KREMS/NÖ - 2013/2014

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„Aufklärung“ durch zwei Fermi-Rechnungen

Eine der wichtigsten Aufgaben des Physikunter- richts ist meiner Meinung nach die „Aufklärung“. Die Schülerinnen und Schüler sollen verstehen, wie Wissenschaften generell „funktionieren“, sie sollen zwischen Hypothesen und Theorien unter- scheiden können und die Begriffe Falsifikation und Paradigmenwechsel begreifen. Sie sollen somit im späteren Leben zwischen Wissenschaft und Schar- latanerie bzw. Esoterik unterscheiden können. Im Kompetenzmodell wird diese Fähigkeit in ei- nem Deskriptor der Handlungsdimension sub- summiert: „Ich kann einzeln oder im Team fach- lich korrekt und folgerichtig argumentieren und naturwissenschaftliche von nicht-naturwissen- schaftlichen Argumentationen und Fragestellun- gen unterscheiden.“ Im Folgenden möchte ich zwei Beispiele geben, wie man zwei sehr populäre aber falsche Ansichten mit Hilfe einfacher Abschätzungen (Fermi-Rech- nungen) enttarnen kann. Diese falschen Ansichten lauten:

• Nahrung transportiert Energie in den Körper (siehe Abbildung). Gleichzeitig gibt es durch den Energieumsatz einen Strom an Energie aus dem Körper heraus. Gemäß dem Energie- erhaltungssatz gilt: Ist der Input größer als der Output, bleibt netto im Körper ein Überschuss an Energie zurück, der in Form der Fettreser- ven angelagert wird. Ist jedoch der Output in Summe größer, fließt Energie aus den Fettde- pots ab, und diese werden kleiner. Halten Input und Output einander die Waage, bleibt auch die Masse gleich. • Ein Kilogramm Körperfettgewebe hat einen Brennwert von etwa 30.000 kJ. • Der Tagesumsatz eines Menschen liegt bei rund 10.000 kJ. Ausgestattet mit diesen Vorinformationen kann man nun eine einfache Abschätzung durchfüh- ren. Der Extremfall der Reduktion des Inputs ist die Nulldiät. In diesen Fall nimmt man nur Flüs- sigkeiten zu sich, aber keine Stoffe mit Brennwert. Nachdem der Input auf null sinkt, der Output aber nach wie vor 10.000 kJ pro Tag beträgt, wird man auf diese Weise in drei Tagen 30.000 kJ und somit 1 kg Körperfettgewebe los. Auf die Woche hochge- rechnet bedeutet das somit maximal 2 1/3 kg. Man kann also den Schluss ziehen: 5 kg Fettabnahme in einer Woche sind ausgeschlossen!

Martin Apolin

1) Man kann 5 kg in einer Woche abnehmen.

2) Durch wenige Minuten Sport am Tag erzielt man innerhalb kurzer Zeit sichtbare Abnehmerfolge.

Ad 1) Zunächst muss man klar- stellen, dass mit 5 kg in einer Woche natürlich die ungeliebten Fettpölster gemeint sind. Eine Massenreduktion um einige Ki- logramm kann in wenigen Stun- den erfolgen, wenn man sehr viel schwitzt und diese Flüssigkeit nicht ersetzt. Das ist im Folgenden aber nicht gemeint. Um die Abschätzung durchführen zu können, muss man ein paar Vorinformationen besitzen.

Energiebilanz beim Menschen (Grafik: Janosch Slama)

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