Firstl-Report 96

20 Jahre aktuell

Arbeitsschutz-REPORT

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Aber bitte mit Creme Arbeitsschutz ist wichtig – aber muss auch realitätsnah sein

Alle Jahre wieder werden am letz- ten Wochenende im März die Uhren auf Sommerzeit umgestellt. Und auch die Forderungen der Gewerkschaften zur Sommerzeit werden wieder laut. Natürlich hat der Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer höchste Priorität. Doch Arbeitsschutz muss auch in der Praxis um- setzbar sein – und der Schutz vor gesundheit- lichen Risiken darf nicht allein „Chefsache“ werden. Auch eine Portion Eigenverantwor- tung gehört dazu. So fordert die IG Bauen-Agrar-Umwelt alljährlich zu Beginn der Sommerzeit völlig zu Recht, dass Arbeitnehmer, die vorwiegend unter freiem Himmel arbeiten, vor der UV- Strahlung geschützt werden. Es gibt wohl keinen Arbeitgeber, der dem widersprechen würde. Bereits 2004 wurde ein von der Bundes- anstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin geförderter Forschungsbericht veröffentlicht, in dem Berufsgruppen aufgelistet wurden, die hoher UV-Strahlung bei Arbeiten im Freien ausgesetzt sind. Danach rangieren Dachde- cker, Zimmerer und Gerüstbauer auf Platz 5. Die Spitze bilden land- und forstwirtschaftli- che Berufe, Gartenbauer, Steinbearbeiter, Maurer und Betonbauer. Die Forderung, Arbeiten unter freiem Himmel in die frühen Morgen- oder späteren Abendstunden zu verlegen, dürfte aber – selbst bei Zustimmung der Arbeitgeber – oft an der Realität scheitern. Welcher Betriebsin- haber hat nicht schon einmal die Erfahrung gemacht, dass der Nachbar des Bauherren

Fotos: Fotolia

Bei der Fra- ge nach der Verantwor- tung für den Schutz vor zu intensiver UV-Einstrah- lung darf nicht allein auf den Arbeitgeber verwiesen werden. Hier sind praxis- taugliche Lösungen und die Eigen- verantwor- tung der Arbeitnehmer ebenso gefordert.

„Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erfor- derlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich än- dernden Gegebenheiten anzupassen“. Weiter heißt es in §4 ArbSchG: „Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeits- schutzes von folgenden allgemeinen Grund- sätzen auszugehen: 1. Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physi- sche und die psychische Gesundheit mög- lichst vermieden und die verbleibende Ge- fährdung möglichst gering gehalten wird...“ Allerdings sind nicht nur die Arbeitgeber in der Pflicht, wie §15 ArbSchG verrät: „Die Beschäftigten sind verpflichtet, nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterwei- sung und Weisung des Arbeitgebers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen...“. Der Schutz vor den Gefahren von Hitze und UV-Einstrahlung liegt natürlich im Inte- resse von Arbeitgebern, um die Arbeitskraft ihrer Mitarbeiter zu erhalten. Es liegt aber genauso im Interesse der Arbeitsnehmer, ge- sundheitliche Risiken für sich selbst zu ver- meiden und vermeiden zu helfen. Ein Beharren auf Paragrafen schützt weder vor Hitzschlag noch vor Hautkrebs.

zur Notrufnummer 110 greift, wenn Dach- decker morgens um 6:00 Uhr mit dem Ab- decken des Daches beginnen? Und für eben- so viel Zündstoff wie der Biergartenbetrieb am Abend sorgt auch schon das Geräusch eines Akkuschraubers nach 20:00 Uhr auf der nachbarlichen Baustelle. Da hilft auch der zwar sachlich richtige, aber praxisferne Expertenrat, man solle sich ein Beispiel an südlichen Ländern nehmen, in denen zur Zeit der Mittagssonne einfach Sies- ta gehalten wird, nicht weiter. Manchmal scheitert die Realität an der Mentalität. Darü- ber hinaus ist das bestehende Auftragspoten- zial ohnehin kaum in der regulären Arbeits- zeit zu bewältigen. Ganz klar sind die Pflichten des Arbeit- gebers im Arbeitsschutzgesetz §3 definiert:

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