Cellitinnen 2_2018

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zu tun. Wer heute nicht mehr als Schwester oder Pfleger, sondern als Gesundheits- und Krankenpfle- ger unterwegs ist, trägt mehr ein Stück politischer Standortbestim- mung als eine Beziehungsarbeit im Namen. Dabei hat die Beziehung in der Arbeit einen hohen Stellenwert, denn die Pflege muss nicht nur mit schwierigen Menschen auf Station oder im Wohnbereich umgehen, sondern auch immultiprofessionel- len Team. Aber irgendwann ist das Charisma der Pflegenden auf der Strecke geblieben zugunsten der ‚Dienstleistung‘ im Krankenhaus, im Seniorenhaus oder im ambu- lanten Dienst. Während andere Berufsträger ob ihrer gestiegenen Kompetenz ge- achtet werden, misst die heutige Wahrnehmung die Pflegenden kritisch an ihren Arbeitszeiten (so viel Dienst am Wochenende), ihren Basistätigkeiten in der Grundpflege

(Gesäß abwischen), ihrer Bezah- lung (Hungerlohn), ihrer Stellung innerhalb der Gesellschaft (Opfer der Gesundheitsreformen) – eher abwertend als bewundernd, mehr belächelnd als respektvoll. Pflege kann angeblich jeder, der in der Lage ist, das Wort im Internet zu googeln. Den Respekt für die Leis- tung, die Pflegende an Menschen erbringen, erhalten sie eher im pri- vaten Bereich („Toll, dass du das machst, aber so nah mit Menschen, das könnte ich nicht“). Oder wenn sie wegen ihrer Fachexpertise in der Verwandtschaft gefragt wer- den, wie schlimm es um die Oma wohl bestellt ist.

ge Pflegende im Spätdienst. Jahre zuvor unterrichtete ich sie imMittel- kurs in Ethik und Sterbebegleitung, heute begegnen sie mir als starke, gereifte, kompetente Intensivpfle- ger, die genau wissen, was sie tun, und wie man mit hochbelasteten Patienten und Angehörigen redet. Sie wirken krisenfest und bauen uns die Brücke zu den Ärzten, um gemeinsam ethisch tragbar über das Schicksal meiner Mutter zu ent- scheiden. Fast wie im Lehrbuch. Ihre fachliche Autorität beziehen sie aus sich heraus, brauchen dazu weder die makellose weiße Klei- dung noch das Stethoskop um den Hals. Zwei von ihnen werden bald studieren, Pflegemanagement. Aus den Generationen der Schwes- tern Marianne und Anne heraus haben sich starke Jahrgänge fach- kundiger Frauen und Männer ent- wickelt, die mit einem enormen Wis- sen, wirkungsvoller kommunikativer Leistung und einem beständigen Fortbildungspotenzial die Medizin und die Pflege von heute für alle Menschen sichern: für die Privat- patienten wie für die Sozialhilfe- empfänger, für die Eingesessenen wie für die Migranten und Flücht- linge, für die Intellektuellen wie für die demenziell beeinträchtigten al- ten Menschen, für Frühchen und Hochbetagte. Sie sind bereit dazu, Menschen sehr nah zu kommen, sie setzen sich über Berührungsängste hinweg, sie finden Mittel zu kommu- nizieren, wo nichts mehr möglich scheint. Ich bin dankbar für jede und jeden von ihnen, die heute pflegen.

Wiedersehen

Meine Mutter liegt intubiert auf der Intensivstation eines Krankenhau- ses im Kölner Westen. In unserer Belastung und Traurigkeit treffen meine Geschwister und ich auf jun-

Maria Adams Mitarbeiterseelsorgerin

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