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DAS NORMDEFIZIT

können, gilt es, den Themenbereichen Koordination und Zusammenarbeit, Pla- nungssicherheit und Überprüfung der Struktur vermehrt Rechnung zu tragen. Die Zeiten, da jede Gemeinde über ein eigenes Alters- und Pflegeheim verfü- gen sollte, sind vorbei. Es sind regionale oder gar überregionale Lösungen anzu- streben. Damit dies jedoch möglich wird, sind Koordinationsgefässe zu schaffen. Schliesslich sind auch die Kantone ge- fordert. Mit der Schaffung vonTranspa- renz im Zusammenhang mit geplanten privaten Plänen für Seniorenresidenzen oder Pflege- und Alterseinrichtungen sollten sie die Grundlage für Absprachen anbieten und die Koordination erleich- tern. Die Gemeinden ihrerseits sollten offen werden für neue Modelle zur Ge- staltung des Angebotes für die älter wer- dende Bevölkerung. Neben der Unter- stützung von neuen Wohnformen geht es auch darum, sich nicht mehr als Ei- gentümer von Pflegeeinrichtungen zu exponieren, sondern Partnerschaften einzugehen und die Versorgungssicher- heit mit entsprechenden Verträgen zu gewährleisten. Schliesslich sei an dieser Stelle auch der Forderung nochmals Nachdruck verliehen, dass die medizini- sche und pflegerische Grundversorgung grundsätzlich eineVerbundaufgabe aller Leistungserbringer sein soll. Jörg Kündig ist Präsident des Gemein- depräsidentenverbands (GPV) des Kan- tons Zürich, Verwaltungsratspräsident des GZO-Spitals inWetzikon und Vor- standsmitglied des Schweizerischen Gemeindeverbands (SGV)

Rechts: «Die Zeiten, da jede Gemeinde über ein eigenes Al- ters- und Pflege- heim verfügen sollte, sind vorbei. Es sind regionale oder gar überregio- nale Lösungen an- zustreben», sagt GPV-Präsident Jörg Kündig. Bild: SGV Links: Für Zürcher Gemeinden (im Bild die Stadt Zürich) gilt ein kantonsweites Normdefizit als Ba- sis zur Finanzierung der Pflegeversor- gung. Bild: ZürichTourismus

wenn die Einrichtung in ihrer Führungs- verantwortung liegt, also der Gemeinde selber gehört. Dann ist diese jedoch auch verpflichtet, entstehende jährliche Defi- zite auszugleichen. Wenn es eigenstän- dige oder private Institutionen oder Un- ternehmen sind, können die Gemeinden über eine Leistungsvereinbarung auf den zu leistenden Kostenersatz Einfluss nehmen. Unterbelegung der Betten als Gefahr Viele Gemeinden stehen vor der Frage, wie sie der Herausforderung der zuneh- menden Alterung ihrer Bevölkerung be- gegnen wollen. Die Kombination von Finanzierungsmodell und demografi- scher Entwicklung macht das Geschäfts- feld «Wohnen imAlter» auch für private Anbieter interessant. Durch entspre- chende Bauvorhaben entsteht innerhalb einer Gemeinde nicht selten eine Kon- kurrenzsituation. Hinzu kommt, dass die

ambulante Betreuung der pflegebedürf- tigen Menschen immer höheres Gewicht erhält – dies durchaus gewollt. Neben der Verlagerung der personellen Ressourcen hat dies zur Folge, dass die Auslastung der Heime zunehmend pro- blematisch wird. Selbst unter den Ge- meinden entsteht dadurch zunehmend einWettbewerb um die Belegung. Wettbewerb ist grundsätzlich positiv zu werten, wenn denn die Mitbewerber auf sich ändernde Situationen angemessen reagieren und ihr Angebot anpassen können. Bei den Gemeinden ist das sehr häufig nicht der Fall. Sie sind kaum in der Lage, stationäre Pflegeeinrichtungen einem anderen Zweck zuzuführen. Da- durch erhöht sich für sie das Eigentü- merrisiko deutlich. Es drohen Leer- stände, welche wiederum zu einer Belastung für die Eigentümergemeinden werden. Damit diese Risiken abgewen- det oder zumindest reduziert werden

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SCHWEIZER GEMEINDE 2 l 2018

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