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es denn so gar nichts Positives an der ‚dritten Lebensphase‘? Jahnz-Blumberg: Oh doch. Wir ste- hen nicht mehr in der Pflicht, alles unter einen Hut bringen zu müssen: Beruf, Kinder, Haushalt. Wir sollten viel mehr auf die positiven Seiten schauen.

tung. Diese erfüllt neben der pflege- rischen auch eine soziale Aufgabe.

Gottesdienste besuchen Menschen aller Konfessionen. Auch Nichtgläu- bige lassen sich von unseren An- geboten trösten und Mut machen. Großhennrich: Die Patienten sind viel zu kurz da, als dass wir gegen die Altersdepression nachhaltig et- was tun könnten. Im Klinikalltag bemühen sich Ärzte und Pflegende um die akuten Erkrankungen. Da bleibt wenig Zeit für mehr. Gibt es Möglichkeiten, die psycho- logische Versorgung der älteren Pa- tienten zu verbessern? Welz-Barth: Wir benötigen mehr Betreuungskräfte, die sich mit den älteren Patienten unterhalten, aus der Zeitung vorlesen – kurz: Küm- merer. In den Kliniken des Verbun- des sind wir da auf einem guten Weg, aber noch lange nicht am Ziel. Eine Frage an die Ordensschwes- tern: Wie erleben Sie das Alter? Sr. Paula: Unser Glaube und die Gemeinschaft fangen uns auf. Sr. Lioba: Wir tragen Verantwortung füreinander, sprechen über Dinge, die uns bewegen oder belasten, und sind in der Gemeinschaft ge- borgen. Unsere Gebete und Routi- nen geben unserem Leben Struktur.

Lassen sich Altersbeschwerden eigentlich aufhalten? Welz-Barth: Da gibt es die klas- sischen Faktoren wie Sport und gesunde Ernährung. Aber stoppen lässt sich das Alter nicht. Stutenbäumer: Bestimmte Kompe- tenzen wie Mobilität können auch wiedererlangt werden. Welz-Barth: In der Klinik können wir dazu gute Anstöße geben, mehr aber auch nicht. Bei allen Rehabili- tationsmaßnahmen kommt es auch im Alter darauf an, wie der Patient mitmacht und ob er das Training zu Hause weiterführt. Stichwort Alterskrankheiten. Was fällt Ihnen spontan als erstes dazu ein? Welz-Barth: Ein großes Thema in Kliniken ist die Altersdepression. Da können wir in rund 14 Tagen Aufenthalt schon viel Gutes tun, doch die Krankheit erfordert eine langfristige Therapie. Stutenbäumer: In meiner Berufs- laufbahn wurde erst ein Mal eine Gesprächstherapie für einen Be- wohner bewilligt. Die Seelsorge und die Präsenz der Ordens-Christen in unseren Häusern kann man daher nicht hoch genug schätzen. Sie fangen viele Sorgen und Nöte auf. Sr. Lioba: In den Seniorenhäusern bieten wir Gespräche an, aber auch Gemeinschaftserlebnisse helfen gegen Verzweiflung und Trübsal. Unsere Rosenkranzgebete und

Sr. Paula: Ich werde im Alter de- mütiger. Das tut mir gut.

Stutenbäumer: Dinge loszulassen, wie die Verantwortung für Haus und Hof, gibt ein Stück Freiheit. Der Kontakt zwischen den Senioren und ihren Angehörigen erfährt da- durch wieder eine Leichtigkeit, die manchmal verloren gegangen ist. Möchten Sie nochmal zwanzig sein? Großhennrich: Die vielen Aufreger – Erwachsenwerden mit allen Neben- wirkungen, berufliche Orientierung und der eigene Nestbau – das reicht ein Mal. Jahnz-Blumberg: Ich finde es sehr angenehm, nicht mehr so gehetzt zu sein. Ich konzentriere mich auf Sachen, die mir Spaß machen. Mit meinemMann auch schwere Zeiten zu meistern wie seine Krankheit, empfinde ich bei aller Härte auch als Privileg. Dass mir nicht immer sofort Begriffe oder Namen einfallen, neh- me ich mit einem Augenzwinkern zur Kenntnis.

Wir haben viel über Verlust und Ängste im Alter gesprochen. Gibt

Die Teilnehmer: Schwester Lioba und Schwester Paula aus dem Herseler Ursulinenkon- vent, Monika Großhennrich, Mitarbeiterin im Sozialdienst/CaseManagement des Kölner Heilig Geist-Krankenhauses, Monika Jahnz-Blumberg, ehemalige Seniorenhausleiterin und heute ehrenamtlich für die Einrichtungen tätig, Marc Stutenbäumer, Leiter des Kölner Seniorenhauses Heilige Drei Könige, Prof. Annette Welz-Barth, Chefärztin der Klinik für Innere Medizin und Geriatrie amWuppertaler Krankenhaus St. Josef und am Petrus-Kran- kenhaus, Moderation: Susanne Bieber

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