BeiratAktuell-48

››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von RA Rüdiger Fritsch Immer Ärger wegen der Fenster – Teil I Zur Umdeutung einer fehlgeschlagener Zuordnung von Fenstern zum Sondereigentum

Die Praxis zeigt, dass bei Wohnungsei- gentümergemeinschaften oftmals erheb- liche Unsicherheit betreffend die Frage besteht, wer für die Instandhaltung und Instandsetzung der im Bereich der ein- zelnen Sondereigentumseinheiten der WEG-Anlage befindlichen Fenster zu- ständig ist und die entstehenden Kosten zu übernehmen hat. Diese Unsicherheit wird dadurch verstärkt, dass vor allem ältere Teilungserklärungen vielfach die Regelung enthalten, dass die sich im Bereich der einzelnen Wohnein- heiten befindlichen Fenster dem Son- dereigentum zuzurechnen sein sollen. Da § 14 Nr. 1 WEG bestimmt, dass der jeweilige Sondereigentümer für die Instandhaltung und Instandsetzung seines Sondereigentums selbst und auf eigene Kosten verantwortlich ist, ergeben sich vielfach Streitigkeiten. Denn der von Instandsetzungsbedarf an „seinen“ Fenstern betroffene Sondereigentümer pocht regelmäßig darauf, dass Fenster doch Gemeinschaftseigentum seien und demgemäß dieWohnungseigentümerge- meinschaft für Gemeinschaftskosten zuständig sei (vgl. §§ 16 Abs. 2, 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG). Nachfolgend soll interessierten Eigentü- mern und Beiräten (an die solche Fragen regelmäßig herangetragen werden) ein Überblick über den derzeitigen Stand der Diskussion in Rechtsprechung und Lite- ratur gegeben werden, um sich besser orientieren zu können. 1. Fenster sind Gemeinschaftseigen- tum Nach ständiger Rechtsprechung und herr- schender Rechtsmeinung sind Fenster, und zwar auch solche, die sich im räum- lichen Bereich einer Sondereigentums- einheit befinden, zwingend und einheit-

lich (also samt des Rahmens, der Vergla- sung, der Innenseiten sowie der Beschlä- ge und der Dreh-/Kippmechanik, etc.) dem gemeinschaftlichen Eigentum zuzu- ordnen, da es sich um wesentliche Ge- bäudebestandteile i.S.d. § 5 Abs. 1WEG handelt, die nicht verändert, beseitigt oder eingefügt werden können, ohne dass da- durch das gemeinschaftliche Eigentum oder ein auf Sondereigentum beruhendes Recht eines Wohnungseigentümers be- einträchtigt oder die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert würde. Des Weiteren handelt es sich im Sinne des § 5 Abs. 2 WEG um solche Teile des Gebäudes, die für dessen Bestand oder Sicherheit erforderlich sind, (vgl.: BGH, Urt. v. 26.10.2012 - V ZR 57/12, ZMR 2013, 454; OLG München v. 23.8.2006 - 34 Wx 90/06, ZMR 2006, 952). Entsprechendes gilt gem. § 5Abs. 1WEG für die mit Fenstern verbundenenAußen- jalousien, Außenrollläden und Markisen (vgl.: KG, Beschl. v. 5.12.1993 – 24 W 2014/93, ZMR 1994, 169; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.8.2006 – 20W 205/05, NJW- RR 2007, 807; LG Bamberg, Urt. v. 17.3.2015 – 11 S 18/14WEG, ZWE 2016, 31; AGWürzburg, Urt. v. 22.1.2015 - 30 C 1212/14 WEG, ZMR 2015, 420). Hieraus ergibt sich zunächst, dass gemäß § 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 2 WEG die Woh- nungseigentümergemeinschaft grundsätz- lich für die Durchführung der Instand- haltung und Instandsetzung der Fenster verantwortlich und zuständig ist, auch wenn sich diese im räumlichen Bereich des Sondereigentums befinden. Die hierdurch entstehenden Kosten sind gem. § 16Abs. 2WEG grundsätzlich von sämtlichenWohnungseigentümern, man- gels Vereinbarung eines abweichenden Verteilerschlüssels untereinander nach

dem Verhältnis der Größe der einzelnen Miteigentumsanteile, zu tragen.

2. Unwirksamkeit der Zuordnung von Fenstern zum Sondereigentum An der vorstehend gewonnenen Erkennt- nis ändert sich auch nichts durch eine in der Teilungserklärung / Gemeinschafts- ordnung enthaltenen Bestimmung, wonach die sich im räumlichen Bereich der jeweiligen Sondereigentumseinheiten befindlichen Fenster, Rollläden und Markisen dem Sondereigentum zuzurech- nen seien. Solche Regelungen, selbst wenn im Rah- men der Teilungserklärung / Gemein- schaftsordnung vereinbart und im Grund- buch eingetragen, sind nämlich nichtig, d.h. rechtsunwirksam. Nach der höchstrichterlichen Rechtspre- chung sind die gesetzlichen Bestimmun- gen des § 5 Abs. 1 u. Abs. 2 WEG zur Abgrenzung des Sonder- vom Gemein- schaftseigentum zwingend und können demgemäß auch nicht durchVereinbarung derWohnungseigentümer im Rahmen der Teilungserklärung bzw. Gemeinschafts- ordnung abgeändert werden. Dementspre- chend besteht natürlich auch keine Be- schlusskompetenz der Eigentümerver- sammlung zur Regelung der Frage, ob Fenster dem Sonder- oder dem Gemein- schaftseigentum zuzuordnen sind; gleich- wohl gefasste Beschlüsse sind schlichtweg nichtig (vgl.: BGH, Urt. v. 26.10.2012 – V ZR 57/12, ZMR 2013, 454; OLG Köln, Beschl. v. 30.8.2000 – 16 Wx 115/00, NZM 2001, 53; Niedenführ/Küm- mel/Vandenhouten, WEG, 12. Auflage 2015, § 5 Rn. 51). Mit der Feststellung, dass eine in der Teilungserklärung / Gemeinschaftsord- nung enthaltene Zuordnung der Fenster im Bereich der einzelnenWohneinheiten

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BEIRAT AKTUELL 48/III-18

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