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ZWI SCHEN KRANKENHAUSF I NANZ I ERUNGSGESETZ UND VERBUND ( 1 97 1 -1 994 )

Als im September 1978 das 50-jährige Bestehen des Neubaus von 1928 gefeiert wurde, der nun doch bestehen bleiben sollte, gab es mit der Anäs- thesie unter Chefarzt Dr. Ludwig Wörner sieben Fachabteilungen: Chirurgie (Chefarzt Dr. Johan- nes Dany), InnereMedizin (Dr. MartinOpperskal- ski), Unfallchirurgie (Prof. Harald von Elmen- dorf), Urologie (Dr. Helmut Erkens), Gynäkologie und Geburtshilfe (Dr. Gerd Simons) sowie die Radiologie unter Dr. Wilhelm-Peter Mertin, der zugleich als leitender Arzt des Hospitals fungierte. Die Bereiche Augenheilkunde und HNO waren durch Belegärzte abgedeckt. Oberin des Kranken- hauses war seit 1974 Schwester Gregoria Sieglar, Verwaltungsleiter seit 1976 Heinz-Theo Lercher. Zu dieser Zeit spielten die Ordensschwestern noch eine maßgebliche Rolle in der Hospitalleitung und imKrankenhausalltag. Das Haus beschäftigte Ende der 1970er Jahre rund 350 Vollzeitkräfte, überwiegend in der Pflege. Die Zahl der Ordens- schwestern, die in der Pflege aktiv waren, ging zwar Jahr um Jahr zurück, für die Atmosphäre im Haus blieben sie aber weiterhin wichtig. D I E GUTEN GE I STER DES HOSP I TALS Beim Vorstellungsgespräch oder spätestens bei der Einstellung lernte jede Pflegekraft und jeder Arzt Oberin Schwester Gregoria kennen. Die neu- en Mitarbeiter spürten, dass im St. Vinzenz-Hos- pital das Persönliche und das gegenseitige Ver- trauen zählten, Verträge waren weniger wichtig. In Zeiten knappen Personals stellte Schwester Gre- goria gelegentlich ohne Vorstellungsgespräch ein. Sie begrüßte neueMitarbeiter per Handschlag, der Arbeitsvertrag kam Wochen später per Post. Auch die Ärzte schätzten die Arbeit der Ordensschwes- tern und den familiären Zusammenhalt: Manche Ordensschwester leistete als Stationsschwester Dienst weit über die vorgesehenen Arbeitszeiten hinaus. Mit einer natürlichen Autorität und für- sorglichen Einstellung prägten sie das Haus. Schwester Rita arbeitete zum Beispiel viele Jahre in den Operationssälen. Sie ist vielen in Erinne- rung, weil sie von morgens früh bis tief in die Nacht im OP arbeitete. Sie achtete akribisch auf die Hygiene in den Sälen und auf das Wohl der Patienten. Ärzte, Schwestern und Pfleger versorgte sie mit Pausenbroten und Kaffee, nach der Nacht-

schicht gab es in einem kleinen Nebenraum Früh- stück oder abends eine Flasche Bier. Schwester Monika führte ihre Station „herzensgut“, wie sich Krankenschwestern erinnern, war jedoch auch für ihr Temperament bekannt. Schwester Lucretia dagegen war wegen ihrer Strenge bei den Schwes- ternschülerinnen gefürchtet. Sie bestand darauf, dass männliche Patienten nur von Pflegern gewa- schen wurden. Viele Pflegekräfte schätzten die Mischung aus Autorität und Fürsorglichkeit bei den Ordensschwestern. In Erinnerung geblieben sind Schwester Stefana in der Urologie, Schwester Regina auf der Inneren und Schwester Camilla auf der Station für Gynä- kologie und Geburtshilfe. Letztgenannte begrüß- te 1977 einen 17-jährigen Pflegeschüler, der 1960 im St. Vinzenz-Hospital geboren worden war, mit den Worten: „Ach Jung, du bis evver jroß gewor- den.“ Schwester Matea leitete die Küche und emp- fing Krankenschwestern gerne mit einem „Kind, wat kann ich dir Jutes tun?“. Schwester Anna war Anfang der 1990er Jahre die letzte Hospital- Oberin der Vinzentinerinnen und „klare Chefin im Haus“, wie sich Prof. Dr. Dietmar Pennig erin- nert, seit 1992 Chefarzt für Unfallchirurgie und Orthopädie und seit 2004 ärztlicher Direktor. Die Ordensschwestern prägten das Hospital so sehr, dass Patienten bis heute nach den Vinzentine­ rinnen fragen. Die letzte aktive Schwester war Schwester Hermine, die mit über 90 Jahren einen Bücherwagen durch das Krankenhaus schob, um die Patienten mit Lesestoff zu versorgen. KR ANKENHAUSALLTAG : FAMI L I ÄR UND VERTR AUENSVOLL Die Ordensschwestern trugen wesentlich zum familiären Charakter des St. Vinzenz-Hospitals bei. In den 1980er Jahren war der Krankenhausall- tag noch kaum von Kostendruck bestimmt, es gab mehr Zeit, sowohl für die medizinische Behand- lung wie auch für die Pflege. Krankenhausaufent- halte, die über die Pflegesätze finanziert wurden, waren oft lang: Während die Behandlung einer Blinddarmentzündung heute zum Beispiel etwa drei Tage dauert, waren es damals im Durch- schnitt 14 Tage. Ärzte und Pflegekräfte erinnern sich daran, dass sie viel mehr Zeit hatten, sich um die Patienten zu kümmern, mit ihnen zu sprechen und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.

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