Blickpunkt Schule 5/2021

Bild: Engel73|endstern|Peter Kensbock/AdobeStock [Fotomontage]

Editorial

Von Löwenstärke, Balsam und Kapitänen

E in Jahr kann sehr unterschied- lich sein. Ein glänzendes Ge- schäftsjahr erlebt gerade die Firma Biontech, zu Recht, hat sie doch mit einem Impfstoff einen Segen in die pandemiegeplagte Zeit gebracht. Im laufenden Schuljahr versuchen die Schulen dagegen über die Corona- Winterwelle zu kommen, die Lern- und Erziehungssituation zu stabilisie- ren, den an die Corona-Regeln ange- passten Schulalltag mit allem, was dazu gehört, aufrechtzuerhalten – und halten dabei die Luft an. Glän- zend ist hier wenig, ein Mangel an Widrigkeiten herrscht nicht. Es ist die permanente Beanspru- chung durch die Pandemie, einmal mit, einmal ohne Maske. Stoßlüften und Schnelltesten gehören mittler- weile zum Alltagsgeschäft, Unterstüt- zung durch Lüftungssyteme in der Re- gel leider nicht. Und das regelmäßige Testen kostet Zeit, die für den Fach- unterricht fehlt. Schutzkonzepte, Hy- gienepläne, Leitfäden wollen beach- tet werden, aber das Schulleben hat seine eigene Dynamik mit den diver- gierenden Temperamenten der Betei- ligten. Über allem schweben – Damokles- schwertern gleich – die Lernrückstän- de und die psychischen und psychoso- zialen Corona-Folgen in der Schüler- schaft. Mit einem Förderprogramm möchte die hessische Landesregie-

bracht. Was nutzen die diversen An- gebote, wenn es im regulären Unter- richt weitergeht wie bisher – also oft mit zu großen, sehr inhomogenen Lerngruppen, personellen Engpässen, mit Verhaltensauffälligkeiten in der Schülerschaft aufgrund von mangeln- dem familiären Rückhalt, auch auf- grund der psychischen Belastungen in der Krise. Da ist ein solches Programm nur sanfter ’Balsam‘ in einer Dauer- situation . Seit geraumer Zeit ist oh- nehin die Tendenz zur Niveauverfla- chung nicht mehr zu übersehen. Wir erwarten von der Politik den Mut, ge- rade für den Schulabschluss ’Abitur‘ den Absolventen konsequent beson- deren Lerneinsatz, aber auch entspre- chende Leistungen abzuverlangen. Mittelfristig ist es notwendig zu überprüfen, wie sich die ’löwenstar- ken‘ Maßnahmen niederschlagen, um entsprechend nachsteuern zu können, und zwar in voller Breite der Bildung. Nicht hilfreich, nachgerade schädlich sind vorschnelle Forderungen nach ’Entschlackung’ – zweifelsohne ein hässliches Wort – der Lehrpläne und Streichung von Inhalten und Prüfun- gen: in unserem Bereich der gymna- sialen Bildung ein Bärendienst! Bereits vor der Pandemie stellte die gestiegene Heterogenität der gymna- sialen Schülerschaft die Lehrkräfte vor besondere Probleme. Die >>

von REINHARD SCHWAB Vorsitzender des Hessischen Philologenverbandes

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rung Abhilfe initiieren, es ist mit dem Corona-Aufholpaket der Bundesre- gierung verzahnt. Man setzt dabei stark auf Kooperationen mit außer- schulischen Partnern. Das ministerielle Programm will ’löwenstark’ sein und spricht sich damit gewissermaßen selbst Mut zu. Gut gemeint ist jedoch nicht immer gut gemacht. Es eröffnet zwar eine breite Palette von Maßnahmen – vom Schwimm- über Deutsch- und Mathe- matik- bis zumYogakurs. Die Schulen dürfen sogar individuell und flexibel über den Einsatz der Mittel entschei- den, was zu begrüßen ist. Allerdings belastet zum einen der Verwaltungs- aufwand zusätzlich, zum anderen ge- staltet sich nicht selten auch die Su- che nach geeignetem Personal als überaus schwierig. Im Übrigen wäre die Effizienz der Maßnahmen auszu- loten: Was bringt das Millionenpro- gramm wirklich? Ist es tauglich, um Lernrückstände aufzuholen, auch um sozial-emotionale Kompetenzen zu stärken? Hier sind wohl Zweifel ange-

SCHULE

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