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AKTUELL

«Die Richtung stimmt» Auf kommunaler Ebene hat die Energiezukunft schon lange begonnen. Was sagen drei Vertreter aus Gemeinden, die vorbildliche Projekte umgesetzt haben, zu den Entscheiden des Nationalrates zur Energiestrategie 2050?

Es war eine Monsterdebatte: Während rund 20 Stunden hat der Nationalrat in der Wintersession über die Energiestra- tegie 2050 beraten. Die Grosse Kammer folgte in ihren Entscheiden im Grossen und Ganzen dem Bundesrat. Entspre- chend zufrieden zeigte sich Energiemi- nisterin Doris Leuthard. Die wichtigsten Entscheide des Nationalrats: Die durch- schnittliche Jahresproduktion von Strom aus neuen erneuerbaren Energien soll im Jahr 2020 bei mindestens 4,4 Tera- wattstunden (TWh) und im Jahr 2035 bei 14,5 TWh liegen. Für die Jahresproduk- tion von Strom ausWasserkraft liegt der Zielwert bei mindestens 37,4 TWh im Jahr 2035. Heute verbraucht die Schweiz rund 60 TWh Strom. Der Energieverbrauch pro Person und Jahr soll bis 2020 um 16 Prozent und bis 2035 um 43 Prozent sinken (gemessen am Stand des Jahres 2000), der Strom- verbrauch bis 2020 um 3 Prozent und bis 2035 um 13 Prozent. Die Nutzung erneuerbarer Energien soll zum nationalen Interesse erklärt werden. Windturbinen oder Wasserkraftwerke könnten also auch in Naturschutzgebie- ten gebaut werden. Mehr Geld für KEV und Sanierungen Der Nationalrat will, dass für die kosten- deckende Einspeisevergütung (KEV) mehr Geld eingesetzt wird. Bezahlen würden dies die Konsumenten mit ei- nem höheren Netzzuschlag. Heute darf dieser maximal 1,5 Rappen pro Kilowatt- stunde betragen, der Nationalrat hat diesen maximalen Beitrag auf 2,3 Rap- pen erhöht. Heute beträgt die CO 2 -Abgabe 60 Fran- ken proTonne oder 16 Rappen pro Liter Heizöl. Der Bundesrat hat die Kompe- tenz, die Abgabe auf höchstens 120 Franken zu erhöhen, falls die Zwischen- ziele für die Brennstoffe nicht erreicht werden. Für das Gebäudeprogramm sollen mehr Mittel eingesetzt werden. Die Gelder stammen zu zwei Dritteln aus der CO 2 -Abgabe und zu einemDrittel aus den kantonalen Staatshaushalten. Aus der CO 2 -Abgabe dürfen heute höchstens 300 Millionen Franken pro Jahr für die Gebäudesanierungen eingesetzt wer- den. Künftig sollen es 450 Millionen Franken sein. Die Mittel sollen auch für

Energieministerin Doris Leuthard ist insgesamt zufrieden mit den nationalrätlichen Entscheiden zur Energiestrategie 2050.

Bild: Patrick Kramer/Keystone

Gebäudetechniksanierungen zur Verfü- gung stehen, nicht nur für die Gebäude- hülle. Der Ständerat wird wahrscheinlich im Herbst über die Energiestrategie 2050 debattieren.Voraussichtlich diesen Früh- ling wird der Bundesrat das zweite Massnahmenpaket zur Energiestrategie präsentieren. «Lastgangmessungen abschaffen» Andreas Meyer, Bau- und Energievor- steher der luzernischen Gemeinde Alt- büron, hat die Debatte im Nationalrat verfolgt. «Die Richtung der Entscheide stimmt», sagt er. Positiv sei, dass für die KEV zukünftig mehr Geld zur Verfügung stehen soll. Die geplante KEV-Förderung derWasserkraft sei aber teilweise unge- nau beschrieben und lasse einen gros- sen Spielraum offen. KEV-Beiträge seien Anschubfinanzierungen für neue Tech- nologien, die noch nicht marktfähig sind, und dürften nicht für Anlagensanierun- gen verwendet werden, die wegen der sinkenden Stromtarife nicht mehr renta- bel wirtschaften. Meyer erhofft sich, dass die Eigenverbrauchsregelung weiter gefördert wird: «Personen, die über eine eigene Photovoltaikanlage verfügen, sollen vermehrt ihren eigenen Strom

bewusst für ihre Haushaltgeräte verwen- den und nur den überschüssigen Strom auf dem freien Markt verkaufen kön- nen.»Ausserdem erhofft sich Meyer von der nationalen Politik, dass der «Rendi- tekiller Lastgangmessungen» bei Photo- voltaikanlagen abgeschafft wird. «Um die teure Lastgangmessung zu umge- hen, werden aus betriebswirtschaftli- chen Gründen viele Anlagen auf Einfa- milienhäusern unter 30 Kilowatt peak erstellt», sagt Meyer. Es sei schade, wenn freie Dachflächen nicht verbaut werden. «Es wäre wünschenswert, wenn diejeni- gen, die Vorhaben zur Förderung der erneuerbaren Energien vorschlagen, mehr Handlungsspielraum hätten», sagt Fulvio Lurati, Gemeindeschreiber von Canobbio. Die bei Lugano gelegene Ge- meinde will möglichst bald das Label Energiestadt für eine nachhaltige kom- munale Energiepolitik erhalten. Christian Hunziker, Verantwortlicher Energie und Initiator des Photovoltaik- projekts in der Waadtländer Gemeinde Corcelles-sur-Chavornay, wollte die Ent- scheide des Nationalrats nicht kommen- tieren. «Ich habe mich nicht im Detail damit auseinandergesetzt», sagte er auf Anfrage. sda/pb

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SCHWEIZER GEMEINDE 1 l 2015

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