KREMS/NÖ - 2013/2014

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Krenek ist schräg

Wie vermittelt man einen Komponisten, der selbst eingeweihten Intellektuellen nur ein vager Begriff ist? Wie präsentiert man Musik, die allgemein hin als sperrig, verkopft und weltabgewandt gilt? Wie tritt man Lehrerinnen und Lehrern gegenüber, die der Kunst des 20. Jahrhunderts eher als Pflicht, denn als spannendes Experimentierfeld begeg- nen? Das sind Herausforderungen, denen wir uns in der Musikvermittlungsarbeit des Ernst Krenek Forums, einem kleinen Museum zu Leben und Wirken des österreichischen Komponisten, stellen. Ich meine, diesen Fragen mit den Worten „Kon- text und Sinnlichkeit“ entgegentreten zu können. Hebt man den Künstler vom Sockel und befreit ihn ein wenig von Staub, tritt eine Persönlichkeit zu Tage, die sich mit den grundlegenden Dingen des Lebens beschäftigt – in einer kondensierten Form, versteht sich. Sonst wäre er kein Künstler. Aber im Prinzip sind es Fragen, die uns alle betreffen: „Wer bin ich, was kann ich in meinem Leben erreichen, wo finde ich mein zu Hause, was ist mein Beitrag in der Gesellschaft?“ Mögliche Antworten darauf, beziehungsweise die Fragen selbst, spiegeln sich in tausendfacher Mannigfaltigkeit in Kunstwerken wider. Sie können als Ansatzpunkt für eine eigene künstlerische Auseinandersetzung von Schülerin- nen und Schülern verwendet werden. Im Falle von Krenek liegt der Fokus auf Themen wie Identität, Emigration, gesellschaftlicher Wandel, Heimatlo- sigkeit. In unseren Workshops, die als Format auf eine Woche intensiver künstlerischer Arbeit aus- gerichtet sind, werden verschiedene Bereiche ver- knüpft: Musik und Literatur ebenso wie Tanz und bildende Kunst. So wird zum Beispiel eine Novelle von Krenek – er war auch als Schriftsteller tätig und schrieb zur Zeit seiner Emigration eine höchst kafkaeske Erzählung – als Impuls für eigenstän- dige Choreographien genommen.

Musik mit allen Sinnen zu erfassen heißt, mit dem ganzen Körper zu hören beziehungsweise zu agie- ren, nicht nur mit den Ohren – selbst Klänge und Geräusche zu erforschen, wahrzunehmen und be- wusst zu erzeugen. So geht auch im wahrsten Sin- ne des Wortes Musik, die als nicht eingängig gilt, ins Ohr. Alltagsgegenstände wie Zeitungspapier, Töpfe, ja eigentlich alles, was das Herz begehrt, fungieren in diesem Workshop-Prozess genauso als Musikinstrument wie elektronische Hilfsmittel oder von den Schülerinnen und Schülern aufge- nommene Sounds. So erinnere ich mich an leucht- ende Augen von Kindern, als mit einem Theremin – eines der ersten elektronischen Instrumente, das durch Handbewegungen des Menschen gesteuert wird – experimentiert wurde. Oder an die Begeis- terung von Jugendlichen, die aufgefordert waren, mithilfe von Sensoren sehr schrille Klänge in den Raum zu schleudern. Ob den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Krenek trotzdem zu schräg ist oder nicht, spielt – offen gestanden – keine Rolle. Wesentlich ist, dass eine Begegnung mit Neuem, Unbekanntem möglich ge- macht wird und sich der Horizont der Hörgewohn- heiten ein wenig erweitert.

Veronika Grossberger

Veronika GROSSBERGER studierte Musik- und Theaterwissenschaft an der Universität Wien,

arbeitete bei verschiedenen Konzertveranstaltern, übernahm 2008 den Bereich der Musikvermittlung am Ernst Krenek Forum in Krems,

Stipendiatin der Körber Stiftung Hamburg in der „Masterclass on Music Education“ (2010 - 2012)

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www.kphvie.ac.at/fort-weiterbildung

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