Fortbildung aktuell [Das Journal] 2/2017

DR. CONSTANZE SCHÄFER / DÖRTE SCHRÖDER-DUMKE

· Gruppe C – Auftreten in der Mutter- milch nur in geringem Umfang festzu- stellen; das Abfluten aus der Mutter- milch ist ebenfalls sehr verlangsamt. Geringe Mengen des Wirkstoffs können noch in der Muttermilch vorhanden sein, auch wenn im Plasma nichts mehr nachzuweisen ist, · Gruppe D – Plasma- und Milchspiegel haben einen parallelen Verlauf. Diese Klassifizierungen werden u. a. in Tabelle 2 zur Empfehlung im Umgang mit einigen ausgewählten Arzneistoffen berücksichtigt. Zudem wurden auch die Empfehlungen aus der embryotox-Daten- bank in der Tabelle eingearbeitet. Es zeigt sich, dass bezüglich der Anwendbarkeit von den jeweiligen Wirkstoffen in der Stillzeit nicht durchweg die gleiche Emp- fehlung gegeben wird. Auch lassen sich beim derzeitigen Stand der Datenlage kei- ne Regeln ableiten. Es bleibt abzuwarten, was die Forschung in den nächsten Jahren hier an weiteren Ergebnissen bringt.

Abpumpen und Verwerfen der Milch, die während des Zeitfensters des höchsten Plasmaspiegels gebildet wurde, sinnvoll ist. Je nach Wirkstoff sind am besten ein bis zwei Halbwertszeiten des Wirkstoffs abzuwarten, um einen ausreichend ge- ringen Spiegel in der Muttermilch zu er- reichen. Erst nach fünf Halbwertszeiten wären 97 Prozent der Dosis eliminiert und damit dieMilch annäherndwirkstofffrei. 6,8 Da in der Regel jedoch beim Säugling nur ein geringer Teil, etwa acht bis zehn Pro- zent, der mütterlichen Dosis ankommt, reichen zwei Halbwertszeiten zum Schutz des Säuglings aus. Neben der Lipophilie muss zudem die Basizität der Substanzen näher betrachtet werden. Aufgrund des pH-Gefälles von pH 7,4 im mütterlichem Plasma und pH 6,8 bis 7,1 in der Muttermilch, diffundieren schwache Basen leichter als saure Mole- küle – z. B. NSAR. 6,8 Zur Beurteilung wie ausgeprägt der Über- tritt eines Moleküls in die Muttermilch ist, verwendet man den Milch-Plasma-Quo- tienten (M/P-Quotient). Je niedriger der Wert des M/P-Quotienten ist, umso gerin- ger ist der zu erwartende Wirkstoffspie- gel in der Muttermilch. Allerdings gibt der M/P-Quotient (s. Tabelle 1) nur Hinweise auf das Maß des Übertritts, nicht auf tatsächliche Wirkspiegel, da diese vom Wirkspiegel im mütterlichen Plasma ab- hängig sind, die nicht berücksichtigt sind. Deshalb lassen sich mögliche Risiken oder UAW für den Säugling nur unzureichend abschätzen. Auch die Zusammensetzung der Muttermilch selbst, die sich während der Stillphase ändert (z. B. Kolostrum oder reife Frauenmilch) haben Einfluss auf den M/P-Quotienten. Seit einigen Jahren wird zwischen vier Übertrittsarten aus dem Plasma in die Muttermilch unterschieden. 4 Dabei wer- den sowohl aktive als auch passive Trans- portprozesse berücksichtigt: · Gruppe A – annähernd, nur leicht zeit- versetztes, paralleles An- und Abfluten dieser Substanzen im Plasma und in der Muttermilch, wobei fast der gleiche Wirkstoffspiegel erreicht wird, · Gruppe B – hier existiert ein aktiver Transportmechanismus vom Plasma in die Milch, Milch-Plasma-Quotient

FALLBEISPIEL AUS CIRS NRW: BERATUNG BEI ABGABE IST WICHTIG

Durch ein Kind wurde in der Apotheke für die Mutter ein Rezept über Biso­ prolol comp 5/12,5 eingelöst. Die Mut- ter (Altersgruppe 31-40 Jahre), bringt das Medikament einige Tage später zurück in die Apotheke. Sie sollte das erstmals in der Schwangerschaft ver- ordnete Methyldopa auch während der Stillzeit weiter einnehmen. Da ihr dies vor Öffnen der neuen Packung aufgefallen ist, hatte sie noch keine Tablette von Bisoprolol comp einge- nommen. Bisoprolol und Methyldopa werden zur Behandlung der Hyperto- nie eingesetzt. Dabei gilt Methyldopa sowohl während der Schwangerschaft als auch der Stillzeit aufgrund der Er- fahrung und der HWZ der Substanzen (Bisoprolol 10 bis 12 h, Methyldopa 1,5 bis 2 h) als Mittel der ersten Wahl. Der vorliegende Fall macht deut- lich, wie wichtig die Beratung des Patienten im Rahmen der Abgabe des Arzneimittels ist. Dabei wäre der Mutter das Versehen bestimmt so- fort aufgefallen, das nicht gewünsch- te Arzneimittel, das nun vernichtet werden muss, gar nicht erst abgege- ben worden und die Verordnung hät- te zeitnah geändert werden können. Bei der Ersttherapie mit Betablockern während der Stillzeit sollte auf altbe- währte Substanzen wie Metoprolol, Oxprenolol, Propanolol oder Pindolol zurückgegriffen werden, da für die neueren Wirkstoffe die Datenlage un- zureichend ist.

Was passiert beim Säugling?

Nach der Geburt stellt sich im Verlauf von einigen Wochen und Monaten der Organismus des Säuglings vom feta- len Modus auf das Leben außerhalb des Mutterleibs um. Besonders deutlich wird die Umstellung im Blutbild. In den ersten

POSITIV BEURTEILT: STILLEN UNTER METHADON

Stillen unter Methadon ist, sofern kei- ne weiteren gesundheitlichen Risiken (z. B. HIV positiv) vorliegen und neben dem Substitutionsmittel kein weiterer Drogengebrauch stattfindet, ohne Pro- bleme für den Säugling möglich. Die Methadonkonzentration in der Mut- termilch zeigt keinen neuropsycholo- gischen Effekt beim Säugling, da die aufgenommene Menge relativ gering bleibt. 9 Durchschnittlich 0,02 bis 0,57 µg/ml können in der Muttermilch bei einer mütterlichen Dosis zwischen 10 bis 105 mg/Tag nachgewiesen wer- den. Inzwischen wird durch Geburts- kliniken das Stillen bei stabil mit Me- thadon eingestellten Müttern positiv bewertet und gefördert.

TABELLE 1: M/P-Quotient einiger ausge- wählter Wirkstoffe 2,6

Symptome

M/P-Quotient

ASS

0,1 1,0

Ethanol

Jodid

20,0

Digoxin

0,8

Cephalosporine

0,023

Metformin

0,35-0,63

Lithium

0,5

Loratadin

1,17

Nicotin

2,9

Propanolol Theophyllin

0,56

0,7

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