Blickpunkt Schule 5/2023

3. dbb Bundesseniorenkongress am 16. und 17. Oktober 2023 Festvortrag des Altersforschers Prof. Rothermund

I n seinem Festvortrag ‘Altersbilder, Altersnormen, Al tersgrenzen – wie unsere Vorstellungen vom Alter so ziale Teilhabe im Alter beeinflussen’ beschrieb Prof. Dr. Klaus Rothermund sowohl die Vor- als auch die Nachteile, die die Teilhabe für die Akteure und Akteurinnen mit sich bringen könne. Der Altersforscher, der nicht nur Professor für Psychologie an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena, sondern auch stellvertretender Vorsitzender der 9. Altersberichtskommission ist, zeigte sich davon über zeugt, dass soziale Teilhabe im Alter stets von den betrof fenen Personen gewollt und nicht aufgezwungen sein soll te. Es gehe im Kern um Selbstbestimmung. »Die Person muss teilnehmen wollen«, so Rothermund. Zwänge und freie Entscheidungen für oder gegen Teilhabe am sozialen Leben Neben der Teilhabe am sozialen Leben sei es aber ebenfalls legitim, wenn Menschen sich dafür entscheiden würden, sich aus einem Lebensbereich zurückziehen zu wollen. Wer sich etwa beruflich ein Zubrot zur Rente verdienen oder für Angehörige Pflegeleistungen erbringen müsse, sei zur Partizipation gezwungen und vielleicht damit über fordert. Häufig genug betreffe dies Frauen. »Erzwungene Partizipation muss durch staatliche Angebote überflüssig gemacht werden«, forderte er. Altersdiskriminierung hat viele Gesichter und festgefügte Altersnormen Zudem sollten Barrieren und Diskriminierungen abgebaut werden. Beispielsweise dürfe die Digitalisierung nicht zum Zwang werden; die Vielfalt der Angebote (analog und digi tal) müsse erhalten bleiben. Rothermund machte sich au ßerdem für die Abschaffung starrer Altersgrenzen beim Berufsausstieg, aber auch in Ehrenämtern stark. Warum sollte zum Beispiel das Schöffenamt als Ehrenamt – unab hängig von der gesundheitlichen Befindlichkeit (!) und der Motivation dafür im Ruhestand – mit siebzig beendet wer den? Die Zwänge aus festgefügten Alters bildern und Altersnormen aufbrechen Mögliche Gründe für Altersdiskriminierung sieht der Psy chologe in den über die Generationen hinweg existierenden festgefügten Altersbildern : So würden sich Ältere kaum wehren, weil sie oft die diskriminierende Behandlung sogar für normal hielten und nicht infrage stellten, und sie diese, getreu dem Motto ‘Alter ist eine Tatsache!’, über sich erge hen ließen. Auf diese Weise werde das Alter auf biologische Veränderungen reduziert. »Aber diese Einstellung können

Senioren

» Prof. Dr. Klaus Rothermund

Foto: © Marco Urban

wir ändern! Das Leben ist im Alter genauso viel wert wie in jedem anderen Lebensabschnitt!« Rothermund schlug vor, zunächst ein Bewusstsein für Altersdiskriminierung zu schaffen. Jede öffentliche Ein richtung solle ein Label ‘altersfairer Betrieb’ ins Repertoire aufnehmen müssen. Zudem sei dabei jeder selbst gefragt, sich mit den eigenen Altersstereotypen auseinanderzuset zen und sie auch aufzubrechen. Der Selbstdiskriminierung aufgrund des Alters entgegenwirken In der Nacherwerbsphase entsteht automatisch ein Vaku um, das es selbstständig zu füllen gilt. Eine Möglichkeit ist, sich privat, aber auch gesellschaftlich im sozialen Bereich neue Aufgaben zu suchen, die einen erfüllen. Die Pläne für diese Lebensphase sollten realistisch sein, eine Vorberei tung auf einen sinnerfüllenden Altersabschnitt ist unum gänglich. Rückzug, Weisheit und Nachdenken über die wichtigen Dinge des Lebens Doch darf es nicht nur um Teilhabe am sozialen Leben im Alter geben. Zum Alter gehört auch der Rückzug als positi ves, aber nicht erzwungenes zusätzliches Element, ebenso die Weisheit im Alter – wertvoll auch wiederum für die Ge meinschaft und Gesellschaft! – und das Nachdenken über die wichtigen Dinge des Lebens. Bei all diesen Entscheidungen, die der Mensch im Alter hier selbst zu treffen hat, müssen diese Entscheidungen aus ihm selbst kommen (= intrinsisch) und nicht aufge zwungen (= extrinsisch) werden. All dies hat auch mit der Würde des alternden Menschen zu tun. Barrieren, wie zum Beispiel materielle, sind von der Gesellschaft zu beseitigen! Heinz Seidel, Seniorenbeauftragter des hphv

36

SCHULE

Made with FlippingBook Online newsletter creator