Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 1/2015 (Mai 2015)

Der Chemie(un)fall in der Apotheke

Sicherheitshinweis Sollte die Pikrinsäure kristallisiert sein, wird folgende Vorgehensweise emp- fohlen: 33 Kristallisierte Pikrinsäure in Behält- nissen aus Glas oder Kunststoff soll zunächst vorsichtig kopfüber in den Abzug gestellt werden und mit einer Pipette Wasser in den Gewindebereich getröpfelt werden, um sicherzustellen, dass eventuelle Pikrinsäurereste im Gewinde feucht sind. Das Gefäß soll mindestens über Nacht stehengelassen werden, damit das Wasser das Gewin- de durchfeuchten kann. Anschließend kann es geöffnet, das Gewinde und der Verschluss sorgfältig gereinigt, die Masse der Pikrinsäure durch Dif- ferenzwägung ermittelt und Wasser entsprechend 33 % der Masse ergänzt werden. Phlegmatisierte Substanzen dürfen vor ihrer Verwendung keinesfalls im Tro- ckenschrank getrocknet werden!

deutsche-apotheker-zeitung.de/spektrum/ news/2013/09/24/cresylsaeureunfall-in-hildes- heimer-apotheke/11086.html, letzter Abruf: 09.03.2015. 3 A. Schmidt, Apotheke entsorgt Altbestän- de, Memmingen, 04.05.2012, http://www. deutsche-apotheker-zeitung.de/spektrum/ news/2012/05/04/apotheke-entsorgt-altbestaen- de/7161.html, letzter Abruf: 09.03.2015. 4 DAZ.online, Memmingen, 02.02.2015 Bewäh- rungsstrafe im Memminger Giftalarm-Prozess, letzter Abruf: 04.05.2012. 5 J. Hähndel, Deutschland in der Pikrinsaurehysterie – oder: Stenkelfeld ist uberall, CHEMKON, 15 (2008) 194-195. 6 M. Kleinrensing, ABC-Alarm in Hagener Apo- theke, 27.09.2012, http://www.derwesten.de/ staedte/hagen/abc-alarm-in-hagener-apotheke- id7140305.html – plx1760120190, letzter Abruf: 10.03.2015. 7 Hedinger, Kaliumaluminiumsulfat, Sicher- Fazit Der alltägliche Umgang mit gefähr- lichen Stoffen, sei es im Schul-, Hoch- schul- oder Apothekenlabor, birgt grundsätzlich Gefahren. Es kann sich immer etwas Unvorhergesehenes er- eignen. Zwar wird der Umgang mit den unterschiedlichsten Stoffen im Labor- und Apothekenalltag durch eine Viel- zahl von Gesetzen, Vorschriften und Richtlinien genau geregelt. In erster Linie tragen aber eine solide fachliche Qualifikation verbunden mit gründ- lichen Kenntnissen der Substanzeigen- schaften dazu bei, das Gefahrenpo- tenzial beim Umgang, der Lagerung, dem Transport und der Entsorgung einzuschätzen und nicht zuletzt ent- sprechende spezifische Maßnahmen bei unbeabsichtigter Stofffreisetzung zu ergreifen. In den seltensten Fällen wird es daher notwendig sein, beim Umgang mit den üblicherweise kleinen Mengen gefährlicher Stoffe im Labor etwa einen Großeinsatz diverser Ret- tungskräfte auszulösen. Stets gilt es, die Ruhe zu bewahren und besonnen zu handeln. Durch geeignete stoffspe- zifische (Art?, Menge?) Maßnahmen dürften sich – wie an einigen Beispielen aufgezeigt – die meisten „Chemie(un) fälle“, in der Apotheke sicher beherr- schen oder im Vorfeld vermeiden las- sen.

Abbildung 17: Strukturen zu phlegmati- sierender Substanzen.

Abbildung 18: Zum Teil ältere, zu phleg- matisierende Reagenzien.

der „Sprengstoff im Apothekerschrank“ (die Presse berichtete) dient der Herstel- lung gut kristallisierender, schwer lös- licher und scharf schmelzender Pikrate (Pikratschmelzpunkte). Als Monographie im Arzneibuch findet sich außerdem das topische Akne-Thera- peutikum (Di-)benzoylperoxid (Wasser- haltiges Benzoylperoxid), ein organisches Peroxid. Die USP und auch die Ph. Eur. be- schreiben Explosionsgefahr bei Tempera- turen > 60 °C. 34 Die Substanz wird daher zur Verwendung in pharmazeutischen Zubereitungen mit 25 % Wasser ebenfalls phlegmatisiert.

gehalt regelmäßig überprüft werden.

Das 2,4-Dinitrophenylhydrazin diente dem Nachweis von Carbonylgruppen über die Bildung scharf schmelzender Hydrazo- ne.

Die bitter schmeckende (pikros = bitter), stark saure (pKa = 1,02) Pikrinsäure 32 ,

Entsorgungshinweis Bezüglich des Dibenzoylperoxid gilt, dass einmal verwendete Substanz nicht mehr ins Gefäß zurückgegeben wer- den darf. Man zerstört Restmengen mit verdünnter Natronlauge (10 %ig) und überprüft mit einigen Kristallen Natriumiodid nach Ansäuern mit ver- dünnter Salzsäure (7,3 %ig). Es darf kein Iod mehr freigesetzt werden. 34

Referenzen & Literatur

1 Festschrift 100 Jahre WDT, www.wdt.de/ files/100_Jahre_WDT.pdf?PHPSESSID_netsh7021 9=51a31a8e0189cdb876e1f5d67bd3a35b, 2004, S. 41. 2 J. Ziegler, Cresylsäureunfall in Hildesheimer Apotheke, Berlin, 24.09.2013, http://www.

32 Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe F rtbildung aktuell – Das Journal Nr. 1/2014 der Apoth kerkammer Westfalen-Lippe 32 – as r al de Apothek k mmer Westfalen-Lippe

Made with