Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 1/2015 (Mai 2015)

Problemfall Teilbarkeiten

tisch geteilt werden, um der Anordnung des Arztes nach einer halbierten (gedrit- telten, geviertelten) Tablette zu entspre- chen oder weil der Patient aufgrund von Schluckbeschwerden keine ganzen Ta- bletten einnehmen kann. Nicht selten werden auch halbe Kapseln verordnet. Hersteller geben mitunter an, dass die auf der Tablette befindliche Bruchrille nur zur Erleichterung der Einnahme dient und nicht zur Aufteilung in gleiche Dosen ge- eignet ist. Diese Information wird vom Patienten (und gerne auch vom Arzt) ent- weder übersehen oder als nicht relevant abgetan. Bei manchen Präparaten finden sich sogar irritierende Schmuckkerben, die eine Teilbarkeit suggerieren, hierfür aber nicht vorgesehen sind, auch nicht zur Erleichterung der Einnahme. Dies al- les kann der Patient nicht wissen! Ferner kann ein Verlust der Wirksamkeit bei der Teilung von Präparaten beobachtet wer- den, die einen hydrolyse-, licht- oder oxi- dationsempfindlichen Wirkstoff enthal- ten und die nach der Teilung länger ge- lagert werden (Beispiele siehe Tab. 2). Ta- bletten sollten daher immer erst kurz vor der Einnahme geteilt werden. Risiken für eine erfolgreiche Arzneimitteltherapie bestehen aber insbesondere auch, wenn der Patient nicht in der Lage ist, eine ex- akte Teilung durchzuführen. Um Tablet- ten teilen zu können, bedarf es nämlich einiger wichtiger Fähigkeiten, die oft un- terschätzt werden. Hierzu zählen ausrei- chendes Sehvermögen, Koordination, Fin- gerkraft und Kognition. Fähigkeiten, die insbesondere bei älteren Patienten nur noch eingeschränkt vorhanden sind. Teil- bare Tabletten werden dann unter groß- en Anstrengungen der Patienten zu Brö- seln oder ungleichen Bruchstücken zer- teilt. Patienten verzweifeln darüber, trau- en sich aber unberechtigterweise nicht, dem Arzt oder Apotheker gegenüber ih- re „Unfähigkeit“ einzugestehen und nach Lösungen zu fragen. Zu guter Letzt hat das Teilen von Tabletten oder die Ein-

entsprechende Schutzvorrichtungen (Mundschutz, Handschuhe, keine Zu- bereitung durch Schwangere) einzu- halten sind. • Angehörige könnten ein Präparat mit hydrolyse- oder oxidationsempfind- lichem Wirkstoff teilen und es aus Un- wissenheit über den Wirkverlust für ei- ne Woche im Voraus stellen. • Patienten könnten zur Teilung von Ta- bletten ungeeignete Techniken oder Instrumente anwenden. Alle Beispiele zeigen Risiken für die AMTS im Bereich „Teilen von Arzneimittel“ auf, die vermutlich eher die Regel als die Aus- nahme sind. Denn welcher Angehörige ist sich über Lagerungsinstabilitäten geteil- ter Tabletten und einhergehender Quali- täts- und Wirksamkeitsverlusten bewusst und welche Pflegekraft trägt wirklich ei- nen Mundschutz beim Teilen von Tablet- ten? Hier entstehen Fehler aus Unwissen- heit, die sich durch entsprechende Aufklä- rung und Ratschläge adressieren lassen. Das Teilen von Arzneimitteln stellt immer noch ein gemeinhin unterbewertetes Ri- siko dar. Es ist nämlich meist nicht offen- sichtlich, welche Risiken aus unsachgemäß geteilten Arzneimitteln erwachsen kön- nen oder welche Schwankungen in der Wirkung – im Extremfall können Überdo- sierung oder annähernde Wirkungslosig- keit beobachtet werden – auf eine inadä- quate Teilung zurückzuführen sind. Ge- fürchtet ist das sogenannte Dose-Dum- ping, also eine unbeabsichtigte Freiset- zung des kompletten Wirkstoffdepots ei- ner retardierten Formulierung innerhalb kurzer Zeit, anstatt einer kontrollierten Wirkstoffabgabe über einen verlänger- ten Zeitraum. Patienten zeigen aufgrund der veränderten Freisetzungskinetik und den resultierenden höheren systemischen Wirkspiegeln Symptome einer Überdosie- Unterbewertetes Risiko

Abbildung 1: Kapseln dürfen nicht geteilt werden.                               Foto: Fotolia / VIPDesign

rung (z. B. Schwindel bei Blutdrucksen- kern, Atemdepression bei Opioiden). Ge- rade bei Opioiden kann das Dose-Dum- ping relevante Auswirkungen haben. Wie kann es dazu kommen? Sehr schnell, z. B. bei einem Präparatewechsel. So sind einige Oxycodon-Retardtabletten teilbar (z. B. Oxycodon-HCl-ratiopharm® 20 mg Retardtablette), andere wiederum nicht (z. B. Oxycodon-HCl HEXAL® 20 mg Re- tardtablette). Wechselt der Patient von einer teilbaren auf eine nicht teilbare Ta- blette (oder gar eine Kapsel) und führt wie gewohnt die Teilung durch, kommt es zum gefährlichen Dose-Dumping. Dieser Medikationsfehler, seine unerwünschten Wirkungen und Schädigungen für den Pa- tienten wären vermeidbar. Für den Patienten ist es meist nicht er- sichtlich, welche Tabletten geteilt wer- den dürfen und welche nicht. Die Ge- brauchsinformationen geben hierzu nur manchmal Auskunft, sofern sie vom Pa- tienten gelesen werden. Meist orientiert sich der Patient an dem Vorhandensein ei- ner Bruchrille, was aber nicht ausschließt, dass auch Tabletten ohne Bruchrille unkri- Die Sicht des Patienten

14 Fortbildung aktuell – Das Journal der Apothekerkammer Westfalen-Lippe

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