12 2014

AKTUELL

Föderalismus unter Druck Die Tendenz zu zentralistischen Lösungen macht nicht nur den Gemeinden zu schaffen. Entscheide über Leistungen werden immer weniger dort gefällt, wo die Kosten getragen werden müssen. Das widerspricht der Bundesverfassung.

Es ist eine betriebswirtschaftliche Bin- senweisheit, dass Mittel und Kompeten- zen dort vorhanden sein müssen, wo Aufgaben zu lösen sind. Das war auch die Idee der letzten Föderalismusreform. «Doch dieses Prinzip ist in den letzten Jahren zunehmen verwischt worden», sagt Eva Maria Belser, Professorin für Verfassungsrecht an der Universität Frei- burg, «die Entscheide über Leistungen fallen in verschiedenen Bereichen nicht mehr dort, wo sie bezahlt werden müs- sen.» Das Prinzip «die Letzten beissen die Hunde» sei gegen Sinn und Geist der Verfassung. Probleme seien erst gelöst, «wenn sie gelöst sind und nicht wenn man sie an einen anderen Ort verschiebt. Alt Bundesrat und Justizminister Ar- nold Koller, der mit dem ersten Födera- lismuspreis geehrt worden ist, beob- achtet«dieschleichendeZentralisierung» ebenfalls. «Die Verlockungen zentralisti- scher Lösungen sind omnipräsent, sei es aus Gründen der Gerechtigkeit, der Fi- nanzierung oder der Effizienz.» Die Prä- ambel der Bundesverfassung, «Einheit in derVielfalt zu leben und nicht in einem Einheitsbrei, ist eine ständige Herausfor- derung», sagte Koller.

Zum Beispiel Atomausstieg Es ist beileibe nicht so, dass nur die Ge- meinden unter der Zentralisierung lei- den. Auch die Kantone tun es. So be- klagte der Präsident der Konferenz der

Eva Maria Belser, Professorin für Verfassungsrecht.

Allgemein war man sich an der Konfe- renz einig, dass das Modell Schweiz ein Erfolgsmodell ist. Allerdings hat dieser Erfolg auch eine Kehrseite. Der Druck für Reformen ist klein, das schafft wenig Raum für grosse Würfe. Eine grosse Rolle spielen dabei die funktionalen Räume, in denen künftig mehr und mehr zusammengearbeitet werden muss. Der Politologe Daniel Bochsler sagte, es sei nötig, dass politische und funktionale Räume, die auseinanderdriftet, künftig wieder zusammengeführt würden. Der Weg dahin wird aber über Optimierun- gen führen. Denn Strukturen, die über 200 Jahre gewachsen sind, lassen sich nicht auf die Schnelle ändern. In den nächsten Jahren kommen zwar grosse Herausforderungen auf unser Land zu, gerade dank dem Föderalismus sind sie aber zu bewältigen. czd

Kantonsregierungen KdK, Jean Michel Cina, dass der Bundesrat, denAtomaus- stieg in Eigenregie beschlossen habe, ohne die Kantone auch nur anzuhören. Obwohl die Kantone von diesem Ent- scheid massiv betroffen sind. Ohne Gemeinden keine Chance Cina als ehemaliger Gemeindepräsident von Salgesch kennt auch die Lage der Gemeinden und betonte, wie wichtig die Bürgernähe der Gemeinden ist. Er sagte gegenüber der «SG»: «Ein Projekt gegen den Willen der Gemeinden durchzudrü- cken, ist unmöglich.» Er rief die Gemein- den aber auch auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen. Solidarität sei kein ein- seitiges Geschäft. Neben der Solidarität des Starken mit den Schwachen gebe es auch die solidarische «Pflicht,Verantwor- tung wahrzunehmen und die Aufgaben zu lösen».

Pascal Boulis,

Bilder: Hanspeter Bärtschi

Arnold Koller und Benedikt Würth.

Infos: www.foederalismus14.ch

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SCHWEIZER GEMEINDE 12 l 2014

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