Blickpunkt Schule 3/2021

ßend Fördermaßnahmen zu ergreifen, um den Schülerinnen und Schülern die erfolgreicheTeilnahme in der nächsten Jahrgangsstufe zu ermöglichen, was ja vorher als Voraussetzung für eine Pä- dagogische Versetzung schon unter- stellt wurde. Mit Verlaub, das verstehe ich mit meinem normalen Verstand nicht mehr. Wenn dies zumNutzen der betroffe- nen Schülerinnen und Schüler wäre, könnte ich gelassen über diese aus meiner Sicht verdrehte Sichtweise hin- wegsehen. Dem ist aber mitnichten so. Im gegliederten Schulsystem sind Bin- nendifferenzierungen nur bedingt möglich. Das Unterrichten auf ver- schiedenen Niveaustufen ist nicht ziel- führend, weil am Ende eines Schuljah- res festgestellt werden muss, ob eine Beschulung im gleichen Bildungsgang auch in der nächsthöheren Jahrgangs- stufe erfolgreich möglich sein wird. Auch für Laien müsste verständlich sein, dass eine erfolgreiche Mitarbeit bei mangelhaften Leistungen in meh- reren (Haupt-)Fächern kaummöglich sein dürfte. Dass aber ausgerechnet das zuständige Fachministerium sug- geriert, dies sei durch Fördermaßnah- men neben dem regulären Unterricht in absehbarer Zeit zu leisten, ist schon grotesk. Völlig befremdlich wird diese Haltung dann, wenn in einer Mitteilung des Hessischen Kultusministeriums er- klärt wird, dass diese Fördermaßnah- men problemlos von Abiturienten (sic!), Lehramtsstudierenden und pen- sionierten Lehrkräften geleistet wer- den könnten. Das schlägt nun wirklich dem Fass den Boden aus. Pensionierte Lehrkräfte könnten diese Aufgabe na- türlich bewältigen, aber wurden diese gefragt, ob sie hierzu auch bereit wä- ren?Wer soll diese Menschen anspre- chen und rekrutieren?Wer schließt die entsprechenden Arbeitsverträge ab? Dies sind nur einige Fragen, die sich stellen, und ich ahne schon die gene- röse Antwort des Ministeriums: Diese Zusatzaufgaben können die Schulen in eigener Zuständigkeit erledigen. Eben- so können sie den zusätzlichen Unter- richt in allen Klassenstufen und zumin- dest in allen Hauptfächern sowie in den unterschiedlichen Ausprägungen des

gymnasialen Bildungsgangs, der im- mer noch gleichzeitig G8- und G9- Organisationsformen aufweist, organi- sieren. Alles kein Problem, denn es gibt ja schließlich die Ferien, die für die För- dermaßnahmen genutzt werden kön- nen, nur dumm, dass die ersten Ferien erst sechs Wochen nach Schuljahres- beginn liegen. Die Schulleitungen ha- ben aber sicher auch hierfür eine Lö- sung in der Hinterhand. Zurück zu den angedachten Unter- stützungen durch Abiturienten und Lehramtsstudierenden. Allein diese Idee verunglimpft den Beruf der aus- gebildeten Lehrkräfte. Lehrkräfte ha- ben in einer langen Ausbildung gelernt, gezielt Lernentwicklungen zu organi- sieren, Inhalte methodisch-didaktisch aufzubereiten, Leistungen und Leis- tungsdefizite zu diagnostizieren und ganze Klassen oder Lerngruppen mit unterschiedlichen Lernvoraussetzun- gen so anzuleiten, dass nahezu allen Schülerinnen und Schülern der Lern- stoff so vermittelt werden kann, dass sie zumindest ausreichende Leistun- gen erzielen. Besondere Herausforde- rungen werden an Lehrkräfte gestellt, wenn durch gezielte Fördermaßnah- men größere Leistungsdefizite aufge- holt werden sollen. Hierzu bedarf es großer Professionalität. Diese Profes- sionalität ohne weitere Prüfung Abitu- rienten und Lehramtsstudierenden zu- zuschreiben ist ein Schlag ins Gesicht eines ganzen Berufsstandes. Zurück zu der Frage, ob die Regelun- gen des Erlasses wenigstens den Schü- lerinnen und Schülern nutzen. Meine Antwort darauf ist eindeutig. Vielen Schülerinnen und Schülern wird diese automatisierte Versetzung eher scha- den, weil es unmöglich sein wird, den Lernstoff eines ganzen oder halben Jahres parallel zu der Erarbeitung des neuen Lernstoffes der neuen Jahr- gangsstufe nachzuarbeiten. EineWie- derholung der Jahrgangsstufe böte hier sicher eine solidere Grundlage. Von dieser Möglichkeit machen leider nur wenige Eltern Gebrauch. Aber all dies ist ja den Verantwortli- chen imHessischen Kultusministerium durchaus bewusst und das ist die ei- gentlicheTragik. Christof Ganß

Impressum

72. Jahrgang | ISSN 0723-6182 Verleger: Hessischer Philologen- verband e.V. Die Zeitschrift »BLICKPUNKT SCHULE« des Hessischen Philologenverbandes erscheint fünfmal im Jahr 2021. Der Hessische Philologenverband ist der Gesamtverband der Lehre- rinnen und Lehrer an den Gymna- sien in Hessen sowie der an ande- ren Schulformen tätigen Philolo- gen. Er ist der Fachverband im Deutschen Beamtenbund, Lan- desbund Hessen (dbb), er ist dem Deutschen Lehrerverband Hessen (dlh) und durch den Deutschen Philologenverband (DPhV) dem Deutschen Lehrerverband (DL) angeschlossen. Für den Inhalt verantwortlich: Der Vorstand des Hessischen Philologenverbandes. Chefredaktion: Christof Ganß (V.i.S.d.P.) Dr. Iris Schröder-Maiwald eMail: blickpunkt-schule@hphv.de Mit dem Namen der Verfasser gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Hessischer Philologenverband e.V. Geschäftsstelle: Schlichterstraße 18 65185 Wiesbaden Tel.: 06 11 / 30 74 45 Fax: 06 11 / 37 69 05 eMail: hphv@hphv.de Web: www.hphv.de Bank: Volksbank Odenwaldkreis BIC: GENODE51 MIC IBAN: DE30 5086 3513 0004 3579 73 Der Verkaufspreis ist durch die Mitgliedsbeiträge abgegolten. Verlag und Anzeigenverwaltung: Pädagogik & Hochschulverlag Graf-Adolf-Straße 84 40210 Düsseldorf www.dphv-verlag.de Anzeigenverwaltung: Tel.: 02 11 / 3 55 81 04 Fax: 02 11 / 3 55 80 95 eMail: dassow@dphv-verlag.de Satz und Layout: Tel.: 02 11 / 1 79 59 65 Fax: 02 11 / 1 79 59 45 eMail: heinemann@dphv-verlag.de

Klartext

9

SCHULE

Made with FlippingBook Learn more on our blog