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Wartung und Service

Wartung und Service

50,2 Magazin | 07.2022

50,2 Magazin | 07.2022

Foto: Alexander Supertramp / shutterstock.com

Wirksamer arbeiten

W enn erneuerbare Erzeugungsanlagen nicht einspeisen können, da sich der Einbau der vorgeschriebenen Mess technik durch die Netzbetreiber um Monate verzögert, ist das ein Alarmsignal. So sieht es auch die Bundesnetzagentur, die auf vermehrte Beschwerden zu diesem Problem nun mit einem Po sitionspapier reagierte. Dort werden „pragmatische Lösungen“ ge fordert und dem Kunden nach Monatsfrist ein Recht auf Ersatzvor nahme eingeräumt. Ob das hilft, wird man sehen. Denn der Einbau der Zähler verzögert sich vermutlich nicht deshalb, weil die Netzbe treiber keine Lust auf neue Solaranlagen haben. Tatsächlich braucht man nur auf die Stellenausschreibungen der Unternehmen zu schauen, um zu sehen, woran es in erster Linie liegt: Die Personalausstattung im Netzbetrieb war von jeher nicht üppig, nun gehen immer mehr Fachkräfte in den Ruhestand, der Krankenstand ist seit zwei Jahren hoch. Neues Personal wird über all händeringend – und oft vergeblich – gesucht. Die Serviceunter nehmen haben ähnliche Probleme, neue, gar kurzfristige Aufträge können oft gar nicht angenommen werden. Eine Studie zum Fach kräftemangel von PwC und dem WifOR-Institut zeigt, dass speziell Netzbetreiber und ihre Dienstleister stoßen derzeit im Netzservice an ihre Grenzen: Die vorhandenen Ressourcen reichen nicht an nähernd aus, um den enormen Zuwachs an geplanten und ungeplanten Aufgaben zu be wältigen. Gibt es Auswege aus dem Dilemma?

Fachkräftemangel 2035

Rahmen von Service Agreements ohne Einsatz eigener Ressourcen nutzbar. Sie rentieren sich über die eingesparten Prozesskosten meist sehr schnell. Dennoch wäre ein regulatorischer Rahmen, der entsprechende Innovationen aktiv fördert, ebenfalls hilfreich. Ver glichen mit dem Netzausbau leisten diese nämlich einen wirklich schnellen und wirtschaftlichen Beitrag zur Versorgungssicherheit. Partnerschaften und Koordination Eine weitere Möglichkeit, die Arbeitsbelastung zu reduzieren, be steht in der Zusammenarbeit – einige Netzbetreiber kooperieren bereits mit regionalen Fachunternehmen und schaffen so Mehr werte für beide Seiten. Große Dienstleister setzen auf die Über nahme von Spezialbau-, Elektrotechnik- oder Montagefirmen und erweitern so ihre Handlungsspielräume. Gerade im kommunalen Verbund lassen sich erhebliche Effi zienzpotenziale durch koordinierte Planung heben: Ein positives Beispiel sind gemeinschaftlich genutzte LoRaWAN-Netze in vielen Kommunen. Ein negatives ist die Straße, die viermal imAbstand von zwölf Monaten aufgebaggert wird, um – nacheinander – Fernwär meanschlüsse zu legen, die Fahrbahn zu reparieren, Breitbandka bel (des örtlichen Versorgers) einzubauen und drei neue Ladesäulen einschließlich Netzverstärkung zu installieren. Das ginge günstiger Die Dienstleister rüsten sich für diese Herausforderung, doch auch die Netzbetreiber selbst können noch einiges tun, um qua lifizierte Mitarbeiter:innen zu gewinnen: Schaut man auf die am Markt verfügbaren Fachkräfte, haben die Netzbetreiber – lokal ver ankerte Unternehmen, die vor Ort die Energiewende ermöglichen – eigentlich sehr gute Voraussetzungen, diese zu gewinnen. Vermut lich müssen nur ein paar kulturelle Fragen, Arbeitszeitmodelle und -strukturen auf den Prüfstand. Hier kann man sich beraten lassen. Um langfristig für ausreichend qualitativ ausgebildetes Personal zu sorgen, empfiehlt sich beispielsweise Präsenz an und Zusammen arbeit mit Schulen, eigene Berufsförderungsmaßnahmen, Talent scouting, duale Studienangebote und Hochschulkooperationen. Und auch ein Blick in die vorhandenen Teams lohnt oft, um Potenzi ale zu erkennen und zu heben: Vielleicht ist ja der Azubi, der ständig am Smartphone hängt, perfekt geeignet, um die richtige App für die Außendienststeuerung auszuwählen oder eine TikTok-Kampagne für jugendliche Bewerber:innen mit zu planen. (pq) und mit weniger Personal. Expertise gesucht Doch klar ist auch: So viel Manpower sich durch gute Planung, Messgeräte in den Betriebsmitteln oder Künstliche Intelligenz auch einsparen lässt – irgendjemand muss Geräte ins Feld brin gen, Datenanalysen prüfen und bewerten und vor Ort das defekte Kabel reparieren.

die Nachfrage nach den für die Energiewirtschaft relevanten Mon teur:innen und Meister:innen in den kommenden Jahren nicht ge deckt werden kann. Digitalisierung und Servicemodelle Die Digitalisierung der Netze sowie der Netz- und Serviceprozesse hilft, erheblich effektiver zu arbeiten. Das werden alle Unterneh men bestätigen, die damit gestartet sind. Wo wir hier stehen, zeigt der Bericht der BNetzA zum Zustand und Ausbau der Verteilnetze 2021 recht gut. Bei Standardprozessen wie etwa Anschlussgeneh migungen oder Leitungsauskunft sieht man demnach eine gute Ent wicklung: Die Mehrheit der VNB verfügt über digitale Schnittstellen für Energieverbraucher (84 Prozent), Einspeiser (72 Prozent) oder Bauunternehmen (83 Prozent) – das hilft im Tagesgeschäft, ist aber auch relativ einfach. Ob und in welchem Umfang digitale Lösungen zur intelligenten Planung und Unterstützung von Serviceeinsätzen etabliert sind, lässt sich kaum ermitteln. Bei den Dienstleistern sind sie definitiv im Einsatz und das vermutlich aus gutem Grund. Hinsichtlich der Datenerfassung, die Voraussetzung ist für effek tive Wartungs- und Planungsprozesse, geht es unterhalb der Hoch- und Mittelspannung nur langsam voran: Auf der Umspannebene MS/NS erfassen 23 von 58 VNB keine Zustandsdaten kritischer Netz bereiche. In der Niederspannung sind es sogar 48. Für vorausschau ende Wartung würde man sogar nochmehr benötigen: Sensordaten zu Temperatur und Feuchtigkeit, technische und historische Daten aus den Betriebsmitteln sowie natürlich auch Tools, die diese Infor mationen zusammenführen und bewerten. Hier sind die Betreiber der Erneuerbaren teilweise deutlich weiter. Sämtliche Komponen ten für solche Prozesse sind am Markt verfügbar und oft auch im

Mehr als 29.500 Fachkräfte fehlen in der Berufsgruppe Ver- und Entsorgung

Das Durchschnittsalter liegt bei 50,9 Jahren

In der Elektrotechnik können 37% der Stellen nicht besetzt werden

Quelle: PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft 2022

Zentral erfasste Netzzustandsdaten kritischer Netzbereiche Anzahl Verteilernetzbetreiber

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Nein

keine Angabe

Grafik: Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen

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