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GEMEINDEPORTRÄT

nehmung Marti. Der Grund ist die «Ver- knappung des Baulands in der Region Bern», aber auch die Nähe zur Autobahn beziehungsweise zur Eisenbahn. In nur einem Jahrzehnt entstanden über 800 Arbeitsplätze. Und diese Entwicklung ging weiter. Das Shoppyland öffnete 1975 als eines der ersten Einkaufszent- ren der Schweiz «auf der grünenWiese» die Türen. Die Eigentümerin Migros baute zehn Jahre später auch eine Be- triebszentrale. Sie versorgt heute 230 Supermärkte, Fachmärkte und Restau- rants in den Kantonen Aargau, Solo- thurn und Bern. 1988 zog der Kaffeema- schinenbauer Schaerer hierher, 1991 der Inneneinrichter Interio, 2003 kam der Fachmarkt Obi. Gesundheit der Finanzen gefährdet Das schnelleWachstum verlangte Infra- struktur. 1963 wurde die Schule Staffel für 1,3 Millionen Franken gebaut. Eine Erweiterung für fünf Millionen war 1974 nötig. In jenem Jahr folgte der Bau eines Mehrzweckgebäudes. Das alte Schul- haus wurde 1976 renoviert und umge- baut. 1979 war ein Doppelkindergarten nötig. Ab 1982 wurde die Schulanlage Staffel 3 mit einer Dreifachturnhalle ge- baut. Auch das Gemeindehaus genügte nicht mehr, ein Neubau musste her. Zwei Wohnungen, der Werkhof, das Feuer- wehrmagazin und die Zivilschutzanlage für insgesamt vier Millionen Franken sind seither vereint. DiesesWachstum ist auf den Landeskar- ten zu sehen, die alle sechs Jahre nach-

geführt werden. 1975 stand das Schul- haus auf dem Staffel noch allein, die Hügel am Fuss des Wiliwald waren unverbaut. Eine Kartenrevision später hat sich das Siedlungsgebiet entlang der Strassen ausgedehnt. Noch eine Revision später sindweitere Flächen über- baut. Wäre es nach den Planern gegan- gen, wäre diesesWachstumweitergegan- gen. Laut einem Artikel in der Zeitung «Der Bund» vom 5. Oktober 1972 sollte die Bevölkerungszahl 1980 zwischen 4000 und 4500 Personen betragen. Im Jahr 2000 sollten es gegen 6500 Per- sonen sein. Nach finanziell ruhigen Jahren waren die Zahlen Ende des 20. Jahrhunderts rot. Bisher hatte die Gemeinde von den grossen Firmen im Ort profitiert, aber Mitte der 1990er-Jahre stagnierte die Schweizer Wirtschaft. 1996, im Jahr, als Peter Bill in den Gemeinderat gewählt wurde, drehte auch in Moosseedorf der Wind. 1995 hatte die Rechnung noch ei- nen Überschuss von 1,1 Millionen Fran- ken ausgewiesen, budgetiert waren le- diglich 57 000 Franken. Man dachte über eine Steuersenkung nach, die nach eini- gem Hin und Her 1999 auch angenom- men wurde. Prompt schloss die Rech- nung 1999 mit einem Defizit. Der Gemeinderat hielt jedoch an «einer wirt- schaftsfreundlichen Steueranlage» fest. Wissend, dass die kommenden Jahre finanziell eng sein würden. Die Freude an den tiefen Steuern hielt nicht lange an. Die letzte Rechnung des alten, SVP-dominierten Gemeinderats

war tiefrot: Nach Verbuchung des or- dentlichen Ertrages und des Aufwandes wies sie einen Verlust von 807000 Fran- ken aus. Zur Deckung dieses Defizits wurde das komplette Eigenkapital in Höhe von knapp 600000 Franken ver- wendet. Die restlichen 207000 Franken konnten nur durch eine «ziemlich aben- teuerlich anmutende buchhalterische Turnübung aufgebracht werden», wie die «Berner Zeitung» schrieb. Liegen- schaften wurden bis zu den Gestehungs- kosten aufgewertet, was einen Buchge- winn von knapp 1,5 Millionen Franken ergab. Dieser Erlös wurde für Abschrei- bungen auf dem Verwaltungsvermö- gen verwendet. Daran, dass der bud- getierte Aufwandüberschuss um den Faktor fünf überboten wurde, waren nach Ansicht des damaligen Finanzvor- stehers Andreas Rösch in erster Linie die fremdbestimmten Beiträge an den Kan- ton und die Gemeindeverbände schuld: «Letztes Jahr mussten wir dafür über 1,6 Millionen Franken mehr aufwenden als 1994», stellte er fest. Angesichts des angespannten Finanz- haushalts verlief der Wahlkampf ums Gemeindepräsidium heftig, ja gehässig. «Wie kommen die Gemeindefinanzen wieder ins Lot?», so lautete die bestim- mende Frage. Soll gespart oder inves- tiert werden?Wie kommen Steuerzahler ins Dorf? Offen war auch die Frage, wie der Finanz- und Lastenausgleich zwi- schen Kanton und Gemeinde wirken würde. Es kam zu einer Kampfwahl zwi- schen Jürg Pozzi (SP) und Peter Bill

Der Moossee im November. Im Frühling erreicht das Gewässer schnellTemperaturen von 20 Grad und mehr. In der Region bekannt ist auch die Fischzucht.

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SCHWEIZER GEMEINDE 12 l 2014

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