Blickpunkt Schule 3/2023
dem sie Lehrkräfte aus ganz Hessen zusammenbringen und sich dabei ab seits der Plenarsitzungen oft so man ches angeregte Gespräch, teil-weise sogar ein längerfristiger Kontakt ent wickelt. In den ersten zehn Jahren von 1873 bis 1883 wechselte von Jahr zu Jahr die Person des Vorsitzenden und mit diesem auch der Ort der »Hauptlei tung«, ähnlich dem heutigen jährli chen Wechsel des Ortes der Vertreter versammlung zwischen den sieben Bezirken: auf Kassel folgten Frankfurt, Marburg, Fulda, Weilburg, Hanau, Dil lenburg und schließlich Hersfeld. Doch erkannte man bald, dass der jährliche Wechsel in Vorsitz und Vorort zulasten der Stetigkeit bei der Verfol gung der beruflichen Belange ging: »Auf dem Gebiete der Standesfragen kam man kaum vom Fleck« (S. 7). Eine Änderung schließlich brachte die »Wanderversammlung« von Diez im Jahre 1884: »Da entschloß man sich auf Anre gung des Oberlehrers und späteren Direktors Wilhelm Wittich aus Kassel, dem jeweiligen Vorsitzenden Direktor einen Beirat in Gestalt eines ständi gen Ausschusses zu geben. (...) Für die Festhaltung und stetige Verfol gung der führenden Ideen war nun mehr gesorgt. (...) In Wahrheit hatte sehr bald nicht mehr der lokale Aus schuß mit dem präsidierenden Direk tor, sondern vielmehr der Vorsitzende des »ständigen Ausschusses« das Heft in der Hand; jener war gewisser maßen nur noch ein Fest-Ausschuß« (S. 7). Auch hier finden sich Parallelen zur Gegenwart: Während der Vorstand des jeweiligen Bezirks für die Organi sation der VV zuständig ist, liegen die operative Leitung, die Ausführung von Beschlüssen und das Tagesgeschäft des hphv beim von der VV gewählten geschäftsführenden Vorstand bzw. beim Landesvorstand. Müller wirft in seinen Ausführungen auch einen Blick auf die gedruckten Versammlungsberichte: »In 42 Hauptversammlungen – be kanntlich fielen in diesen 50 Jahren acht Tagungen aus – wurden nicht
brennender werdenden Standesfra gen zu prüfen und ihre Lösung nöti genfalls in die eigene Hand zu neh men. Der neue Verein hat also ein doppeltes Verdienst. Er hat nicht nur dem Stande geholfen, sondern auch die zwar stammverwandten, aber ent fremdeten Bestandteile der Provinz zusammengeschweißt, soweit es auf diesem Wege möglich war« (S. 5). Das Problem der »Standesfragen« Während der Erfolg der Vernetzung – und auch der von Müller nicht noch einmal separat genannten Fortbildun gen – von der Aktivität und dem Ge schick des Vereins selbst abhing, sah es auf dem »Gebiete der Standesfra gen« anders aus. Hier war man vom guten Willen der preußischen Regie rung und des Abgeordnetenhauses in Berlin abhängig. Weil dieser Komplex die Hauptursache für die Gründung des Vereins bildete, soll er im Folgen den etwas genauer betrachtet wer den. Grundlage dafür ist das Buch »Geschichte des Deutschen Philolo gen-Verbandes bis zum Weltkrieg«, das 1929 von dessen ehemaligem Vor sitzenden Paul Mellmann in Leipzig veröffentlicht worden ist. Alle nun fol genden Zitate stammen daraus. Um zu verstehen, welche Probleme sich hinter dem Begriff »Standesfra gen« verbergen, ist ein genauerer Blick auf das System der Höheren Schulen in Preußen im Allgemeinen und im Besonderen auf die Stellung bzw. die Besoldung ihrer Lehrer erfor derlich. Das höhere Schulwesen Preu ßens war zur Zeit der Gründung des »Vereins der Lehrer an den Unter richtsanstalten der Provinz Hessen Nassau und des Fürstentums Wald eck« gekennzeichnet zum einen durch die Gymnasien Humboldt’scher Prä gung mit den Kernfächern Lateinisch und Griechisch, zum anderen durch die sogenannten »Realschulen«. Die Realschule »sollte im Gegensatz zum Gymnasium, das seinen Schwer punkt auf die alten Sprachen legte, an deren Grammatik sich die geistige Schärfe des Schülers bilden sollte, die
Der Autor
Boris Krüger ist Vorsitzender des Bezirks Kassel und Vorsitzender des Ausschusses für berufspraktische Fragen (BPA)
Schlaglichter zur Geschichte des hphv
weniger als 90 größere Vorträge ge halten, wovon 41 allgemeinere Fragen, insbesondere Standesfragen, behan delten und 13 mit dem deutschen Un terricht, 11 mit Mathematik und Na turwissenschaften einschI. Erdkunde, 9 mit den alten Sprachen, 4 mit den neueren Sprachen und 4 mit den technischen Fächern sich befaßten. Wie man aus dieser Zusammenstel lung ersieht, war mindestens die Hälf te der Vorträge schulwissenschaftli chen Fragen zugewandt« (S. 7/8). Hier kommt noch ein anderer As pekt zum Tragen, der bereits in den Satzungen 1873 und 1874 benannt wurde: die »wissenschaftlichen Be strebungen«. Denn die zahlreichen Vorträge zu den »schulwissenschaftli chen Fragen« sind nichts anderes als Vorläufer der heutigen Fortbildungen, die der hphv zu den verschiedensten Themenkomplexen anbietet. Bezüglich der Verdienste des neu gegründeten Vereins stellt Müller 1924 zwei Dinge fest: »Nach der Be gründung des Deutschen Reiches und der Entwicklung Preußens war ein Zu sammenschluß gerade in unserer Pro vinz zur Notwendigkeit geworden. Die drei Hauptbestandteile, Hessen, Nas sau und Frankfurt, die auch seit 1866 noch ziemlich abgesondert voneinan der gelebt hatten, mußten sich zu sammenschließen, um die immer
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