10 2015

UMWELT

«Es muss nicht immer nur ein Schutzbauwerk sein» Nach Unwetterschäden, Hochwassern oder Murgängen wird schnell gefragt, ob man sich nicht mit einem Bauwerk vor den Folgen schützen könnte. Die Massnahmen sind teuer, so stellt sich die Frage nach Kosten und Nutzen.

«Schweizer Gemeinde»: Nach Un- wetterereignissen mit Schäden wird von den Betroffenen oft nach baulichen Massnahmen gerufen.Wie lange macht das Sinn? Christoph Graf: Wo nötig, sind bauliche Massnahmen in der Schweiz grundsätz­ lich bereits realisiert worden. Sie bieten jedoch nicht absoluten Schutz, sondern haben ihre Grenzen. Die entsprechenden Forderungen nach einemUnwetterereig­ nis mit Schäden sind deshalb nachvoll­ ziehbar. Zuerst ist abzuklären, inwiefern eine weitere bauliche Massnahme wirk­ lich den Schaden verhindert hätte und ob sie kostenwirksam realisierbar ist. Grundsatz in der Schweiz ist, dass wir Menschenleben schützen und Sachscha­ den, wo sinnvoll, möglichst verhindern oder reduzieren. Dabei setzen wir Gren­ zen bei der Dimensionierung und erstel­ len nicht Bauwerke, die das Extrem­ ereignis bewältigen können (sollten). Zudem verfolgt der Bund seit einigen Jahren (vgl. u.a. Angaben der PLANAT) die Strategie «von der (reinen) Gefah­ renabwehr (hin) zur Risikokultur». Was ist damit gemeint? Damit ist gemeint, dass einerseits die Gefährdungssituation ganzheitlich und proaktiv angeschaut wird (alle möglichen Gefahrenprozesse), dass sämtliche Akti­ onen im Risikokreislauf (Vorbeugen, In­ tervenieren und Regenerieren) ideal auf­ einander abgestimmt werden und dass Schutz eben nicht nur reines Verbauen beinhaltet, sondern auch sogenannte organisatorische Massnahmen für den Ernstfall vorzubereiten sind, also Inter­ vention durch Rettungsorganisationen oder die Bildung von Rückstellungen für den Wiederaufbau. Risikokultur meint auch, dass wir lernen, Restrisiken zu ak­ zeptieren. Schäden sind also nötig, damit die Prävention verbessert werden kann? Ereignisse mit Schadenfolge sind meist Auslöser für Aktivitäten, die zu einer Verbesserung der Situation führen. Mit einer Ereignisanalyse und der Überar­ beitung der Gefahrenkarte nach einem

Das Bett des Dorfbachs von Randa; weil der Permafrost zurückgeht, muss dauernd mit Geschiebe und Muren gerechnet werden.

Bild: Christoph Graf, WSL

Ereignis kann abgeklärt werden, ob die bestehenden Massnahmen zum Beispiel nicht adäquat dimensioniert waren. Auch die Gefahrenkarten, die nun für die ganze Schweiz vorliegen, werden nach­ geführt. So kann auf veränderte Aus­ gangsbedingungen reagiert werden.

Wer trägt die Kosten? Die rund drei Milliarden Franken, welche in der Schweiz jährlich für den Schutz vor Naturgefahren investiert werden, stam­ men nur knapp zur Hälfte von der öffent­ lichen Hand. Mehr als die Hälfte tragen Versicherungen, Unternehmen und Pri­

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SCHWEIZER GEMEINDE 10 l 2015

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