Fortbildung aktuell [ Das Journal ] 2/2018

DR. CHRISTIAN UDE / DR. MARIO WURGLICS

Cannabis in der Apotheke im Jahr 2018 Wissenswertes für Rezeptur und Labor

Am 10. März 2017 fand ein spekta- kulärer Wandel statt: Die in Deutschland am häufigsten konsu- mierte Rauschdroge wurde zum le- galen Arzneimittel, genauer gesagt, zu einem verkehrs- und verschrei- bungsfähigen Betäubungsmittel. Die Gesetzesänderung erlaubt es damit schwer kranken Patienten, Cannabis auch in Form von pflanzli- chemMaterial (Blüten = Marihuana) zu therapeutischen Zwecken einzu- setzen. Die Gesetzesänderung be- trifft jedoch lediglich die Legalisie- rung der Cannabis-Blüten („Marihuana“) und eines standardi- sierten Extraktes zu therapeuti- schen Zwecken. Nach wie vor ist der Konsum aus Genusszwecken in Deutschland illegal. Bei jeglicher Be- trachtung dieses Themas muss sehr genau differenziert werden, welche Form von Cannabis zum Einsatz kommt: Cannabis-Droge, pflanzli- che Zubereitungen wie Extrakte oder die wirksamkeitsbestimmen- den Inhaltsstoffe wie Dronabinol oder Cannabidiol als Rezeptur. Schlussendlich steht seit dem 1. Ja- nuar 2017 auch der Wirkstoff Nabi- lon, ein vollsynthetisch hergestell- tes Derivat des Dronabinols als Fertigarzneimittel (Canemes®) zur Verfügung (s. Abb. 1). Für die Apothekenpraxis ist das Wissen rund um die klinische Wirksamkeit vor al- lem im Gespräch mit dem Patienten, aber auch bei Rückfragen von Ärzten wertvoll und unerlässlich. Betrachtet man die um- fangreiche Berichterstattung, vor allem in der Laienpresse, zu Cannabis und sei- nem therapeutischen Einsatz, so lässt dies manchen an eine neue „Wunder-Droge“ zur Therapie zahlreicher Therapielücken glauben. Doch ein differenzierter Blick in die wissenschaftliche Literatur macht rasch klar, dass hier die Gefahr besteht, Erwartungen zu wecken, die im Thera- piealltag nicht erfüllt werden können. Zunächst stellen sich einige Fragen: Für welche Indikationen sind Cannabis-Blüten,

Dr. Christian Ude (Darmstadt) ist Fachapotheker für Arzneimit- telinformation und Inhaber der Stern Apotheke Darmstadt. Dr. Mario Wurglics (Frankfurt a. M.) studierte Pharmazie an der Universität Graz und ist wissen- schaftlicher Mitarbeiter im AK Prof. Schubert-Zsilavecz an der Goethe Universität Frankfurt.

Dr. Christian Ude

Dr. Mario Wurglics

• Chronische

oder

neuropathische

Cannabis-Zubereitungen oder Cannabino- ide überhaupt geeignet? Wie gut ist die Wirksamkeit jeweils belegt? Welche Do- sierungen sind wirksam und gleichzeitig sicher?

Schmerzen, • schmerzhafte Muskelspasmen bei Mul- tipler Sklerose und Paraplegie, • chemotherapie-induzierte Übelkeit und Erbrechen (CINV), • Appetitsteigerung bei HIV/AIDS, • Epilepsie,

Als mögliche Anwendungsgebiete werden heute diskutiert:

ABBILDUNG 1: Übersicht zur Verfügung stehender Zubereitung aus Cannabis (grau: kei- ne Relevanz für Labor und Rezeptur im Apothekenalltag)

Cannabis Ͳ Zubereitungen (Droge) • Extrakt (Sativex ® ) • THC 25; THC10:CBD10 Ͳ Extrakt als Ausgangssubstanz von Tilray

Wirksamkeits Ͳ bestimmende (Rein) Ͳ Substanzen • Dronabinol Kapseln, ölige Tropfen als Rezeptur • Dronabinol als alkoholische Lösung • Dronabinol als Marinol ® (Import) • Nabilon (Canemes ® )

Cannabis (Droge)

• Tee • Cannabisblüten in Einzeldosen zur Dampfinhalation mit einem standardisierten

Dronabinol Äquivalent

• auf eine definierte Dronabinol Ͳ

Konzentration standardisierte ölige Cannabis Ͳ Extrakt Ͳ Tropfen zum Einnehmen

AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal / 21

Made with FlippingBook Annual report