Blickpunkt Schule 2/2023

Foto: studio v-zwoelf/AdobeStock

Politische Bildung

Antisemitismusprävention in der Schule F ür das Jahr 2022 verzeichnete das Bundeskriminalamt im Be reich ‘judenfeindlicher Gewalt Offener und verdeckter Antisemitismus Offene Erscheinungs formen des Antisemitismus

Der etwas weniger abstrakt wirkende Satz von Theodor W. Adorno bezeich net den Antisemitismus als »[…] Ge rücht über die Juden […]« 5 und betont damit den tradierten und über Jahr hunderten stereotypisierten Antisemi tismus, der vielen immer noch zu we nig im Alltag bewusst ist. Seit Jahr hunderten werden Stereotype sprach lich tradiert offen und verdeckt »zwi schen den Zeilen« weitergegeben, wobei die Grenzen zwischen ‘offen’ und ‘verdeckt’ fließend sind. In Fällen von verdecktem Antisemitismus wird den Rezipientinnen und Rezipienten – zumeist Kindern – seit Geburt eine gewisse Haltung gegenüber ‘dem Ju dentum’ oder ‘den Juden’ beige bracht. Dieser Prozess ist schleichend und dadurch, dass er negativ konno tiert ist, bleibt ein negatives, mulmiges Gefühl, welches sich dem vermeintlich ‘Fremden’ widmet. Vermeintlich des halb, weil vorletztes Jahr in Deutsch land ‘1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland’ gefeiert wurde. Hier fällt es schwer, von objektiver Fremdheit in Bezug auf das Judentum in Deutsch land zu sprechen. Es sei denn, das subjektive Gefühl der Fremdheit wird eigens über entsprechende Mechanis men kreiert. Zur Abgrenzung werden jüdische Menschen oft als homogene Gruppe konstruiert, mit bestimmten meist negativen Merkmalen.

taten’, worunter beispielsweise ge fährliche Körperverletzungen und Brandanschläge fallen, einen signifi kanten Anstieg im Jahr 2022 imVer gleich zumVorjahr. 1 Was ist Antisemitismus? Antisemitismus wird unterschiedlich definiert. Die Bundesregierung hat am 20. September 2017 durch Kabi nettsbeschluss die IHRA 2 -Definition verabschiedet, die Antisemitismus als, »[…] eine bestimmte Wahrneh mung von Jüdinnen und Juden [be schreibt], die sich als Hass gegen über Jüdinnen und Juden ausdrü cken kann. Der Antisemitismus rich tet sich in Wort oder Tat gegen jüdi sche oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Ei gentum sowie gegen jüdische Ge meindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen 3 .« Die Bundesregie rung fügte der IHRA-Definition – ebenso per Kabinettsbeschluss – den Passus: »Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.« 4 hinzu. Damit verdeutlicht die Bundesregie rung, dass sie israelbezogenen Anti semitismus explizit als bedrohliche Form des Antisemitismus sieht und bekämpfen möchte.

Antisemitismus zeigt sich in vielen unterschiedlichen Formen, zumeist in Sprache selbst, wie jedoch im letzten Jahr erneut deutlich wurde auch in bildlicher Form 6 . Zu benennen wären hier beispielsweise religiöser Antise mitismus, auch Antijudaismus ge nannt (Dämonisierung von Juden, Mythen der Hostienschändung und der Brunnenvergiftung sowie die Ri tualmordlegenden des Mittelalters, deren Bilder und Formen bis in aktu elle Verschwörungserzählungen ein wirken 7 ), sozialer Antisemitismus (beispielsweise Narrative von Jüdin nen und Juden der amerikanischen Ostküste/Wallstreet als besonders finanzkräftig), politischer Antisemi tismus (beispielsweise Narrativ der politischen Lenkungsmacht von Jü dinnen und Juden, welche das politi sche Weltgeschehen beeinflussen würden), rassistischer Antisemitis mus (beispielsweise Narrativ von Jü dinnen und Juden als angeblich ei gene Rasse), Post-Holocaust-Anti semitismus (beispielsweise Holo caust-Relativierung oder Holocaust Leugnung), israelbezogener Antisemitismus (beispielsweise Jü dinnen und Juden als vermeintliche Repräsentanten für die Politik des Staates Israel, Absprechen der Exis tenz des Staates Israel). 8

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