Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 3/2016 (November 2016)

SUCHT UND DROGEN

Sucht und Drogen – Ein Update

Im Jahr 2015 startet in Nordrhein- Westfalen der Aktionsplan Sucht als Nachfolge des Landeskonzepts gegen Sucht. Anlass genug, sich wieder einmal genauer mit dem Thema Sucht und Abhängigkeit auseinanderzusetzen. Der nachfol- gende Artikel gibt Ihnen die Mög- lichkeit, sich über verschiedene Suchtformen, Suchtprobleme in be- stimmten Zielgruppen, Therapiean- sätze, aber auch einige Besonder- heiten wie Neuroenhancement oder Magic Mushrooms zu infor- mieren. Sucht ist nach Definition der WHO ein Zustand periodischer oder chronischer Vergiftung, der schädlich für den Einzel- nen und/oder die Gesellschaft ist und der durch den wiederholten Genuss einer natürlichen oder synthetischen Substanz hervorgerufen wird. 1 Man unterscheidet zwischen physi- scher und psychischer Abhängigkeit (zu den Symptomen vgl. Tabelle 1); oft treten aber beide Formen der Abhängigkeit in Erscheinung. Fast alle suchterregenden Substan- zen beeinflussen das Belohnungszentrum im Gehirn in der VTA-Region (ventral teg- mental area) und dem Mandelkern (Nuc- leus accumbens). In diesen Gehirnarealen sitzt das Verarbeitungszentrum für Hun- ger, Durst und Sexualität. Durch eine Er- höhung der Konzentration von Dopamin

Dr.SylviaPrinz(Münster)leitetdie AbteilungWeiterbildung der Apo- thekerkammer Westfalen-Lippe. Dr. Constanze Schäfer (Düssel- dorf) ist Leiterin der Abteilung Aus- und Fortbildung der Apothe- kerkammer Nordrhein.

Dr. Sylvia Prinz

Dr. Constanze Schäfer

weshalb es häufig zu Rückfällen kommt. Deshalb wird in Fällen der Opiatabhängig- keit häufig mit Substitutionsmitteln wie Methadon, L-Polamidon oder Buprenor- phin gearbeitet. Die Zahl der Rauschgifttodesfälle ist seit 2009 deutlich rückläufig, so verstar- ben an den direkten Folgen des Rausch- giftkonsums 2012 noch 944 Menschen, während im Jahr 2009 insgesamt 1.331 Drogentote zu beklagen waren. 2 Doch nicht nur illegale Drogen, son- dern auch Tabak, Alkohol und Arzneimit- tel bergen gesundheitliche Risiken und steigern das Morbiditäts- und Mortali- tätsrisiko. Aktuelle Daten zu Substanzen- Missbrauch und -Abhängigkeit liefert die Deutsche Hauptstelle Sucht (DHS). Es wird bei substanzgebundenen Süchten zwi- schen Alkohol, Tabak, Medikamenten und illegalen Drogen unterschieden. Außer- dem veröffentlicht die Deutsche Haupt- stelle Sucht auch Daten zu Essstörungen und Glücksspielsucht. In Tabelle 2 sind ei- nige aktuelle Zahlen zu substanzgebunde- nen Süchten zusammengestellt. In der Apotheke spielt insbeson- dere das Thema Arzneimittelmiss- brauch eine wichtige Rolle. Nach Apothekenbetriebsordnung hat das phar- mazeutische Personal einem Arzneimit- telmissbrauch entgegenzutreten. Zu den Substanzen, die eine erhöhte Sensibilität Arzneimittelmissbrauch

im neuronalen Spalt in dieser Region, durch verstärkte Ausschüttung oder ver- langsamte Wiederaufnahme, vermitteln Drogen ein Glücksgefühl und damit das Wohlbefinden. Ecstasy, Kokain und Crack blockieren beispielsweise die Recycling- pumpe. Fast alle Suchtauslöser führen zu einer dauerhaften und mit geeigneten diagnostischen Methoden auch sichtba- ren Veränderungen dieser Hirnstrukturen, so dass sich ein unüberwindbarer Zwang entwickelt, weiterhin das Suchtmittel zu konsumieren. Diesen Prozess des „Sucht- lernens“ bezeichnen Experten als Cra- ving. Das so aufgebaute Suchtgedächtnis muss im Rahmen einer Therapie beim Entzug überwunden, eine Entkopplung der Verknüpfung zwischen Droge, Beloh- nung und Wohlgefühl erreicht werden – eine komplexe und langwierige Aufgabe,

TABELLE 1: Kriterien physischer bzw. psychischer Abhängigkeit

Psychische Abhängigkeit

Physische Abhängigkeit

• Leben dreht sich nur noch um Substanzgebrauch • Dosis des Suchtmittels muss ständig gesteigert wer- den (Kontrollverlust) • Toleranzentwicklung • Körperlicher Entzug beim Absetzen: · Schweißausbrüche

• Innerer Zwang der Wiederholung • Kaum körperliche Entzugssymptome beim Absetzen • Symptome beim Absetzen häufig psychoso- matischer Natur

· Zittern · Unruhe · Durchfall · Durst · Starke Schmerzen

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