Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 1/2015 (Mai 2015)

Prof. Martin Smollich

fähigkeit oder einer reduzierten Demenz- häufigkeit gefunden werden. 11 Neben der möglicherweise tatsächlich nicht vor- handen Wirksamkeit der ω 3-Fettsäuren auf den altersbedingten kognitiven Lei- stungsverlust könnte es auch metho- dische Gründe für das bislang negative Er- gebnis geben: Einerseits betrug der Inter- ventionszeitraum nur wenige Wochen bis maximal 24 Monate, andererseits waren die verwendeten Dosierungen sehr unter- schiedlich (DHA: 176-1720 mg/d; EPA: 200- 1500 mg/d). Zukünftige Langzeitstudien mit entsprechend hohen Dosierungen könnten hier validere Aussagen ermögli- chen. Ein weiteres methodisches Problem liegt in der Schwierigkeit, die menschliche „kognitive Leistungsfähigkeit“ valide zu messen. Tatsächlich gibt es zahlreiche un- terschiedliche Testverfahren, die jedoch entweder auf globale kognitive Aspekte oder auf spezifische Einzelfähigkeiten wie Wiedererkennung oder Vokabu- lar abzielen; die Ergebnisse unterschied- licher Testverfahren sind daher kaum zu vergleichen. Epidemiologische Beobach- tungsstudien zum Zusammenhang zwi- schen Ernährungsweise (einschließlich Relation von ω 3/ ω 6-Fettsäuren) gibt es aufgrund methodischer Schwierigkeiten nicht für den Endpunkt des altersabhän- gigen kognitiven Leistungsverlustes, wohl aber für die Alzheimer-Demenz (s. u.). Im Hirngewebe von Alzheimer-Patienten sind nicht nur die Konzentrationen der β -Amyloide erhöht, sondern es sind auch die Konzentrationen von DHA und NPD1 erniedrigt. Dies betrifft vor allem Areale, die an Lernfähigkeit und Gedächtnis be- teiligt sind. 12 Die zahlreichen neurophy- siologischen Erkenntnisse, die die Be- deutung von DHA auf die Alzheimer-Pa- thogenese belegen sollen, stammen aus- schließlich aus Untersuchungen an Maus- modellen. Aus Beobachtungsstudien mit Morbus Alzheimer

Alzheimer-Patienten ist jedoch bekannt, dass möglicherweise ein umgekehrter Zu- sammenhang zwischen der täglich mit der Nahrung aufgenommenen DHA-Men- ge und der Prävalenz der Alzheimer-Er- krankung besteht. Auch gibt es Hinweise darauf, dass die mediterrane Ernährung das Risiko für die Entstehung einer Alz- heimer-Demenz reduzieren könnte. Al- lerdings sind selbst die Ergebnisse die- ser reinen Beobachtungsstudien wider- sprüchlich; die möglichen Zusammenhän- ge sind höchst komplex und können kei- neswegs auf die einfache These „Mehr ω 3-Fettsäuren in der Nahrung entspricht weniger Alzheimer-Erkrankung“ redu- ziert werden. Dies gilt erst recht dann, wenn es um die entsprechende Einord- nung der mediterranen Ernährung geht. Auch zukünftige epidemiologische Studi- en werden hier vermutlich keine wesent- lichen neuen Erkenntnisse beitragen kön- nen, denn nicht nur die Pathogenese der Alzheimer-Erkrankung und die neurophy- siologische Aktivität der ω 3-Fettsäuren sind multifaktoriell verknüpft: Allein auf- grund der zahlreichen heute bekannten Einflussfaktoren und angesichts einer sich über Jahrzehnte erstreckenden Alzhei- mer-Pathogenese dürfte es methodisch praktisch unmöglich sein, eine randomi- siert-kontrollierte Studie zu konzipieren, die alle übrigen Lifestyle-Faktoren außer- halb der ω 3-Fettsäure-Zufuhr konstant hält. Eindeutiger als bei den Beobachtungs- studien sind die Ergebnisse der Inter- ventionsstudien: Sie zeigen einheit- lich keinen Effekt einer ω 3-Fettsäure- Supplementation – weder auf die Alzhei- mer-Neuerkrankungsrate 11 noch auf kli- nisch relevante Endpunkte bei Menschen mit bereits diagnostizierter Alzheimer- Demenz. 13 Die Aussagekraft dieser Ergeb- nisse ist ebenfalls dadurch limitiert, dass auch hier die Interventionszeiträume ma- ximal wenige Monate umfassten. Zukünf-

roplastizität verbessert und die Neubil- dung von Synapsen stimuliert.

Unabhängig davon ist die Studienlage zum möglichen Effekt einer ω 3-Fettsäure- Supplementation auf die kognitive Lei- stungsfähigkeit gesunder älterer Men- schen sehr dürftig. Tatsächlich stammen die verfügbaren Daten zur Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit am ge- sunden Gehirn überwiegend aus tierex- perimentellen Studien. 9 Die verfügbaren Humandaten zum Einfluss der nutritiven DHA-Zufuhr auf die Hirnstruktur zeigen zwar tatsächlich eine Zunahme der grau- en Substanz und ein größeres Hirnvolu- men nach erhöhter DHA-Aufnahme, al- lerdings bleiben diese Studien ohne kli- nisch relevante Endpunkte und beschrän- ken sich auf radiologische Volumenmes- sungen. Interessant ist dennoch, dass die Zunahme der grauen Substanz nach DHA-angereicherter Diät besonders stark die corticolimbische Schleife betrifft, die bei der Generierung und Verarbeitung von Emotionen maßgeblich ist und de- ren Fehlfunktion bei verschiedenen psy- chiatrischen Erkrankungen eine maßgeb- liche pathophysiologische Rolle zu spielen scheint. Parallele Untersuchungen mit ei- ner an trans-Fetten reichen Diät konnten zeigen, dass diese Diätform bei gesunden Erwachsenen zu einer Abnahme der Hirn- volumina und einer beschleunigten Hirn- atrophie führt. 10 Die wenigen Interventionsstudien an Menschen, bei denen dieWirkung von ω 3- Fettsäuren (DHA allein oder DHA+EPA) auf die kognitive Leistungsfähigkeit im Alter untersucht wurde, liefern wider- sprüchliche Ergebnisse. Diese Einschät- zung wird von einer aktuellen und qua- litativ hochwertigen Cochrane-Metanaly- se bestätigt: Bei gesunden Menschen über 60 Jahren konnte keine Evidenz für eine entsprechende Wirksamkeit hinsichtlich einer verbesserten kognitiven Leistungs-

Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 3/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 9 Fortbi dung akt ell – Das Journal der Apoth kerka mer Westfalen-Lippe

Made with