Cellitinnen-02-2023_Einzelseiten

einfach kompetent

der Umgebung der Einrichtung ein Psychotherapeut ist, um diesen zu ermuntern, einen Bewohner zu be handeln. Ein Psychotherapeut, der einen Be wohner behandeln will, benötigt hierfür Kenntnisse in der Gerontolo gie und den Besonderheiten in der Alterspsychotherapie sowie Wissen über mögliche Einflüsse einer Insti tution auf die Behandlung. Er muss auch bedenken, dass er Gast bei ei nem Bewohner ist, also in einer ihm nicht vertrauten Umgebung thera piert. Der Psychotherapeut wird mit der realen und sozialen Welt des Be wohners konfrontiert, die in ihm As soziationen auslösen kann und die er berücksichtigen muss. So gesehen können Bewohner, Insti tution und Psychotherapeut profitie ren: - der Bewohner, dessen Störung be handelt und verringert wird, - die Institution, die eine Stabilisie rung des Bewohners und seines verbesserten Umgangs mit Ande ren wahrnehmen kann und - der Psychotherapeut, der von der Lebenserfahrung eines alten Men schen lernen kann und Altern bes ser verstehen lernt. Viele empfinden ihre psychische Stö rung wie einen Käfig, in dem sie sich ohne professionelle Hilfe regelrecht quälen. Psychotherapie ist immer eine Reise in neue, bisher verschüt tete Lebensbereiche. Der Klient kann durch sie Lebensfreude und Lebens qualität zurückgewinnen. Diese Chance sollte man keinem Bewoh ner verwehren. (Prof. Dr. Dr. Rolf D. Hirsch)

Besonders eklatant ist dies bei Men schen in Senioreneinrichtungen.

Bekannt ist, dass Bewohner von Al tenpflegeinrichtungen sehr häufig unter psychischen Störungen wie Depressionen, Angst- und Anpas sungsstörungen, somatoformen Störungen sowie akuten und post traumatischen Belastungsstörun gen, die mit einem hohen Leidens druck einhergehen, leiden. Viele Betroffene mit diesen Stö-rungs bildern sind psychotherapeutisch behandelbar. Dennoch wird eine psychotherapeutische Behandlung nicht in Betracht gezogen, und das, obwohl eine Medikamentengabe allein kaum erfolgreich ist und auf grund der Multimorbidität uner wünschte Nebenwirkungen nicht selten sind. Eine psychotherapeutische Be handlung eines Bewohners bedarf gründlicher Überlegungen, die sich nicht nur auf den Bewohner, son dern auch auf die Einrichtung sowie den Psychotherapeuten beziehen. Sehr sorgfältig sind im Vorfeld Indi kation und Motivation eines Patien ten zu überprüfen. Inwieweit kann er sich vorstellen, dass eine Psycho therapie ihm helfen kann? Hilfreich kann hierbei die Unterstützung durch den Hausarzt, die Mitarbeiter der Einrichtung sowie die Angehö rigen sein. Kann das Therapieziel in einem solchen Behandlungsset ting erreicht werden? Jeder Patient braucht eine auf ihn, seine Störung und seine Bedürfnisse individuell ausgerichtete Psychotherapie. Dies kann eine Kognitive Verhaltensthe rapie oder eine psychodynamische Psychotherapie sein. Sinnvoll ist es,

Prof. Dr. Dr. Rolf D. Hirsch

im Rahmen einer praxisorientierten Mitarbeiterfortbildung darzustellen, was durch eine Psychotherapie bei Bewohnern erreicht werden kann, wie diese Behandlung durchgeführt wird und welche Rahmenbedingun gen hierfür förderlich sind. Da eine aufsuchende Psychothera pie in der Psychotherapie-Richtlinie in Deutschland immer noch nicht vorgesehen ist, anders als zum Bei spiel in Österreich, bedarf es einiger Bemühungen durch den Psycho therapeuten, dies doch zu ermögli chen. Bisherige Erfahrungen hierzu sind durchaus positiv. Zudem ist zu berücksichtigen, dass ein niederge lassener Psychotherapeut im Stun dentakt behandelt und Wegegeld, aber bisher keine Wegezeiten finan ziert bekommt. Hilfreich ist daher, wenn die Einrichtungsleitung oder der Hausarzt sich erkundigen, wo in

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