CellitinnenForum 1_2019

Titel | Thema

Im Hospiz ist auch die Arbeit mit Angehörigen wichtig für das Wohl der Gäste. Welche Rolle nehmen sie da ein? Martina Mann: Da gibt es schon mal gewisse Spannungen. Gäste und Angehörige verspüren beide Schmerz, aber sie versuchen oft krampfhaft, es voreinander zu ver- bergen. Damit wollen sie sich und den Gast schützen, anstatt mitei- nander zu weinen, zu trauern, und das Jetzt zu gestalten. Wir trösten, wir ermutigen aber auch, kreativ zu überlegen: Was könnte dem Papa, der Mama jetzt guttun und gefallen? Wäre es schön, zusammen alte Fotoalben zu schauen, Gedichte zu lesen, Geschichten von früher zu erzählen, solange es noch geht, anstatt aneinander vorbeizureden oder zu schweigen? Die Menschen sollten miteinander noch einmal eine gute Zeit haben! Ist die Aufenthaltsdauer im Hospiz eigentlich gesetzlich begrenzt? Wa- ren das mal sechs Monate? Martina Mann: Die Zeit kann nach Antrag bei der Kasse und Begut- achtung durch den MDK immer wieder verlängert werden. Inzwi- schen haben wir manche Gäste, die den Kriterien für das Hospiz entsprechen, also schwer krank und austherapiert sind, aber eigent- lich zu jung für unsere Einrichtung sind. Wir brauchen in Deutschland viel mehr Intensivpflegeplätze für Menschen, die weder ins Akutkran- kenhaus noch ins Hospiz noch ins Seniorenhaus müssten. Da gibt es eine echte Versorgungslücke.

des Hauses auf. Bestimmte Orte fallen ins Auge, wie die mit lichten Glasfenstern gestaltete Kapelle von Egbert Verbeek, die großzügige Dachterrasse, welche im Sommer ein Lieblingsort der Gäste und ihrer Angehörigen ist, und der Raum der Stille. Hier ist die sogenannte Klage- mauer untergebracht, eine künst- lerisch angelegte Wand mit vielen kleinen Nischen für Klagezettel. „Gäste, Angehörige und Besucher schreiben ihre Not auf kleine Blätter, und stecken sie gefaltet in die Kla- gemauer. Einmal im Jahr lösen wir die Wünsche und Klagen dann in einem Gottesdienst im Feuer auf“, erklärt Mann. Zuletzt landen wir im anheimelnden Wohnzimmer mit Bibliothek und Kaminfeuer, denn auch das gibt es im neuen Hospiz St. Marien: „Hier ist ein Ort des Mit- einander-Lebens, Entspannt-Seins, manchmal auch des Feierns“, be- richtet Tomislav Rubcic. „Auch wenn es etwas gedauert hat, bis der Raum so angenommen wur- de wie geplant, weil die Gäste ihre schönen Zimmer so genossen ha- ben: Inzwischen treffen sich Gäste, Angehörige und Mitarbeiter richtig gerne hier. Die Hospizfachleute haben gegen Schmerz nicht nur Worte und liebe- volle Gesten parat. Martina Mann zeigt uns den Duftkoffer, eine wohl ausgewählte Sammlung hochwer- tiger Düfte, die sie in der Aroma- pflege einsetzen. Manche werden als Einzeldüfte gegeben, andere zu komplexen Duft-Bouquets zu- sammengestellt. „Viele sind Erin- nerungsdüfte, die innere Kräfte und Duftöle lindern den Schmerz

gute Zeiten an die Oberfläche holen. Das bringt Licht in schmerzhafte Zeiten“, beschreibt Tomislav Rubcic die Wirkung. „Manche Menschen erreichen wir nicht mit Worten und Gesten, aber ein bestimmter Duft öffnet diesen Menschen. Wir ver- suchen dann herauszufinden, auf welchen Duft jemand anspricht.“ Diese Düfte können nicht nur im Zimmer versprüht, sondern auch auf der Haut angewendet wer- den. Chemisch sind sie nach 20 Minuten im Blut nachweisbar. Sie wirken somatisch auf die Lymphe bei schmerzhaften Stauungen, ent- spannen und lösen in Form von Lavendelkompressen und sanften Eukalyptusmassagen, so wie man es oft bei Babys und Kleinkindern hilfreich erlebt. „Unsere Gäste ha- ben immer wieder Tage mit schwe- ren und belastenden Gesprächen. Da hilft es ihnen sehr, wenn sie mit einem Duft an der Seite schlafen und neue Kraft tanken können“, erklärt die Einrichtungsleiterin.

Das CellitinnenForum dankt für Ihre Zeit und das intensive Gespräch.

Beim Rundgang durch das Hospiz St. Marien fällt der helle, klare Stil

23

CellitinnenForum 1/2019

Made with FlippingBook Online newsletter