Fortbildung aktuell [Das Journal] 2/2017

VERENA ARZBACH

leicht geschluckt werden. Die größte Hür- de, Kinder zur Einnahme eines Saftes oder einer Lösung zu bewegen, ist in der Regel der Geschmack. Bei der Abgabe eines Saf- tes sollte der Apotheker die Eltern daher auf die Geschmacksrichtung hinweisen. Mag das Kind zum Beispiel partout kei- nen Saft mit Erdbeer-Geschmack, kann der Apotheker hier gegebenenfalls eine besser geeignete Alternative mit anderer Geschmacksrichtung finden. Bei der Gabe flüssiger Arzneimittel sollten die Eltern immer eine Dosierhilfe verwenden, etwa eine Dosierpipette oder eine Einmalspritze. Messbecher sind weni- ger gut geeignet und fehleranfällig, denn die Skala muss auf Augenhöhe abgele- sen werden. Auch ein Messlöffel oder ein Teelöffel sind in der Regel zu ungenau zur Abmessung. Vielen Fertigpräparaten liegt eine Dosierhilfe bei. Ist das nicht der Fall, kann der Apotheker den Eltern eine mitge- ben und die Anwendung gleich erläutern. Für Säuglinge sind außerdem spezielle Medikamentenschnuller und -fläschchen auf demMarkt, die sich mit dem flüssigen Arzneimittel befüllen lassen. Ende des vergangenen Jahres starb in Frankreich ein Säugling zu Hause an ei- nem Atem- und Herzstillstand, nachdem die Eltern ihm Uvestérol D, ein flüssiges Vitamin-D-Präparat, mit einer spritzen- artigen Dosierpipette verabreicht hatten. Die Ursache des Todesfalls ist laut der französischen Arzneimittelbehörde ANSM höchstwahrscheinlich die falsche Anwen- dung des Arzneimittels. Die Lösung ist ver- mutlich in die Luftröhre des Säuglings ge- langt. Schon in der Vergangenheit waren mehrere Fälle von Verschlucken nach der Verabreichung des Präparates gemeldet worden. In Deutschland ist das Präparat nicht erhältlich. Der Fall zeigt, wie wichtig es ist, El- tern die Applikation von Arzneimitteln bei ihren Kindern genau zu erläutern und sie auf Gefahren und Fehler aufmerksam zu machen. So sollte die mit der Dosierpipet- te aufgezogene Arzneimittellösung nicht direkt in den Rachen des Kindes gespritzt, sondern vielmehr langsam in die Wangen- tasche geträufelt werden, um einem Ver- schlucken des Kindes vorzubeugen. Der Säugling sollte beimVerabreichen nicht auf dem Rücken liegen, sondern bes- ser halb sitzend gehalten werden. Wichtig ist auch, die Lösung möglichst langsam

durchgeführt werden. Auch muss es hin- reichende Anhaltspunkte geben, dass das teilnehmende Kind selbst einen Nutzen von der Medikation oder Untersuchung hat beziehungsweise ein Nutzen für Kin- der mit der gleichen Erkrankung wahr- scheinlich ist. Damit ein Kind in eine Stu- die eingeschlossen werden kann, muss ein gesetzlicher Vertreter (in der Regel die El- tern) über Wesen, Bedeutung, Risiken und Tragweite der klinischen Untersuchung in Kenntnis gesetzt werden und der Teilnah- me des Kindes daran zustimmen. Wenn möglich, muss auch der kleine Patient sei- ne Einwilligung geben. Eine placebokontrollierte Studie mit Kindern wird in der Regel nur durchge- führt, wenn es keine Standardtherapie für die zu behandelnde Erkrankung gibt. Gibt es bereits eine Behandlungsmöglichkeit, wird das neue Medikament in der Studie mit der besten verfügbaren Standardthe- rapie verglichen. Darüber hinaus gelten für pädiatrische Studien alle Sicherheitsvor- schriften, die für Arzneimittelprüfungen an Erwachsenen relevant sind.

muss der Hersteller eine Arzneimittelzu- lassung speziell für Kinder, eine sogenann- te PUMA (Pediatric use marketing autho- risation), beantragen. Im Gegenzug erhält der Hersteller wirtschaftliche Vorteile, so gewährt die europäische Arzneimit- telagentur EMA etwa einen zehnjährigen Unterlagenschutz und damit ein exklusi- ves Vermarktungsrecht in Europa. Doch diese Anreize scheinen für vie- le Hersteller wenig attraktiv zu sein. In vielen pädiatrischen Indikationen fehlen noch immer geprüfte Arzneimittel. Seit 2007 sind bislang lediglich drei PUMA zu- gelassen worden: 2011 Midazolam (Buc- colam®) zur akuten Krampfkontrolle bei epileptischen Kindern im Alter von drei Monaten bis 18 Jahren, 2014 Propranolol (Hemangiol®) zur Behandlung des Häm- angioms ab der fünften Lebenswoche und im vergangenen Jahr Glycopyrroniumbro- mid (Sialanar®) ab drei Jahren bei Sialor- rhö, übermäßigemSpeichelfluss aufgrund neurologischer Erkrankungen. Für pädiatrische Studien gelten die glei- chen Sicherheitsvorschriften wie für klini- sche Studien mit Erwachsenen, dennoch gibt es bei minderjährigen Studienteilneh- mern einige Besonderheiten. So dürfen in Deutschland - anders als bei Erwach- senen - Studien nur mit kranken Kindern Klinische Studien mit Kindern

Arzneiformen für Kinder

Flüssige Darreichungsformen wie Säfte, Tropfen oder Lösungen sind besonders für die Therapie von Kleinkindern und Säug- lingen geeignet (Abbildung 1). Sie können recht einfach nach Gewicht dosiert und

ABBILDUNG 1: Säfte, Tropfen oder Lösungen eignen sich besonders gut für die Thera- pie von Kleinkindern und Säuglingen.

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