her und hole ihn kurz vor dem Clubhaus ein. „St. Andrews und ich, wir werden nie Freunde. Hoffentlich geht heute noch ein Zug.“ „Aber Bobby, nächste Woche findet hier die Open statt, du bist der Titelverteidiger“, versuche ich ihn zu überzeugen. „Willst du wirklich diesem Hagen deine Trophäe über- lassen? Oder gar Daly?“ „Diesem Clown?“, schnaubt Bobby. „Der darf niemals Hand an den heiligen Claret Jug legen!“ Ich versuche mir erfolglos ein Grinsen zu verkneifen. Am Abend finde ich John Daly in einem Gasthaus. Fröhlich johlend begrüßt er mich. „Mission erfüllt!“, verkündet er lachend. „Walter Hagen ist sein Geld los und wird diese Open definitiv nicht gewinnen – die R&A hat ihn für die kommende Woche suspendiert. ‚Die Swilcan Bridge sei keine öffent-liche Bedürfnisanstalt’, heißt es in der offiziellen Begründung. Und Jones hat für die Open gemeldet. Übrigens, weißt du, warum er so plötzlich verschwunden ist?“ „Na ja, wahrscheinlich war ihm nicht gut“, lüge ich, ohne rot zu werden. Zudem ver- schweige ich John, dass Bobby Jones mir von seinem Traumgolfplatz in Augusta erzählt hat. Ursprünglich sollte es eine Anlage wer- den, die für jedermann zugänglich sein sollte. Jetzt meint Jones jedoch, dass er daraus den privatesten aller Privatclubs machen werde, um „Rohlinge und Clowns wie Hagen und Daly“ fernzuhalten. Aber ich bin mir sicher, sein Zorn wird bis zur Eröffnung in etwa sechs Jahren verraucht sein. Immerhin ist der Augusta National doch der beliebteste öffentliche Golfplatz in den Staaten… GT

suchend um und sehe gerade noch, wie Daly dem vor Lachen wie- hernden Hagen seinen falschen Schnurrbart anheftet, um bes-

WALTER HAGEN JAHRGANG: 1892

SIEGE IN ST. ANDREWS: Keine BESONDERHEITEN: Der elffache

Majorsieger galt als neureicher Flegel. Sein Wahlspruch lautete: „Ich wollte nie Millionär werden, nur wie einer leben.“

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GOLF TIME | 2-2016

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