Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 1/2015 (Mai 2015)

Prof. Martin Smollich

Wirkungen im Fokus der Aufmerksamkeit standen, rückt zunehmend ihre Bedeu- tung für kognitive Funktionen und neu- rodegenerative Krankheitsbilder in den Vordergrund. Da die Prävalenz dieser Er- krankungen seit Jahren zunimmt, wird in Zukunft auch verstärkt die Rolle der ω 3- Fettsäuren in diesem Zusammenhang dis- kutiert werden. ω 3-Fettsäuren sind essen- zielle Bestandteile für den Aufbau, die Reifung und die physiologische Funkti- on neuronaler Strukturen (Abb. 2). 6 Be- reits im dritten Trimenon der Schwanger- schaft kommt es im Rahmen der neuro- nalen Entwicklung zur Akkumulation von DHA im Gehirn des Ungeborenen, und dieser Prozess setzt sich innerhalb der er- sten zwei Lebensjahre weiter fort. Die optimale neuronale Entwicklung ist hier entscheidend von der Zufuhr an langket- tigen, mehrfach ungesättigten Fettsäu- ren (LCPUFA) abhängig. 6 Die wichtigsten LCPUFAs in dieser Reifungs- und Wachs- tumsphase sind DHA und AA, die gestillte Säuglinge ebenso wie andere ω 3- und ω 6- Fettsäuren auch über die Muttermilch er-

bar, wenn die Kontrollgruppe kein Statin erhielt; aufgrund der guten Evidenz für die Wirksamkeit der Statine wäre heute eine Studie gegen Placebo aus ethischen Gründen nicht vertretbar. Das bedeutet: Ein kardiovaskulär günstiger Effekt der ω 3-Fettsäuren ist vor den physiologischen und epidemiologischen Zusammenhän- gen durchaus plausibel, allerdings scheint er gegenüber einer wirksamen Statin- Therapie offensichtlich vernachlässigbar. 2 Da mag es überraschen, dass die aktu- ellen amerikanischen und europäischen Leitlinien noch immer den regelmäßigen Konsum ω 3-Fettsäure-haltiger Lebensmit- tel zur Prävention kardiovaskulärer Er- krankungen empfehlen. Doch auch die- se Empfehlung hat ihre Berechtigung: Fisch besteht nicht nur aus ω 3-Fettsäuren, sondern er kann als Bestandteil einer ab- wechslungsreichen mediterranen Ernäh- rung durchaus zur Kardioprotektion bei- tragen. Denn: Jede Fischmahlzeit ist ein Verzicht auf Fleisch, und eine Reduktion von Fleischmahlzeiten birgt tatsächlich gesundheitliche Vorteile. • Patienten mit Atherosklerose oder weiteren kardiovaskulären Risikofak- toren, die ohnehin eine leitlinienge- rechte Arzneimitteltherapie (Statine, ggf. auch ASS, Betablocker, ACE-Hem- mer) erhalten, haben durch die Sup- plementation mit ω 3-Fettsäuren bei unverändertem Fleischkonsum keinen Zusatznutzen. • Eine grundsätzliche Ernährungsumstel- lung mit vermehrtem Fischverzehr und einer Reduktion der Fleischgerichte ist dagegen sinnvoll. Eine praktische Schlussfolgerung lässt sich daher aus all den Studien ziehen:

halten. Die Phospholipide der Lipiddop- pelschicht neuronaler Zellmembranen enthalten besonders hohe Anteile an DHA, EPA und AA. 6 Das Gehirn eines er- wachsenen Menschen besteht zu 10-15 % aus DHA. Neben dieser integralen Bedeutung ins- besondere von DHA für die Hirnstruktur spielen die ω 3-Fettsäuren auch eine wich- tige Rolle für die normale neurologische Funktion: So sind EPA und DHA an der Bil- dung und Wirkung neurophysiologisch wichtiger Neurotransmitter wie Seroto- nin, Noradrenalin und Dopamin beteili- gt, sie beeinflussen die Membranfluidi- tät, die Anpassungsfähigkeit des Gehirns an äußere Einflüsse (Neuroplastizität), die intrazelluläre Signaltransduktion und die Regulation der neuronalen Genexpres- sion. Zwar stammt der größte Teil dieser Daten aus tierexperimentellen Untersu- chungen, doch neuere Studien mit Men- schen scheinen diese Zusammenhänge bislang zu bestätigen. 7

Abbildung 2: Neurophysiologische Funktionen von Docosahexaensäure (DHA); DHA kann katalysiert durch die Phospholipase A2 (PLA2) aus der Lipiddoppelmembran freigesetzt werden und so die Wirkung verschiedener Neurotransmitter regulieren. Das aus DHA gebildete Neuroprotectin D1 (NPD1) ist ein wichtiger Regulator der neu- ronalen Genexpression. CB 1 : Cannabinoid-Rezeptor 1, D 2 : Dopamin-Rezeptor 2, ZnT 3 : Zink-Transporter 3.

Omega-3-Fettsäuren und Hirnfunktion

Nachdem die ω 3-Fettsäuren bislang we- gen ihrer möglichen kardiovaskulären

Fortbildung aktuell – Das Journal der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 7

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