Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 3/2016 (November 2016)

DR. SYLVIA PRINZ / DR. CONSTANZE SCHÄFER

TABELLE 2: Aktuelle Zahlen zu substanzgebundenen Süchten

Suchtrisiko angesprochen werden. Falls Patienten ihren Arzneimittelmissbrauch verschleiern möchten, versuchen sie das Präparat von verschiedenen Ärzten ver- ordnet zu bekommen, allerdings besuchen sie häufig weiterhin ihre Stammapotheke. Fällt in der Apotheke solch ein Verhalten auf, sollte Rücksprache mit dem bzw. den verordnenden Ärzten gehalten werden. Gelegentlich fälschen Patienten sogar die Rezepte. Dextromethorphan (DMX) hat vor allem in Kombination mit CYP-2D6-In- hibitoren oder rezeptfrei erhältliche An- tihistaminika eine euphorisierende und halluzinogene Wirkung. Dies wird auch im Internet in einschlägigen Foren 3 diskutiert. Da vor allem Jugendliche diese Kombina­ tionen von DMX und z. B. dem inzwischen verschreibungspflichtigen Chinin oder Cimetidin nutzen, ist hier besondere Auf- merksamkeit geboten. Gleiches gilt auch für Loperamid, das inhaliert oder sublingu- al in Kombination mit Chinin oder Verapa- mil eingenommen wird – hier könnte z. B. von einem Familienmitglied eine Tablette in die Hand von Jugendlichen gelangen, wie ein Opiat wirkt. Häufig werden NSAR oder andere nicht verschreibungspflich- tige Schmerzmittel missbräuchlich ein- gesetzt. Folgen können der medikamen- teninduzierte Kopfschmerz, aber auch Nieren- und Leberschäden sein. Ebenfalls nicht unkritisch zu sehen ist die Abhän- gigkeit von lokalen α -Sympathomimetika in Nasensprays, die zum einen Rebound- effekt auslösen können und zugleich das Epithel schädigen. In der Apotheke sollte bei der Empfehlung und Beratung zur Selbstmedikation die so- genannte 4-K-Regelung beachtet werden: 8 • klare Indikation • kleinste mögliche Dosis • kurze Anwendung • kein abruptes Absetzen. Hierbei, aber auch bei der Ansprache und Betreuung von Patienten zum Arz- neimittelmissbrauch ist eine offene und ehrliche Kommunikation wichtig. Ohne eine vertrauensvolle Gesprächsbasis wird sich kaum ein Erfolg einstellen. Wichtig dabei ist, dass keine Schuldzuweisungen erfolgen oder persönliche Ansichten des Beraters einfließen. Fühlt sich der Patient

Männeranteil an Gesamtbevölkerung 18 bis 64 Jahre

Frauenanteil an Gesamtbevölkerung 18 bis 64 Jahre

Gesamtzahl

Prävalenz alkohol- bezogener Störun- gen nach DSM-IV bei Erwachsenen von 18 bis 64 Jah- ren 4 Prävalenz der Tabakabhängigkeit nach DSM-IV bei Erwachsenen von 18 bis 64 Jahren 4 Prävalenz der Medikamentenab- hängigkeit 5,6 Abhängigkeit im Zusammenhang mit dem Konsum der illegalen Drogen Canna- bis, Kokain oder Amphetamine im Alter von 18 bis 64 Jahren 4

Miss- brauch 4,7 % Männer

Gesamtzahl: 1,6 Mio.

1,5 % Frauen

Abhän- gigkeit

Gesamtzahl 1,8 Mio.

4,8 % Männer

2,0 % Frauen

Abhän- gigkeit

Gesamtzahl 5,6 Mio.

12,5 % Männer

9,0 % Frauen

Abhän- gigkeit

Gesamtzahl 1,4 bis 1,5 Mio.

Miss- brauch

238.000

Abhän- gigkeit

319.000

Rahmen liegt, handelt es sich dennoch um eine Sucht, die mit zahlreichen Problemen und Risiken behaftet ist, wie ein erhöh- tes Sturzrisiko vor allem im Alter wegen Sedierung und Muskelrelaxation oder de- menziellen Nebenwirkungssymptomen. Entzugssymptome beim Absetzen sind auch bei Low-dose-Patienten zu beobach- ten – vor allem der sogenannte Rebound- effekt, also ein verstärktes Auftreten der durch die Behandlung reduzierten Angst- und Schlafstörungssymptome. Außerdem steigert ein Teil der Patienten beimAuftre- ten zusätzlicher weiterer psychiatrischer Komorbiditäten eigenmächtig die Dosis und es kommt dann zur Hochdosisabhän- gigkeit. Betroffene Patienten zeigen dabei häufig Persönlichkeitsveränderungen und deutliche Symptome einer sowohl physi- schen als auch psychischen Abhängigkeit. Ebenso besteht für die Z-Substanzen (Zo- piclon, Zolpidem und Zaleplon) ein Abhän- gigkeitsrisiko. Benzodiazepine und Z-Subs- tanzen sollen zulassungsgemäß nur über einen kurzfristigen Zeitraum eingenom- men werden, um eine Suchtentstehung möglichst von vornherein auszuschließen. Deshalb sollte bei der Erstverordnung auf die begrenzte Einnahmedauer, bei der wiederholten Vorlage entsprechender Re- zepte in der Apotheke der Patient auf das

der Apothekenmitarbeiter für eventuelle Missbrauchsrisiken erfordern, zählen stark wirksame Schmerzmittel, Sedativa und Hypnotika, Tranquilizer, Stimulanzien (hier auch an Anorektika denken) oder Substan- zen, die Halluzinationen auslösen können, entweder allein oder auch in Kombination mit anderen Substanzen. Dazu gehören eine Reihe nicht verschreibungspflichti- ger Wirkstoffe wie Dextromethorphan, Loperamid oder Antihistaminika. Besonders schwierig ist die Situati- on bezüglich der Benzodiazepine und der Z-Substanzen. Hier sind vor allem Frauen betroffen. Im Regelfall beginnt der Ein- stieg in die Abhängigkeit im mittleren Lebensalter. Typische Auslöser für die Erstverordnung von Benzodiazepinen sind Schlafstörungen ausgelöst durch das Lee- re-Nest-Syndrom, hohe Belastungendurch die Pflege kranker Angehöriger oder hor- monelle Auswirkungen der Wechseljahre. Die Einnahme von Schlafmitteln ist gesell- schaftlich weitgehend akzeptiert – dies belegt u. a. auch der Song „Das Leichteste der Welt“ von Silbermond“ 7  – und durch die ärztliche Verordnung sogar legitimiert. Es ist eine unauffällige Sucht, die lange unentdeckt bleibt. Wenn es sich in der Regel auch um eine Niedrigdosisabhän- gigkeit handelt, die im therapeutischen

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