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Bis vor kurzem hat sich die Seniorin noch alle Mahlzeiten selbst zuberei- tet, doch das Kochen überlässt sie mittlerweile dem Hausrestaurant. Ihr Tagesrhythmus hat eine feste Struktur, die sich allerdings seit ei- niger Zeit verändert. Sie ist keine Frühaufsteherin mehr. Die ersten paar Tage hat das Bewegungssys- tem angeschlagen, als sie um 8:00 Uhr noch im Bett lag. Da meldete sich um 8:30 Uhr die Koordinatorin

gleichzeitig für den Pflegedienst alle Informationen bereithält, denkt Frau Müller. Da piept ihr Mobiltelefon. Ein grüner Smiley für ,alles ok‘, ein gelber für ,geht so‘ und ein roter mit heruntergezogenen Mundwinkeln für ,gar nicht gut‘ erscheinen. Bei Frau Müller ist heute alles grün. Sie tippt auf den Smiley und informiert so ihre Tochter in den USA, dass es ihr gut geht. Skypen können sie dann morgen wieder.

Da ist vielleicht was los! Parallel dazu werden Wellness- oder Fit- ness-Programme angeboten. Die ehemalige Ingenieurin und Fuß- ballfanatikerin Müller wird in der Herrenrunde akzeptiert und freut sich auf Bonn. Sie macht sich lang- sam fertig. Vorher, denkt sie, ist noch Zeit für einen Tee. Frau Müller setzt Wasser auf, zieht den Mantel an und verlässt die Wohnung. Wie gut, dass der Herd eine automati- sche Abschaltfunktion hat. Unter- wegs zum hauseigenen Bus trifft sie ‚Pepper‘. Der Roboter macht ihr ein Kompliment: Sie sähe heute so zu- frieden und frisch aus. Das Blau des Mantels stehe ihr gut. Frau Müller lacht. Wie dumm, denkt sie, das ist doch nur ein Roboter – sie freut sich aber trotzdem und geht beschwingt weiter Richtung Treffpunkt. So oder ähnlich sieht in nicht ferner Zukunft der technisch unterstützte Alltag älterer Menschen aus. Denk- und (schon fast) machbar sind noch sehr viel mehr technische Hilfsmit- tel. „Vorher sind aber noch Fragen zu klären“, warnt Türling. „Wie viel Überwachung ist ethisch zu ver- antworten? Führen wir Menschen in die Unselbstständigkeit? Wie kön- nen solche Systeme abgerechnet werden, ohne die Mitarbeiter in der Buchhaltung, Bewohner, Mieter und Menschen in der ambulanten Betreuung zu überfordern?“ All das, so Türling, sei vor dem Einsatz technischer Hilfsmittel zu klären. Außerdem müssten die Systeme kompatibel sein und den Richtlinien des Datenschutzes entsprechen. Offene Fragen

des Wohnstifts, um zu fragen, ob sie ok sei. Das Sys- tem – an den Fuß- leisten befestigte Streifen, die auf Be- wegungen innerhalb der Räume reagieren und mit dem Haus- notrufdienst verbun- den sind – weiß nun, dass sie lieber län- ger schläft, und hat die Alarmbereitschaft ihrem Rhythmus ange- passt. Nur vor drei Ta- gen, da ist sie über ihre Schuhe gestolpert und

In letzter Zeit ist die eigentlich rüstige Rent- nerin etwas tüddelig geworden, vergisst schon mal Termine, steht im Supermarkt und weiß nicht mehr, was sie kaufen wollte, oder sie verläuft sich auf dem Rückweg. Da hat sie sich ange- wöhnt, die gelade- ne Einkaufsfunktion des Mobiltelefons zu nutzen, diktiert den Einkaufszettel und lässt sich per

GPS und Sprachsteuerung zum Geschäft oder wieder nach Hau- se führen. Verlorengehen kann sie nicht, denn das Wohnstift ist immer informiert, wo sie sich gerade auf- hält. Das erscheint Frau Müller si- cherer. „In 30 Minuten Abfahrt zum Deutschen Museum nach Bonn“ – an Termine erinnert sie das Gerät ebenfalls. Das Museums-Angebot heute richtet sich in erster Linie an die im Seniorenhaus wohnenden Herren, von denen es in letzter Zeit immer mehr gibt. Samstagnach- mittags gucken sie im ‚Anna-Stüb- chen‘ immer die Bundesliga live.

hingefallen. Gott sei Dank ist nichts passiert. Sie war schnell wieder auf den Beinen und konnte der über die Sensoren alarmierten Pflege- mitarbeiterin selbst die Tür öffnen. Gestern rief ihr Hausarzt an. Ihr Blutdruck sei zu hoch. Er emp- fahl ihr, zwei statt einer Tablette zu nehmen. Sie solle sich also nicht wundern, wenn der Pflegedienst Auxilia ihr später schon zwei Tablet- ten anreiche. Wie praktisch, so ein Armband, das meine Werte misst, diese dem Arzt übermittelt und

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CellitinnenForum 4/2018

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