GOLF TIME 4/2016

TRAINING | SPORTPHYSIO

FAKTOR KRAFT Wie Sie mit weniger Power trotzdem weiter schlagen. Älter iSt besser I n zahlreichen wissenschaftlichen Arbei- ten kann man lesen: „Mit zunehmen- dem Alter nimmt die körperliche Leistungsfähigkeit ab.“ Unser Golfspiel muss deshalb jedoch nicht schlechter werden! Wir haben jetzt mehr Zeit. Endlich können wir uns mit Golf intensiv beschäftigen. Wir bekommen die Chance, sportlich erfolgreich zu sein.

Bernhard Langer ist ein perfektes Beispiel, wie lange man sich im Golfsport im Bereich der Weltspitze halten kann. Dass Golf kein reiner Kraftsport ist, beweist die Physiognomie von hyo Joo Kim

Warum ist Golf die perfekte Sportart? Beim Golf hat Bewegungskoordination einen extrem hohen Stellenwert. Durch verbesserte Be- wegungsdurchführung erhöht sich trotz abnehmender Kraft die Schlagweite. Vergleiche zwischen verschiedenen Sport- arten hinken: Oft wird Golf gleich nach dem Stabhochsprung als eine der technisch schwierigsten Sportarten eingestuft. Es gibt jedoch einen riesigen Unterschied: Wir müs- sen keinen Handstand oder Felgaufschwung beherrschen, wir stehen mit beiden Füßen am Boden und sollten eine gut koordinierte Bewegung durchführen können. Dafür haben wir noch lange die körperlichen Voraus- setzungen. Der Vorteil des zunehmenden Alters ist, dass wir mehr Zeit haben, um die Bewegungen zu üben, der Nachteil, dass uns die Kondition fehlt, so intensiv zu üben wie die Jungen. Zweiteres können wir durch intel- ligentes Training wettmachen. Je genauer wir wissen, worauf es ankommt, umso effizienter wird unsere Vorbereitung. Die Lösung: Wir lernen jene Bewegungsab- folge, bei der wir mit minimalem Krafteinsatz die maximale Leistung erzielen. Zusätzlich achten wir auf gesunde Bewegungsdurch- führung. Die beste Meldung, die uns in unserem Ehrgeiz bestärkt: Um die optimale Bewegung durchzuführen, müssen wir uns nicht unnötig verbiegen. Wir verwenden dieselben physika- lischen Effekte wie die weltbesten Spieler.

on Low Back Pain Research) erhalten. Die- ses Wissen fließt in „Healthy-Swing.at“ ein. Wir optimieren daher den Golfschwung aus physikalischer und funktionell anatomischer Sicht. Was hier so theoretisch klingt, ist bereits in die Praxis umgesetzt. Wir vermeiden Hin- weise wie „Kopf still“ oder „mit dem linken Arm ziehen“. Solche Anleitungen werden meistens falsch verstanden. Wir suchen die Freiheit im Golfschwung und vermeiden ver- krampftes Halten des Schlägers. Wir erklären, welche Effekte den Schläger zum Schwingen bringenundwelcheBewegungendieBelastun- gen minimieren. Dadurch wird das Training leicht, macht Spaß und führt zum Erfolg. Über eines muss man sich jedoch im Klaren sein. So wie ein Sprinter nicht besser läuft, nur weil man ihm sagt: „Setze deine Füße schnel- ler voreinander“, so kann ein Golfer nicht weiter schlagen, nur weil man sagt „schwing deinen Schläger schneller“. Der Sprinter benötigt koordinative Läufe, durch die er sich langsam steigert. Das dauert. Der Golfer benötigt detaillierte Hinweise über die Bewegungsabfolge. Dann kann er mit seinem koordinativen Training beginnen. Der Erfolg stellt sich mit etwas Ausdauer garantiert ein. GT

Seit Jahren führen wir Berechnungen am Golfschwung durch. Die Abstimmungen der Bewegungen aufeinander sind extrem sensi- bel. Winzige Veränderungen rufen oft große Effekte hervor. Wir können hohe Schläger- kopfgeschwindigkeiten mit geringem Kraft- aufwand erreichen. Die Frage ist nur, weshalb sind wir nicht imstande, diese Optimierun- gen selbstständig in unseren Golfschwung einzubauen? Das größte Hindernis scheint zu sein, dass wir unseren Krafteinsatz spüren möchten. Dies gelingt uns am besten, wenn wir gegen einen Widerstand arbeiten. Diesen Wider- stand erzeugen wir mit fehlerhafter Bewe- gungsdurchführung. Somit verschwenden wir unsere Kraft, um Widerstände zu über- winden, die wir selbst erzeugen.

Ein weiterer Teil unse- rer Forschung ist die Beweglichkeit und die Belastung während der Bewegungsdurchfüh- rung. Für die Analyse der Bandscheibenbe- lastung bei Drehbe- wegungen haben wir 1996 eine weltweit hoch angesehene Auszeich- nung (Volvo Award

Dr. ChrisTian haiD Biomechaniker, Universitätsklinik Innsbruck

96

GOLF TIME | 4-2016

www.golftime.de

Made with