Cellitinnen 3_2015

Glauben | Leben

bei einer vermögenden Familie als Haushälterin zu arbeiten. Getragen und gestärkt durch ihre tiefe Fröm- migkeit, ließ sie sich vom Schicksal notleidender Menschen berühren. Maastricht hatte stark unter den Auswirkungen der Napoleonischen Kriege zu leiden. Wirtschaftlicher Niedergang, die Folgen von Kon- tributionen und Plünderungen wirk- ten sich besonders auf die Armen, Schwachen und Hilflosen aus. Im Zusammenwirken mit Dechant van Baer, Pfarrer an St. Servatius, konnte sie dann 1837 ihre Grün- dung vollziehen. ‚Zusters Onder de Bogen‘ – ‚Schwestern unter dem Bogen‘, so wurden sie nach ihrem 1845 bezogenen Mutterhaus in der alten Propstei von St. Servati- us bald genannt. Der ‚Bogen‘ aus dem Mittelalter verbindet bis heute den Westbau der Servatiusbasilika mit dem Mutterhauskomplex. Die Schwestern widmeten sich zu- nächst der Pflege und Versorgung von Kranken, alten Menschen und auch der Waisenbetreuung. Im Alter von 27 Jahren übernahm Schwester Seraphine dann die Leitung des Waisenhauses in der Maastrichter Lenculenstraat. Zehn Jahre sollten es werden und of- fenbar meisterte sie ihren Dienst sehr gut. So war es dann sicher schlüssig, dass Mutter Elisabeth sie mit der ersten Filialgründung der ‚Schwestern unter dem Bogen‘ im 30 Kilometer entfernten Sittard be- auftragte. Mit sechs Mitschwestern traf sie dort im Oktober 1857 ein. Die Stadtverwaltung stellte den Or- densfrauen das ehemalige Kloster der Dominikanerinnen St. Agneten- berg zur Verfügung. Das Gebäude

An St. Servatius – Der Torbogen zwischen Kirche und Kloster

das eingeleitete Ermittlungsverfah- ren mangels Beweises ergebnislos.

1849 in Rheinbach gestorben ist, soll sie noch einmal in Maastricht besucht haben. Ob sie den Aus- steuerbetrag auch deshalb leisten konnte, weil ihr durch den Verkauf des Elternhauses schon ein Erbteil zufiel, lässt sich vielleicht vermuten. In Maastricht jedenfalls begann sie ihrenWeg als Ordensfrau. Sie erhielt den Klosternamen ‚Seraphine‘ 1 . Die Gründerin der Gemeinschaft, in der Seraphine dann auch nach dem Noviziat ihre Gelübde ablegte, war Elisabeth Gruyters (1789 – 1864). Sie stammte aus der Nähe und ge- hörte zu den großen Persönlich- keiten der Caritas ihrer Zeit und ihrer Region. Mit 32 Jahren war sie nach Maastricht gekommen, um 1 Das ist die weibliche Form von ‚Seraph‘. Die im Plural ‚Seraphim‘ genannten Engel umstehen nach der Vision des Propheten Jesaja (6,1–7) den Thron Gottes und lobpreisen ihn. Ihr Gesang findet sich im ‚Sanctus‘ der Liturgie wieder: „Sie riefen einander zu: Heilig, heilig, heilig ist Gott der Herr der Heere. Von seiner Herrlichkeit ist die ganze Erde erfüllt“ (Jes 6,3). Die Jahre in Maastricht

Umso schlimmer müssen Not und Verzweiflung der Kinder gewesen sein. Wie bewältigt man ein solch schreckliches, unfassbares Ge- schehen? Welche Hilfe mag es da- mals gegeben haben? Der familiäre Zusammenhang war zerstört und verloren. Das Haus wurde aufgege- ben, der Vater lebte aber weiter in einem angemieteten Zimmer in der Nachbarschaft. Drei der Kinder fanden sich in Köln wieder, darunter Gertrud. In welchem klösterlichen Institut sie dort Aufnahme gefun- den haben soll, ist nicht bekannt. Konkret wird die Überlieferung zu ihrem Leben dann wieder für das Jahr 1842. Am 18. Oktober trat sie in die damals gerade fünf Jah- re bestehende Gemeinschaft der ‚Schwestern der Liebe vom Hei- ligen Carl Borromäus‘ in Maastricht ein, wozu auch die damals übliche Mitgift gehörte, die Gertrud einbrin- gen konnte. Ihr Vater, der verarmt

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