animiert magazin nummer14 sommer

Die Sage vom Uristier ist auch in der 2014 erschienenen Publikation «Sagen und Le- genden aus Engelberg» von Mike Bacher nachzulesen. The legend of the Uri bull can also be found in the newly published book Sagen und Legenden aus Engelberg, by Mike Bacher (in German).

Der Stier vonUri The legend of the Bull of Uri Text: Jon Bollmann; Fotos: Christian Perret

Die Legende vomWappentier der Urner ist eine Art Hollywood-Blockbuster seiner Zeit, die sich aller Klischees der Sagenwelt bedient: Alpen, Frevel, Ungeheuer, Helden, Jungfrauen, Wel- sche, fahrende Schüler, Blitz & Donner. Zudem ist sie eng mit Engelberg verknüpft, denn der Schauplatz des Mythos ist eine ehemalige Alp des Klosters. Aber sehen Sie nur selbst: Lichter aus! «Auf der Surenenalp zwischen Uri und Engelberg lebte einst ein blutjunger Schafhir- te namens Urs im Ried. Die weite Alp gehörte

Doch damit war er zu weit gegangen: als ginge die Welt unter, kam es kohlenschwarz über die Berge. Ungeheuerliche Wolkengestalten mit Köpfen und Armen jagten über den Himmel, es be- gann zu donnern, dass die ganze Erde erbebte, und ein Blitz zerschmetterte die Hütte wie mit einem riesigen Hammer. Und als sich nun der junge Hirt sorgenvoll nach seinem weissen Lämmlein umsah, um es zu retten, da stand stattdessen ein entsetz- liches schwarzes Ungeheuer in den Alpenrosen. Er wollte davonhasten, aber das Ungeheuer stürzte ihm nach, und im Hui war er zerfetzt und zerrissen. Von da an war es einen Spottpreis an die Urner, die aber ebenso vom Greiss geplagt wurden und dachten, ei- nen schlechten Handel getätigt zu haben. Da kam ein fahrender Schüler nach Altdorf, der den Urnern Rat zur Erlösung der Alp bot, wenn sie ihm den Geldbeutel füllen und den Becher sie- benmal mit dickrotemWelschwein ausebnen woll- ten. Als sie's getan hatten, riet er ihnen, sie möchten ein silberweisses Stierkalb aufziehen und es neun Jahre lang mit reiner Milch tränken, und zwar das erste Jahr mit der Milch von einer Kuh, das zweite Jahr mit der Milch von zwei Kühen und so weiter bis auf neun. Dann sollten sie den erwachsenen Stier durch eine reine Jungfrau zu der Alp führen lassen. Alles wurde so ausgeführt wie geraten, und wie die neun Jahre um waren, bot sich die Tochter des Freiherrn von Attinghausen an, die Erlösung der Alp zu vollbringen. Also zog sie eines Tages mutterseelenallein, weiss geklei- det und bräutlich geschmückt auf die Sure- nenalp und führte den silberweissen Stier an einem seidenen Schnürchen hinter sich her. nicht mehr geheuer auf der Alp, denn das grause Unge- tüm, das die Hirten «Greiss» nannten, vertrieb Menschen und Vieh. So verkaufte das Kloster die Surenenalp um

dem Kloster Engelberg und brachte fette Einkünfte in goldgelber Butter und wei- ssem Ziger hervor. Zuweilen schlachtete der junge Schäfer ein Schaf und trug dessen Fell ins Urnertal, wo er aller- lei Sachen dagegen eintauschte.

Die Legende vom Wappentier der Urner ist eine Art Holly- wood-Blockbuster seiner Zeit.

Eines Tages, als er wieder dort war, trieben seltsame Männer aus dem Welschland auserlesen schöne Schafe vor sich her, wie sie der Hirtenbub noch nie gesehen hatte. Besonders ein kleines, schneetaubenweisses Lämmlein gefiel ihm also, dass er nicht mehr davon wegkam und die frem- den Hirten flehentlich bat, sie möchten ihm doch das schöne Lamm schenken. Erst wollten sie nichts davon wissen. Aber endlich sagte ihm ihr Meister, er solle das Lämmlein haben, wenn er aufknie und einen Rosenkranz bete. Willig tat er's, und danach überliess man ihm das weisse Lamm. Darauf kehrte der junge Schäfer flugs nach der Surenenalp zurück und wusste sich vor Freude über das schöne Schaf fast nicht zu fassen. Es musste immer um ihn sein, mit ihm essen und bei ihm schlafen. Er trieb es so weit, dass er eines Nachts nach Attinghausen hin- unterstieg, in der Kirche heimlich Weihwasser schöpfte und zurück auf der Alp das vergöt- terte Tier nach christlichem Brauch taufte.

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