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Der Jochpasslift im Sommer 1944 als Sesselbahn und mit Kabinen im Versuchsbetrieb (Bild: Karl Meuser, Stiftsarchiv Engelberg). The Joch Pass lift being used as a chairlift in summer 1944; also pictured is a small cabin, part of a test run. (Image: Karl Meuser, Stiftsarchiv Engelberg)

Die erste Sesselbahnder Schweiz The Joch Pass lift – Switzerland’s first chairlift Text: Mike Bacher

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verbreitete sich das Skifahren in den Alpen und in Nordamerika rasant. Um dabei den Aufstieg zu vereinfachen, wurden einige der bestehen- den Zahnradbahnen für den Winterbetrieb gerüstet. Mit der 1913 eröffneten Standseilbahn von Engelberg auf die Gerschnialp (1’300 m.ü.M.) wurde zudem erstmals im Tal speziell ein Transportmittel für die Wintersportler gebaut. Allerdings waren die Bergbahnen auf Schienen für die Bedürfnisse des Wintersports nicht ideal. Aussichtsreicher waren schon eher Luftseilbahnen, weshalb halb arbeiteten in den 1930er Jahren zahlreiche Erfinder an einem kostengünstigen Modell, um Skifahrer in die Höhe zu befördern. 1934 wurde schliesslich in Davos der erste Bügelskilift er- öffnet (entwickelt vom Zürcher Ingenieur Ernst Constam), während im Sun Valley (Idaho) 1936 die erste Sesselbahn in Betrieb ging (entworfen vom Ingenieur James M. Curran aus Omaha). Noch vor der Eröffnung des Davoser Skilifts bot Ernst Constam im Herbst 1934 den Bau eines Skilifts vom Trübsee auf den Joch- pass (2’200 m.ü.M.) an. Doch war die Zeit dafür noch nicht gekommen. Immerhin gingen die Ideen zur Erschliessung des Jochpasses nicht vergessen. Dem jungen Engelberger Fotografen, Filmemacher und Skispringer Walter Kuster gelang schliesslich der Durchbruch. Er konnte mehrere nationale Gewerkschaften überzeu- gen, in diesen Skilift zu investieren. Dank ihnen wurde die Anlage mitten während des Zweiten Weltkriegs realisiert. Da Constam zu diesem Zeit- punkt bereits in die USA nach Denver (Colorado) die Fortsetzung 1926/27 von der Gerschnialp nach Trüb- see (1’800 m.ü.M.) mit einer solchen erfolgte. Doch die hohen Kosten erschwerten den Bau dieses Systems. Des-

ausgewandert war, errichtete sein Nachfolger Henri Sameli-Huber die Anlage. Am 18. Dezem- ber 1943 wurde diese feierlich eingeweiht. Der Initiant konnte die Eröffnung allerdings nicht mehr erleben. Kuster starb vier Wochen vorher an den Spätfolgen eines Skisprung-Unfalls. Bereits während der Planungen wurde auch an einen Sommerbetrieb des Skilifts in Form einer Sesselbahn gedacht. Allerdings wehrte sich das eidgenössische Amt für Verkehr seit Jahren gegen den Bau von solchen Anlagen in der Schweiz. So begann die Sommersaison

am 14. Juli 1944 zunächst als «Gehlift», indem einfache Ei- ner-Bügel den Wanderer beim Laufen unterstützten. Doch der Kanton Nidwalden nahm sich der Sache an und erteilte seinerseits eine Bewilligung

Der Jochpasslift war im Win- ter ein Skilift und im Som- mer eine Sesselbahn.

für den Sommerbetrieb als Sesselbahn, weshalb ab dem 1. August 1944 zusätzlich 16 Einersessel in Betrieb waren. Damit wurde der Jochpasslift zur ersten Sesselbahn der Schweiz. Der Erfolg war überwältigend. Noch im gleichen Monat wurden diese Sessel für 6266 Fahrten benutzt, während die Gehbügel nur auf 283 Fahrten ka- men. Gleichzeitig entstand eine längere juristi- sche Auseinandersetzung zwischen Nidwalden und dem Bund, wer überhaupt Sesselbahnen in der Schweiz erlauben darf. Schliesslich gewann zwar der Bund, doch war er damit gezwungen, dieses System zuzulassen. Auf den Sommer 1945 hin wurden etwa fünfzig zusätzliche Einersessel erworben. In der Folge verkehrte die Anlage offiziell im Winter als Skilift und im Sommer als Sesselbahn. Sie eröffnete damit den Weg zum Sesselbahnbau in der Schweiz, wel- cher die Seilbahnlandschaft bis heute prägt.

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