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LANDSCHAFTSLEISTUNGEN

Grünflächen aufgewertet, sodass sie zu einem Mehrwert für die Bevölkerung werden. Dazu gehört zum Beispiel die Renaturierung des Lugibaches. Gestützt auf den im Kulturlandplan festgesetzten Freiraum von 40 Metern wurde der Ge- wässerraum auf 18 Meter Breite festge- legt. Wichtiger ökonomischer Faktor Landschaften sind ein wesentlicher Be- standteil und damit die räumliche Basis der hohen Standortattraktivität der Schweiz. «Wir alle profitieren von Land- schaftsleistungen. Sie stehen uns als vermeintlich kostenloses Allgemeingut zurVerfügung». So beschreibt Roger Kel- ler vomGeographischen Institut der Uni- versität Zürich die Bedeutung von Land- schaften in der Schweiz. Bekanntlich tragen Natur und Landschaft einen wich- tigen Beitrag zur Volksgesundheit bei; Waldspaziergänge etwa wirken sich po- sitiv auf die Gesundheit und Psyche der Menschen aus. Landschaften gelten zu- dem als wichtiger ökonomischer Fak- tor – etwa bei Firmenansiedelungen wie auch aus touristischer und gesundheitli- cher Sicht. Doch wie kann es gelingen, zum Beispiel Akteure aus dem Gesund- heits- und Bewegungsbereich dazu zu motivieren, in Gewässerrenaturierun- gen zu investieren, wenn dadurch die Erholungsleistung für die Bevölkerung steigt? Oder wie zeigt man Unterneh- men, die mit lokaler Verankerung wer- ben, die Bedeutung auf, sich auch für die regionale Schönheit einer Landschaft und damit für die landschaftliche Identi- fikation einzusetzen? Wertschätzung undWertschöpfung «Die jüngsten Ergebnisse der Land- schaftsbeobachtung Schweiz zeigen, dass ein Handlungsbedarf besteht, die Leistungen der Landschaft stärker ins Bewusstsein der Gesellschaft zu rücken und dauerhaft zu sichern», sagt Roger Keller. Mit diesemThema setzt sich auch die Studie des Geographischen Instituts der Universität Zürich im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) ausei- nander: Unter Einbezug des Fachwis- sens von über 40 Expertinnen und Ex- perten ausWirtschaft, Politik, Behörden, Zivilgesellschaft und Wissenschaft wurde untersucht, wie die Wertschät- zung für die Landschaft gestärkt und wie die Wertschöpfung erhalten werden kann. Im Fokus standen dabei die Land- schaftsleistungen «Erholung und Ge- sundheit», «Identifikation und Verbun- denheit», «Ästhetischer Genuss» und «Standortattraktivität», für die die Land- schaftspolitik eine besondereVerantwor- tung trägt.

Wirkung auf das menschliche Wohlbefinden

«Uns war es ein Anliegen, mit dieser Studie dieWirkung von Landschaften auf das menschliche Wohlbefinden zu be- schreiben. Dieses Vorgehen, eine Land- schaft zu beurteilen, unterscheidet sich von den bisherigen, meist naturwissen- schaftlichen Herangehensweisen», sagt Roger Keller. Die Studie betrachte die Landschaft nicht unter einer schützen- den Käseglocke, sondern lege dar, wie wir Menschen von der Landschaft profi- tieren. Mit dem ökonomischen Begriff «Leistung» könne man – so Roger Kel- ler – eine Brücke schlagen zurWirtschaft. Gleichzeitig sei man sich jedoch der Ge- fahr bewusst, dass die Natur über die Sichtweise von «Leistungen» auch mo- netarisiert werden könnte. «Dies ist jedoch nicht unsere Absicht. Vielmehr wollen wir ein Bewusstsein für unter- schiedliche Landschaftsleistungen schaf- fen. Denn oft gehen diese Aspekte in Entscheidungsfindungsprozessen der Politik undWirtschaft unter», begründet Keller. Erfolgreiche Volksabstimmungen wie etwa die Zweitwohnungsinitiative haben laut Keller gezeigt, dass die Werte der Landschaft in der Bevölkerung durchaus breit wahrgenommen und geschätzt werden. «Dies zeigt, wie gross der Ein- fluss von Landschaften auf unsere Emo- tionen und auch auf unsere politischen Entscheidungen sein kann.» In der Stu- die seines Instituts, Abteilung Human- geographie, wurde für jede Landschafts- leistung nach Lösungen gesucht, wie sie anerkannt und gesichert werden kann. Laut der Studie besteht ein Handlungs- bedarf zur Stärkung des Vollzugs, und teilweise fehlt dasWissen oder das not- wendige Engagement, um Landschafts- leistungen angemessen zu berücksichti- gen. «Gerade für Landschaftsleistungen wie Erholung oder Identifikation gibt es in den Gemeinden und Kantonen meist keine Zuständigkeiten», ergänzt Roger Keller. Ferner seien nur wenige Instru- mente zugunsten der Landschaft mit finanziellen Anreizen verknüpft; dies mindere den Stellenwert von Land- schaftsleistungen gegenüber kommer- ziell verwertbaren Nutzungen von Landschaften. Finanzstarke Interessen anderer Sektoralpolitiken wie etwa der Bau- oder Tourismuswirtschaft wirkten sich oft negativ auf Landschaftsleistun- gen aus.Trotzdem plädieren Roger Keller und seinTeam nicht primär für zusätzli- che Instrumente und Gesetze. «Die be- stehenden Instrumente wie zum Beispiel Handlungsbedarf zur Stärkung des Vollzugs

Roland Kuster, Gemeindeammann vonWettingen und Präsident von Baden Regio. Bild: zvg

Luftbild des Limmattals, das sich im Span- nungsfeld zwischen Siedlungsdruck und demWunsch nach grünen Erholungsräu- men bewegt. Bild: zvg

ortattraktivität einer Region ist.» Trotz- dem sei es ein ständiges Ringen um Freiräume. Schliesslich gehe es oftmals auch um Siedlungs- und Gewerbe- flächen, die wiederum finanzielle Mittel für eine Gemeinde generierten. Mit gezielten Massnahmen werden in der Region Limmattal die bestehenden

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SCHWEIZER GEMEINDE 3 l 2018

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