GOLF TIME 2/2023
KOLUMNE
SCHOCKVERLIEBT IN AUGUSTA Der Autor arbeitet seit über 30 Jahren als Journalist und kann auf einige außergewöhnliche Begebenheiten zurückblicken. Doch selbst der hartgesottenste Hund schrumpft im Angesicht des Augusta National auf Zwergengröße zusammen.
M
eine Kolumne, die ich seit mittler weile zwölf Jahren verfasse, nehme ich aus Prinzip nicht „persönlich“. So viel Unterhaltungswert besitze
Nachdem ich mit klopfendem Herzen durch das unbestritten modernste und imposanteste Pres sezentrum der Welt geeilt war, und über einen Nebeneingang zum Platz gelotst wurde, mani festierte sich der Augusta National in all seiner monumentalen Pracht endlich auch vor mir. Es mag abgedroschen klingen, aber wem in diesem Moment nicht der Spruch „im Fernse hen kommt das einfach nicht so rüber“ auf den Lippen liegt, ist entweder ein Lügner oder hat nie eine Übertragung des Masters gesehen. Mit großen Augen und einem dümmlich-ver klärten Grinsen im Gesicht, eilte ich von Bahn zu Bahn. Wie ein kleiner Junge beim ersten Besuch in Disney World bestaunte ich die krassen Höhenunterschiede, befühlte schüch tern die Beschaffenheit eines Fairways und war sogar etwas schockiert, wie absurd hoch die Geschwindigkeit der Grüns ist. Gott sei dank sind Mobiltelefone (und an den Turniertagen auch jedwede Kamera) beim Masters strengstens verboten. Denn solange man nicht ständig der zwanghaften Versuchung erliegen muss, eine Szenerie einfangen zu wollen, der Kameras ohnehin nie wirklich gerecht werden können, sondern einfach mal im Augenblick verweilt, hat man eine Chance, zu begreifen, warum dieses Areal fraglos die größte Bühne des Golfsports darstellt. An diesem Tag sitze ich noch lange nachdem der letzte Spieler Schläge und Putts trainiert hat, am Amen Corner. Von außen betrachtet mag das eher langweilig anmuten, für mich war dies einer schönsten Momente der ganzen Woche. Irgendwie fühlte ich mich, als wäre ich ange kommen. Denn nicht zuletzt dank dieses Tur niers – und eines gewissen Herren mit Namen Bernhard Langer – habe ich mit dem Golfsport begonnen, der mein Leben seither in wirklich all seinen Facetten positiv verändert hat. Aber das sind nun Geschichten, die hier wirklich nichts zu suchen haben. „Thank you, Augusta, for changing my life“ – ich weiß, das war jetzt pathetisch, aber auf Englisch klingt das einfach viel schöner … GT
ich nicht. Dieses eine Mal allerdings wage ich eine (garantiert einmalige) Ausnahme. Viel leicht, weil mir die absurde Schönheit des Ortes, an dem ich diese Zeilen verfasse, zu Kopf gestie gen ist. Oder ist eines der unzähligen Pimento Cheese-Sandwiches schuld? Ganz egal, heute schreibe ich mal einen Liebesbrief! Doch keine Angst, das nun folgende Mischwerk, zu gleichen Teilen bestehend aus Fakten, pathe tischen Gefühlsreflexionen und „mein schöns tes Ferienerlebnis“, richtet sich nicht an Sie, liebe Leser. Vielmehr ist er für Augusta … Nach knapp 20 Jahren als Golfjournalist durfte ich dieses Jahr erstmals vom Masters berichten. Und ich gebe es ehrlich zu, so aufgeregt wie vor dieser Reise war ich selten. Lautet doch ein guter Rat „never meet your heroes“! Zu groß ist die Gefahr, dass sich eine vermeintliche Legen de im Handumdrehen selbst entmystifiziert. Ein erstes Gefühl dafür, wie groß die Begehr lichkeiten hinsichtlich des Vor-Ort-Erlebnisses eines Masters wirklich sind, bekam ich anhand des gigantischen Staus in und rund um den Augusta National, der am frühen Montagmor gen sämtliche Zufahrtsstraßen lahmlegte. Dabei ging es an diesem Tag doch nur darum, den Golfstars beim launigen Trainieren zuzuschau en – ohne jedweden sportlichen Nährwert. Zudem hatte die Mehrzahl der Besucher, die sich wie Ameisen über die Anlage verteilten, bei der alljährlichen Ticketlotterie das Privileg gewonnen, eine Eintrittskarte für nur einen einzigen Tag zu erstehen. Und obwohl sie den eigentlichen Turnierverlauf letztlich doch nur vom Fernseher aus erleben würden, nahmen sie dankbar teils gewaltige Kosten und Reisestrapa zen für dieses kurze Vergnügen auf sich. Denn aufgrund der gewaltigen Nachfrage nach Ein trittskarten, könnte dies die einzige Möglichkeit sein, jenes Wunder zu erblicken, welches der große Bobby Jones vor knapp 90 Jahren in Augusta erbauen ließ.
GÖTZ SCHMIEDEHAUSEN Ambitionierter Hcp-8,2-Golfer mit einem Hang zu unverblümter Meinungsäußerung
„Wenn man einfach mal im Augenblick verweilt, hat man eine Chance, zu begreifen, warum dieses Areal fraglos die größte Bühne des Golfsports darstellt ...“
40 GOLF TIME | 2-2023
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