Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 3/2016 (November 2016)

DR. SYLVIA PRINZ / DR. CONSTANZE SCHÄFER

Vasodilatation). Ob jedoch tatsächlich die Gedächtnisleistung durch die Einnahme dieser Wirkstoffe gesteigert wird, ist bis- lang nicht eindeutig nachweisbar. 21 Auch Antidepressiva, hier sehr häufig Fluoxetin, werden wegen der Verringe- rung des Schlafbedürfnisses und der stim- mungsaufhellenden Wirkung als Neuro- enhancer eingesetzt. Zusätzlich steigert dieser Wirkstoff die Aggressivität. Ganz ruhig hingegen müssen insbesondere die Streicher im Orchestergraben sein. Gut ein Drittel der Musiker nehmen deshalb Propanolol oder Metoprolol ein. Selbst in medizinischen Lernforen wird unter Stu- denten der Humanmedizin offen über Be- tablocker zur Bekämpfung der Prüfungs- angst diskutiert. 22 Da kaum Studien oder Erfahrungen zum Einsatz der Substanzen als Neuroenhancer bekannt sind, ist auch eine Beurteilung der möglicherweise da- mit verbundenen Risiken schwierig. Im Gegensatz zu einer indikationsgerechten

Anwendung der Wirkstoffe, bei der der Arzt zwischen der gewünschten Wirkung und den damit verbundenen Risiken ab- wägen kann, ist dies beim Einsatz als Life- style-Droge nicht möglich. Das Abhängig- keitsrisiko nimmt von Antidepressiva über Antidementiva, Modafinil, Methylpheni- dat bis hin zu den Amphetaminen zu. Da sich insgesamt eine stärkere Me- dikalisierung der Gesellschaft zeigt, ist es eine Public-Health-Aufgabe dem Neuro- enhancement entgegen zu treten. Neben der Aufklärung über die möglichen Risi- ken, müssen aber auch Work-Life-Balance, Leistungsdruck, Chancengleichheit und Zugang zu Bildung als Präventionsansät- ze durch Politik und Gesellschaft verfolgt werden. Aber auch für die Apotheke ergibt sich aufgrund der Apothekenbetriebsord- nung ein Handlungsbedarf, da es sich um einen Arzneimittelmissbrauch handelt. Für die Anwender besteht schließlich ein nicht unerhebliches Nebenwirkungsrisiko,

meist zur Gewichtsabnahme. Bei Me- thylphenidat handelt es sich um ein in- direktes Sympathomimetikum mit einer hohen Blut-Hirnschrankengängigkeit. Im Rahmen der ADHS-Therapie wird jedoch auch bei längerfristiger Anwendung keine Suchtgefahr beobachtet. Methylpheni- dat hemmt die Transporter für Dopamin und Noradrenalin. Deshalb verbleiben die Transmitter länger im Spalt und können dort Rezeptoren besetzen. Ein erhöhter Dopaminspiegel im synaptischen Spalt sorgt für eine bessere Kurzzeitspeiche- rung von Informationen und beschleunigt die Überführung in das Langzeitgedächt- nis. Gleichzeitig steigert sich durch die ge- ringere Dopaminkonzentration in der Zelle die Konzentrationsfähigkeit. Methylphen- didat bindet zudem an Serotoninrezepto- ren als Agonist am 5-HT1A (bei Stimulati- on: Angstregulation, Blutdrucksenkung, Regulation von Schlaf- und Nahrungs- bedürfnis) und 5-HT2B (bei Stimulation:

TABELLE 5: Beispiele für Naturdrogen und ihre Inhaltsstoffe (neben pharmazeutischer Fachliteratur nach 3,24 ) Drogengruppe Beispiele Hauptinhaltsstoffe Wirkung Sonstiges Nachtschattengewächse Engelstrompete Toloache Bilsenkraut Glockenbilsenkraut Duboisia Tropanalkaloide Atropin Scopolamin Hyoscyamin Halluzinationsmuster: „He- xenflug“; verstärkte sensomo- torische Wahrnehmung

Hohes Vergiftungsrisiko, tiefer Schlaf, oft „Kater“

Kakteen

Peyote (Button, Mescalin- knopf) San Pedro Echonocereus Mamillaria

Mescalin

Optische Halluzinationen, ähnlich LSD Entrückung besondere Farberlebnisse Halluzinationen Myristicin → Methylendioxy- amphetamin (MDA) Elemicin → Trimethoxyam- phetamin (TMA) Safrol → Methylendioxymeth- amphetamin (MDMA = Ectasy) Relativ mildes Halluzinogen Euphorie, Wahrnehmungsver- änderungen Gesteigertes Wohlbefinden Verändertes Zeiterleben psychotrope Wirkung; ähnlich wie Cannabis, erst euphorisie- rend und enthemmend, dann sedierend Traumsequenzen (Fliegenpilz) Mildere Halluzinationen als LSD (Spitzkegeliger Kahlkopf, Magic Mushrooms)

„Kater vor dem Rausch“, z. T. Flashbackpsychosen

Muskatnussgewächse

Muskatnuss

Myristicin Elemin Safrol

Safrol ist lebertoxisch

Cannabis

Cannabis = Blattdroge Marihuana = getrocknete, zerkleinerte blüten- oder früchtetragende Triebspitzen Haschisch = unverändertes Harz

Cannabinoide

Depersonalisierung Flashback-Psychosen möglich

Lysergsäurehydroxyethylamid (Indolalakloide)

Lysergsäureamid

z. B. in Spice

Pilze

Fliegenpilz Spitzkegeliger Kahlkopf Andere Psilocybe-Arten, sog. „Magic Mushrooms“ Krötensekret von Aga-Kröte (Bufo marinus), Erd-Kröte (Bufo bufo), Wechselkröte (Bufo viridis), Kreuzkröte (Bufo calamita)

Muscarin, Ibotensäure, Musi- cimol (Fliegenpilz)

Fliegenpilz-Vergiftungen möglich (tödliche Dosis liegt um 100 g Frischpilz)

Tierische Halluzinogene

Dimethyltryptamin 5-Methoxy-DMT

optische Halluzinationen

Lecken und rauchen

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