Blickpunkt Schule 1/2021

Soft Skills in Zeiten der Corona-Krise Warum Empathie von Pädagogen gerade heute so wichtig ist Z urzeit dreht sich in der Schule alles um Corona und um die dadurch be-

Zum Artikel Geschlechtergerecht kommunizieren [Blickpunkt Schule 4/2020 | Seite 20] Lieber Herr Schwab, (…) Ich lese immer aufmerksam Ihre Beiträge in der Zeitschrift »Blickpunkt Schule« und werde dabei stets an die gemeinsame Verbundenheit mit Fulda und der Winfriedschule erinnert. Mit besonderem Interesse habe ich Ihren Artikel ’Geschlechtergerecht kommunizieren’ im vorletzten Heft von ’Blickpunkt Schule’ gelesen. Ich ärgere mich schon seit Langem über die Verunstaltung der deutschen Sprache durch die Beflissenheit, mit der die Gesellschaft und besonders die Medien die ’geschlechtergerech- ten’ Sprachregelungen übernehmen, und habe mich gefragt, warum nicht wenigstens die Deutschlehrer in den Schulen den Schülern beibringen, dass ’Wähler’ nicht Männer sind, die wählen, sondern Menschen, die wäh- len und dass ’Protestler’ alle sind, die protestieren und dass Christen alle Menschen sind, die der christlichen Kirche angehören, … um nur ein paar Beispiele zu nennen. Nun hat mich Ihr Artikel eines Bes- seren belehrt: dass es doch wohl eini- ge Fachleute gibt, die sich gegen die ’Geschlechteritis’ auflehnen. (…) Kämpfen Sie und der Philologen- verband weiter für den Erhalt und die Schönheit der deutschen Sprache! Günter Rohrbach Beitrag von der Redaktion gekürzt.

»  Peter Maier

Leserbriefe | Gastbeitrag

Gymnasiallehrer a.D., Initiations-Mentor, Autor

dingten Umstände: Masken- pflicht, Hygienekonzept, Ab- standsregelungen, Homeschoo- ling (Distanzunterricht), Digitali- sierung, Bereitstellung von genü- gend Tablets, funktionierendes Internet usw. Es geht darum, die Schulen irgendwie am Laufen zu halten und eine Schulschließung möglichst zu vermeiden. Ich habe großen Respekt vor allen Schülern und Lehrern * , die unter diesen schwierigen, sich täglich oder wö- chentlich verändernden Bedin- gungen lernen und lehren müs- sen. Es ist eine schwere Zeit … Was aber in dieser ganzen Auf- regung vollkommen auf der Stre- cke bleibt, ist die eigentliche Pä- dagogik, die auch in Corona-Zei- ten eine Bindungsbildung bleiben muss. Die Pädagogik sollte stets ein doppeltes Ziel verfolgen: den Schülern einerseits Fachwissen und Kompetenzen zu vermitteln (Bildungsziel I) und sie zugleich bei ihrem Prozess der Persönlich- keitsentwicklung, Charakter- und Herzensbildung sowie in der Wert- erziehung zu begleiten – auf ih- rem Weg durch ihre Pubertät und hin zum Erwachsenwerden (Bil- dungsziel II). Darin sehe ich unse- re eigentliche pädagogische Auf- gabe als Lehrer, auch wenn diese nicht so leicht greifbar und mess- bar ist wie etwa die Versorgung je- des Schülers mit einem neuen Tablet. * Natürlich sind mit ’Schüler’ stets Schülerinnen und Schüler, mit ’Lehrern’ Lehrerinnen und Leh- rer und mit ’Kollegen’ Kolleginnen und Kollegen gemeint. Ich wollte aber den Artikel nicht un- nötig aufblähen.

Digitalisierung versus Pädagogik? Unsere Schüler sind eben keine kalten, digitalisierten, nur hirnig ausgerichteten Lernroboter, son- dern Jugendliche in ihrer Entwick- lung: in dem Prozess ihrer biswei- len mühsamen und langwierigen Persönlichkeitsbildung. Und das in Zeiten einer als immer unsicherer empfundenen globalisierten Welt, die von Terrorangst, Handelskrie- gen, einem sich völlig egozen- trisch gebärdenden Donald Trump, von der berechtigten Angst ums Weltklima und eben vom Corona- virus beherrscht wird. Natürlich wird von uns Lehrern erwartet, dass wir uns der digita- len Entwicklung an den Schulen stellen und die uns anvertrauten Schüler Wissens-fit und Technik- kompetent für die Zukunft in einer sich immer schneller drehenden Welt machen – auch in der Coro- na-Krise, in der die Digitalisierung durch die Notwendigkeit des Homeschooling gerade einen kräftigen Schub nach vorne er- fährt. Als Pädagoge mit vierzig- jähriger Berufserfahrung möchte ich jedoch einen leidenschaftli- chen Appell an meine Lehrer-Kol- legen sowie an alle Bildungspoli- tiker und »Lehrplan-Macher« richten: »Vergesst jetzt die Päda- gogik nicht!«

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Geschlechtergerecht kommunizieren: situativ und vernunftorientiert D ieDiskussionenumeinenge- schlechtergerechtenSprach- gebrauchkamen indensieb-

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zigerJahrendes letztenJahrhunderts auf. InderFolgehabenvieleBehör- den,HochschulenundOrganisationen Leitfädendazuveröffentlicht.Derak- tuelleDudengibteinenÜberblick überdieFülleanMöglichkeiten,ge- schlechtergerechtzu formulieren,al- lerdingsverbundenmitderFeststel- lung,dasseineNorm fehle. AuchLehrkräftesehensich–zur politischenKorrektheitaufgefordert– konfrontiertmitgendersensiblen Schreibweisen,beispielsweisemit • derDoppelnennung inverschiede- nenFormen (derSchulleiter,die Schulleiterin), • demSchrägstrich (Schüler/in), • demBinnen-I (LehrerInnen), • substantiviertePartizipien (aus LesernwerdenLesende,ausPreis- trägernPreistragende,ausKursteil- nehmernKursteilnehmende), • geschlechtsneutraleFormulierun- gen (DirektionstattDirektor,Rede- pultstattRednerpult, rollstuhlge- rechterZugangstattZugang für Rollstuhlfahrer), • demGenderstern (Asterisk) (Kolleg*innen), • VariantendesdynamischenUnter- strichs,Doppelpunkt,Gender-Gap, Geschlechterlücke (Kolleg_innen, Beamt_in),wobeidieLückeaufan- deresexuelle Identitäten jenseits derZweiteilungderGeschlechter hinweisensoll. EinedurchgehendgegenderteKom- munikationkannnichtdasZielsein, überbordendesGender-Main- streaming istmitderGrammatikfor- schung (Genustheorie)undmitwis- senschaftlichenUntersuchungen nichtvereinbar.Versuche,gendersen- sibelzu formulieren,eine»gerechte Sprache«zuverwenden,ergehensich oft inanstrengenderKünstlichkeit, in Sprachverrenkungenund führennicht seltenzu leidigenTextaufblähungen.

Bild:MonsterZtudio/AdobeStock

AnGrenzenstößt»gendergerechtes Sprechen« inAusdrückenwieBürge- rInnenmeister/in,Kolleg(innen)en- kreis,Führerinnen-undFührerschein- prüfung. ’Miss-Kommunikation’, Sprachverzerrungen,Störungendes Sprachgefühlswerdenprovoziert. EssprichtnichtsgegenPaarformen wieLehrerinnenundLehrer,Bewerbe- rinnenundBewerber, fallsexplizitbei- deGeschlechterangesprochenwer- densollen.Allerdingswirdesschwie- rigundunbeabsichtigteKomikwird erzeugt ingegendertemSprechenwie »Jedeoder jeder istsichselbstdie oderderNächste«oder»ZuRisiken undNebenwirkungen… fragenSie Ih- reÄrztinoderApothekerinoder Ihren ArztoderApotheker.«AuchwärenRe- dewendungenwiezumBeispiel »ÜbungmachtdenMeister«nicht mehropportun. EingänzlicherVerzichtaufdenGe- brauchdesgeschlechtsneutralenge- nerischenMaskulinumserscheint schwervorstellbar,mansolltedas Merkmal ’Genus’nichtmitdemMerk- mal ’Sexus’vermischen.Zwischen GrammatikundBiologiegibtesdeut- licheUnterschiede. Durchgehend ’gendergerecht’zu schreiben,verbietetsichaussprach- ökonomischen,sprachästhetischen undbesondersauskommunikativen Gründen. Missverständnissesindzudem möglich,wennmanannehmenmuss, dassdasMaskulinumnurMänner

meint.Beispielsweisehaltensich in einemLehrerzimmeralleLehrkräfte auf,gleichwelchenGeschlechts.Be- denkenswert istzudem,dassdieex- pliziteGeschlechternennungoft ten- denziös ist:Seltensprichtmanvon DiebinnenundDieben,schongar nichtvoneiner ’Eselinei’. DiegewachsenedeutscheSprache solltenicht imSinnepolitischerZiel- setzungen reguliertwerden.Verwah- renmussmansichgegenkünstliche Eingriffevonaußen.SprachealsGe- meingutdarfwachsenundsichverän- dern.Sie istabereinallgemeingültiges funktionellesSystem,dasprimärder Verständigungdientund insofernauf bestimmtengrammatischenRegeln basierenmuss (vgl.dasamtlicheRe- gelwerkdesRates fürdeutscheRecht- schreibung).Der ’Geschlechterkampf’ aufdemFeldderGrammatik istnicht mehralseineScheinemanzipation.Die GleichberechtigungvonFrauen inder Gesellschaftmusspolitischdurchge- setztwerden,zumBeispieldurchglei- cheBezahlung,gleichenZugangzu Positionen,nichtdurchveränderte Sprachnormen. ImÜbrigenmachtdas Gendernniemandenzueinemmora- lisch ’besseren’Menschen. WirsolltenunsnichtderVerant- wortlichkeit fürdiePflegeunddenEr- haltderdeutschenSpracheentledi- gen–dieSprachedarfnicht imZuge von ideologiebeladenen Initiativen stilistischundästhetischentgleisen. ReinhardSchwab

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