GOLF TIME 5-2016

GOLF TAGE BUCH

Agnes Flack S eit Clubpräsident Fahrenbach in den Büchern des Autors P. G. Wodehouse schmökerte, war er der englischen Golf-Literatur verfallen. Plötzlich trug er Tweed, rauchte Pfeife, trank Tee und experimentierte mit Hickory-Schlägern, was wir vom „Golftherapeutischen Pflegedienst“ als „anglophile Golfneurose“ bezeichnen, die sich bisweilen recht skurril äußert, aber als ungefährlich gilt.

Namen Abbruchkolonne trugen. Andere Figuren nannteWodehouse ,Väterchen Zeit‘ und ,Der Mann mit der Hacke‘.“ ŽBercelmeyer verdrehte die Augen. Fahren- bachs neue Sichtweise, nach der Dummrum- steherei ein Stück lebendiger Golftradition sei, nervte ihn. „ImGolfclub Bauernburg ist diese Tradition noch sehr lebendig“, fuhr Fahren- bach fort, „wir haben sogar mehrere Abbruch- kolonnen.“ ŽGerade wollte er das berüchtigte Bauern- burger Valium-Quartett erwähnen, als jemand hinter ihnen FOORE brüllte. Er riss Bercel- meyer, der die Reaktionszeit eines Panda- Bären hat, mit sich zu Boden, während ein scharfes Sirren über sie hinwegsauste. Ž„Eine Drohne?“, fragte Bercelmeyer entgeis- tert. „Nein, das war Brigitte Langer! Sie hat ver- sucht, das Grün carry anzugreifen. 249 Meter vomDamenabschlag über das Dogleg sind für sie kein Problem.“ Plötzlich kam ihm ein Gedanke: Könnte Brigitte, die Kapitänin der Bauernburger Damenmannschaft (und gebaut wie ein Dorfschmied, umWodehouse zu zitie- ren), eine Inkarnation der Agnes Flack sein? ŽFahrenbach zitterte bei demGedanken, auf welch‘ vielfältigeWeise sich der jahrhunderte- alte Golfgeist in seinemClub manifestierte. Als Brigitte an ihm vorbeitrampelte, zückte er seine Kappe aus Donegal-Tweed und verbeugte sich: „Bitte spielen Sie durch, gnädige Frau. Ihr Spiel ist dem unseren weit überlegen.“ Brigitte grunzte etwas, das Fahrenbach nicht verstand, denn plötzlich hörte man Schreie. Drei Spieler auf demGrün winkten und riefen, während der vierte amBoden lag. ŽBrigitte hatte den armen Kerl offensichtlich voll erwischt. Fahrenbach seufzte. Bewundernd blickte er der amtierenden Clubmeisterin hinterher, die mit Dr. Bercelmeyer im Schlepp- tau Richtung Grün stampfte. Der hatte jetzt tatsächlich einen Notfall. Fahrenbach zuckelte ihnen nach und überlegte, was ihmWodehouse geraten hätte, um die Gunst der Agnes Flack von Bauernburg zu gewinnen. ŽOb er dafür trainieren sollte, einmal in seinem Leben einen „Longest Drive“ zu schlagen…? GT

EUGEN PLETSCH Jahrgang 1952, Autor von fünf satirischen Büchern (z. B. „Der Weg der weißen

ŽMit feinemHumor schildert Wodehouse meist verworrene Liebesbeziehungen mit Happy-End, wobei Fahrenbachs verkümmer- te Romantiker-Seele an der Figur der Agnes Flack (die in den Grundzügen wie Popeye der Seemann gebaut war und ihren Ball 240 Yards weit dreschen konnte), besonderen Gefallen fand. Wodehouse‘ subtiler britischer Humor war ganz nach seinemGeschmack – imGegensatz zu den feisten Teutonen- Witzen, mit denen Versicherungs-Fritzen am 1. Abschlag unter ihresgleichen brüllendes Gelächter erzeugen. Selbst sein eigenes häus- liches Drama schien wie vonWodehouse inszeniert: Seit Frau Stellmann-Fahrenbach einen Lover hatte (was Fahrenbach nicht wusste), zwitscherte sie wie eine Lerche an einem Juni-Morgen. Fahrenbach durfte nach Herzenslust Wodehouse lesen oder Golf oder Präsident spielen – Hauptsache, er war beschäftigt. ŽEines Tages auf der Morgenrunde – seine Gedanken weilten gerade bei Agnes Flack – realisierte er hinter einemDogleg, dass er mit Dr. Bercelmeyer auf einen Vierer aufgelaufen war. Bercelmeyer fluchte. Er war normaler- weise selbst nicht der Schnellste, aber heute pressierte es ihm. Seit einer Stunde hockten seine Patienten imWartezimmer und konnten von seiner Praxis-Domina Maria Clarius nur mit dem Zauberwörtchen „Notfall“ in Schach gehalten werden. „Langsames Spiel ist Teil der Golftradition“, erläuterte Fahrenbach seinem verblüfften Hausarzt. „Elendig lang- same Golfrunden waren bereits im alten England gefürchtet. P. G. Wodehouse erwähnte ein Quartett golfspielender Krüppel, die den

Kugel“, KOSMOS-Verlag 2015), lebt als Schriftsteller bei Gießen. Legendär sind seine Lesungen in Golfclubs, wo er als Mit- arbeiter des „Golftherapeutischen Pflegediensts“ live aus der

Grünen Hölle berichtet. Info: home@cybergolf.de

»Drei Spieler auf demGrün winkten und riefen, während der vierte am Boden lag. Brigitte hatte den armen Kerl offensichtlich voll erwischt«

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