CellitinnenForum 1_2019

Glauben | Leben

Wort und Mensch Der Schmerz in der Erfahrung Hiobs

Es gibt nicht viele Geschichten, in denen die Lebensgeschichte eines Menschen so dicht mit sei- ner Schmerzerfahrung gekoppelt ist, wie die des Hiob aus dem fünften Jahrhundert vor Christus. Er ist die biblische Grundlage, um Jesus Christus später als ‚Schmer- zensmann‘ zu charakterisieren, als den, der Unsägliches erleidet und dennoch nicht verzweifelt an seinem Gott. Die Hiob-Geschich- te behandelt eine Grundfrage der Menschheit: Tut Gott den Guten nur Gutes und den Bösen geschieht Schmerz? Wird Moral mit Strafe verknüpft und kann ich vor Leiden sicher sein, wenn ich alles tue, was die Religion erwartet? Auch die große Frage nach Gerechtigkeit ist damit verknüpft, in einem Wort gesagt: Warum ich? Warum jetzt? Warum überhaupt? Hiob ist kein Israelit. Er kommt aus dem Land Uz, das man östlich des Jordantals oder im Zweistromland vermutet. Hiob ist geschäftlich und

sozial sehr erfolgreich, ein glück- licher Ehemann und vielfacher Fa- milienvater. Alles ist gut, könnte man über Hiob schreiben, selbst seine Beziehung zu Gott, dem er fleißig Brandopfer bringt und dem gegenüber er sein Haus kultisch rein hält. Doch dann ereilen ihn die Schicksalsschläge. Alles war gut – vorher. Das trifft den Nerv vieler, die Schmerz erfahren: Es gab ein Davor. Und jetzt ist Danach. Vor der schönen Kulisse von Hiobs Leben setzen sich – im vorchrist- lichen Denken – gewaltige Mächte auseinander. Gott und Satan strei- ten sich um die Vorherrschaft in der Welt. „Warum sind Menschen wie Hiob gut?“, stichelt der Teufel, „Doch nur, weil du, Gott, ihnen alles gibst. Nimmst du es ihnen, werden sie wie ich, böse und ungerecht.“ Der gute Gott schlägt in die Wette ein. Stück für Stück soll Hiob alles Die Wette

genommen werden. Man wird ja sehen, was das Danach mit Hiob macht. Wer Schmerz aushalten muss, er- lebt sich wie die Hauptperson in solch einem kosmischen Würfel- spiel. Dass ich so leide, muss einen Grund haben: Wer will, dass ich solche Schmerzen habe? Nicht um- sonst wurden in Pestzeiten Krank- heiten als göttliche Bestrafungsak- tionen gesehen. Viele Menschen leben bis heute mit dem Dilemma, dass sie sozial handeln, aufmerk- sam, liebevoll leben und nachhaltig mit der Schöpfung umgehen, und dennoch Schmerz in Krankheit und Schicksalsschlägen ertragen.

Was tun? Reden hilft? Wie lange?

Einen großen Teil des Hiobbuches nehmen Reden ein. Die Freunde Hiobs versuchen, ihm Gottes Han- deln in der Welt zu erklären, denn in ihrer Weltsicht ist Hiob selbst schuld

Das Buch Ijob, 1,6 – 1,12 Nun geschah es eines Tages, da kamen die Gottes- söhne, um vor den HERRN hinzutreten; unter ihnen kam auch der Satan. Der HERR sprach zum Satan: Woher kommst du? Der Satan antwortete demHERRN und sprach: Die Erde habe ich durchstreift, hin und her. Der HERR sprach zum Satan: Hast du auf meinen Knecht Ijob geachtet? Seinesgleichen gibt es nicht auf der Erde: ein Mann untadelig und rechtschaffen, er fürchtet Gott und meidet das Böse. Der Satan ant- wortete dem HERRN und sagte: Geschieht es ohne

Grund, dass Ijob Gott fürchtet? Bist du es nicht, der ihn, sein Haus und all das Seine ringsum beschützt? Das Tun seiner Hände hast du gesegnet; sein Besitz hat sich weit ausgebreitet im Land. Aber streck nur deine Hand gegen ihn aus und rühr an all das, was sein ist; wahrhaftig, er wird dich ins Angesicht segnen. Der HERR sprach zum Satan: Gut, all sein Besitz ist in deiner Hand, nur gegen ihn selbst streck deine Hand nicht aus! Darauf ging der Satan weg vom Angesicht des HERRN.

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