Blickpunkt Schule 4/2021
Was lehrt uns die Pandemie?
Editorial
Bild: Fokussiert/AdobeStock
S eit Langem, erst recht aber als Folge der Corona-Pandemie, leben wir mit einer Verschär- fung der Belastungssituation im Lehr- beruf. Lehrkräfte sahen und sehen sich mit schwierigen Rahmenbedin- gungen konfrontiert. Im Unterricht wird getestet (neuerdings ’testheft- basiert‘), systematisch gelüftet, auf Abstände geachtet, so erfordert die pandemieverursachte, stets reflek- tierte Umsicht enorm viel Zeit, Lern- einbußen in der Schülerschaft müssen kompensiert werden: Die Pandemie wird wohl zur Daueraufgabe. Der zeitweilige vollständige Verzicht auf Präsenzunterricht hat ein Debakel offenbart, gerade mit Blick auf die personalen Beziehungen zwischen den Schülerinnen und Schülern sowie den Lehrkräften. Ohne Präsenz und Anleitung einer Lehrkraft gibt es massive Probleme. Von digitalen An- geboten allein kann Schule nicht le- ben, Lernende brauchen den persön- lichen Kontakt, denn ganz zentral ist die Qualität der Beziehung zwischen den Lernenden und Lehrenden. »Un- terricht ist Beziehungssache« , be- tont Michael Felten (2020). Die Effektivität eines aktiven, von der Lehrkraft gemeinsammit den Ler- nenden gestalteten Unterrichts muss konsequent im Blick behalten werden. Schülerinnen und Schüler benötigen gerade heutzutage verlässliche Ord- nungsstrukturen und klare Orientie- rungen beim Lernen (vgl. John Hat- ties Primat der ’Direkten Instruktion’, 2009). So empfiehlt sich nachgerade die Verkleinerung der Lerngruppen , in denen das Feedback durch die Lehrkraft seinen angemessenen Stel- lenwert erhalten kann. Der Wechsel- unterricht in halbierten Klassen war nachgerade ein Erfolgsmodell.
de Kritik ertragen, die sie nicht zu ver- antworten haben. Hier erwarten wir, dass unser Dienstherr dies zur Kennt- nis nimmt und ohne Wenn und Aber hinter uns steht. Unser Verband muss sich personell weiter verstärken . Wir benötigen Lehrkräfte mit verbandsaffiner Moti- vation, mit einem inneren Bezug zur gymnasialen Bildung, damit der Da- seinszweck des Gymnasiums klar im Blick bleibt. Der hphv sollte mit Relevanz punk- ten, mit Kompetenz und mit Empa- thie sowie Integrität . Die Arbeit vor Ort in den Schulgruppen ist die Basis. Hier muss der kollegiale Austausch von Erfahrungen, Erkenntnissen ge- führt, aber auch Unzufriedenheit arti- kuliert und entsprechende Forderun- gen erhoben werden. Angesichts der deutlich angewachsenen weiblichen Präsenz im Lehrberuf ist auf ein stär- keres Engagement von Lehrerinnen zu hoffen, damit die Verbandsarbeit deutlicher auch von der weiblichen Sichtweise geprägt werden kann. Die Mitarbeit in den Bezirks- und Kreis- vorständen sowie in unseren Aus- schüssen bietet eine Chance mitzu- wirken. Wer gymnasiale Bildung zum Maß- stab seiner Arbeit macht, kann als Einzelkämpfer vereinzelt Wirkung er- zielen, aber im Verbund mit Gleich- gesinnten sehr viel mehr erreichen! Die Pandemie hat uns über viele Monate in eine ungewollte Isolation geführt, die uns belastet. Finden wir wieder zusammen, damit Interessen artikuliert und gemeinsam durchge- setzt werden können! Bleiben Sie gesund, zuversichtlich und uns gewogen!
von REINHARD SCHWAB Vorsitzender des Hessischen Philologenverbandes
Schon seit einiger Zeit verzeichnen die Gymnasien hohe Übertrittzahlen, die zu einer bedenklichen Leistungs- streuung führen. Infolge der Pande- mie trat die Inhomogenität der Lern- gruppen deutlich hervor. Die zu er- wartende noch größere Heterogeni- tät darf nicht zulasten des gymna- sialen Leistungsanspruchs gehen, sprich zu einer Senkung des Niveaus führen! Noch nachhaltiger sollten wir die Aussagekraft der Grundschulemp- fehlung ins Spiel bringen, deren Rele- vanz durch verschiedene Studien be- legt wird (vgl. unter anderem die ELE- MENT-Studie von Lehmann). Dieses Thema gilt es aus den pädagogischen Schweigezonen herauszuholen! Bei allem planerischen Bemühen des Hessischen Kultusministeriums – man denke an die kaskadenartigen Hygienepläne : Entscheidend sind die Lehrpersonen und Schulleitungen, die von den Maßnahmen betroffen sind, sie umsetzen, sie quasi zum Leben er- wecken müssen. Notwendig ist es deshalb, diese Personen von Anbeginn an einzubeziehen, eine verträgliche Realisierung abzusichern, Rückmel- dungen aus den Schulen einzuholen. Das gilt auch für die unterrichtlichen Pandemieerfahrungen. Die Umgangsweisen in den Schulen haben sich oft zum Negativen hin ver- ändert, in ’Konfliktsituationen’ müs- sen Lehrkräfte zunehmend verletzen-
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SCHULE
Mit kollegialen Grüßen Ihr Reinhard Schwab
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