Blickpunkt Schule 5/2021

schutz, um zu überleben und ummöglichst ’ungescho- ren‘ durch den Schulalltag zu kommen. Dass diese Entwicklung keine seltene ist, haben wir durch den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen an- derer Schulen erfahren – in vielen Schulen herrscht eine ähnliche Situation. Dass diese Entwicklung, die man eher in Wirtschaftsunternehmen verorten würde, nun auch im Bereich der Schulen anzutreffen ist, ist angesichts unse- res Erziehungsauftrags, junge Menschen zu selbstbe- wussten und verantwortungsvollen Bürgern zu erziehen, geradezu paradox. In einer solchen Atmosphäre kann keine gute, nachhal- tige pädagogische Arbeit gedeihen. Eine Lösung kann nur in systemischen Veränderungen bestehen – Appelle, Ermahnungen, Einbestellungen hel- fen nicht weiter. Die Position eines Schulleiters verlangt neben fachlichen und organisatorischen Kompetenzen eine herausragende Persönlichkeit, die sich auszeichnet durch Mitmenschlichkeit, Wertschätzung, Intuition und Empathie. Und die im Umgang mit Personen und Konflik- ten stets bereit ist, einvernehmliche Lösungen zu finden. Insofern bedarf das Einstellungsverfahren einer drin- genden Reform. Bei dem Auswahlprozess müssen Mit- glieder der Schulgemeinde aktiv beteiligt werden. Perso- nalrat, Schüler-, Elternvertreter sollten mit eingebunden werden. Nach einer fünfjährigen Amtsperiode wird er- neut entschieden, ob diese zu verlängern ist. Die übergeordneten Dienststellen (Staatliches Schul- amt/Hessisches Kultusministerium) sind aufgefordert, eingehende Beschwerden zeitnah zu bearbeiten. Und zwar nicht im Sinne diese möglichst schnell abzuweisen, sondern sorgfältig zu prüfen und nachhaltige Lösungen zu finden. Entsprechende Gesetzesänderungen imDienstrecht müssen konkreteVorgaben enthalten, was die Qualifikatio- nen und Amtsführung eines Schulleiters betreffen, gerade imHinblick auf die Gestaltung eines einvernehmlichen, konstruktiven Miteinanders innerhalb der Schulgemeinde. Aufgabe sowohl des Gesamt- als auch Hauptpersonal- rats muss es sein, engere Kontakte zu den Personalräten zu knüpfen und sich für deren Belange vor Ort einzuset- zen. Sie müssen dringend auf Veränderung gesetzlicher und organisatorischer Strukturen drängen. Es darf nicht sein, dass – zusätzlich zu all den anderen Problemen, die der Schulalltag mit sich bringt – massive Verluste an Energien, Engagement, Enthusiasmus auf- grund von Missmanagement auftreten.

’Löwenstark’ führt nicht zumZiel

6 Klartext SCHULE

Bild: Li-Bro/AdobeStock

W as benötigen Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler im Anschluss an ein vom Distanz- unterricht geprägtes Schuljahr? Die Landes- regierung lobte zu Beginn des aktuellen Schuljahres ein ’Jahr des Aufholens’ aus und steckte viele Millionen Euro aus Bundesmitteln in das Aufholprogramm ’Löwenstark’ zum Ausgleich von Lernrückständen. Doch wenn man nach nun knapp vier Monaten regulären Unterrichts kon- kret in die Kollegien hineinhört, welche Herausforderun- gen uns aktuell begegnen, dann hört man doch eher sel- ten Klagen über Wissenslücken oder Lernrückstände. Ohne Zweifel: Auch sie gibt es und auch sie bedürfen der Aufarbeitung. Was meine Kolleginnen und Kollegen und mich selbst jedoch noch mehr als das fordert, sind die so- zial-emotionalen Folgen des vergangenen Schuljahres: Ich kann mich meines Eindruckes nicht erwehren, dass wir es verstärkt mit psychischen Erkrankungen bei den Schülerinnen und Schülern zu tun haben. Ganz zu schweigen davon, dass in mancher Lerngruppe ein Arbeits- und (!) Sozialverhalten scheinbar wieder von Grund auf neu erlernt werden müssen. Wollen wir eine nachhaltig erfolgreiche Lernsituation schaffen, kommen wir um solche Themen nicht herum. Anschließend haben sicherlich auch Lernrückstände ihre Priorität. Und das führt uns wieder zum Anfang, zu ’Lö- wenstark’, zu den Geldern der Bundesregierung zu ihrem Einsatz in Hessen. Anstatt zusätzliches Geld für Kompen- sation bereitzustellen, wäre uns Lehrkräften doch viel eher damit geholfen, mehr Zeit für einzelne Schülerinnen und Schüler zu haben. Mit ihnen muss zuvorderst sozial- emotional gearbeitet werden, sie müssen in einen ’Schul- modus’ zurückgeholt werden, in dem ein Unterricht über- haupt wieder möglich wird. Dabei wird uns kein ’Löwen- stark’ helfen. Dabei helfen uns nur eine reduzierte Pflichtstundenzahl und kleinere Lerngruppen. Schade: Sowohl unsere Bundesregierung als auch unsere Landes- regierung haben die Chance vertan, diese Hebel in der aktuellen Lage einzusetzen. Unsere coronageplagten Schülerinnen und Schüler brauchen keine Zusatzpro- gramme, sie brauchen zusätzliche Zeit! Alexander Schmitt, Rhönschule Gersfeld Stundenzahl und Gruppengröße sind die Schlüssel

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