Blickpunkt Schule 2/2023

Konzept wurde also zunächst in Nord rhein-Westfalen aufgegriffen und ver breitete sich von dort aus, sodass nach und nach auch Schulgemeinden aus anderen Bundesländern aktiv wurden. 2001 wurde der Sitz der Koordination schließlich von der ehemaligen Lehre rin und heutigen Direktorin des Netz werkes SanemKleff von Bonn nach Berlin verlegt. Seitdem heißt das Pro jekt auch Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage und legt den Fokus darauf, die Schulen und ihre Schulkul tur dauerhaft zu verändern. Mittlerwei le ist es mit etwa 3800 Schulen das bundesweit größte Schulnetzwerk in Deutschland. In Hessen gibt es das Projekt seit 2016. Trägerin ist die Bil dungsstätte Anne Frank in Frankfurt amMain, die aktuell über 160 hessi sche Netzwerkschulen begleitet. ?? Hat es Ihres Erachtens in der ver gangenen Zeit Ereignisse und Entwicklungen gegeben, die dazu beitragen konnten, dass Rassismus heute eher als in früheren Jahren beimNamen genannt wird? !! In den letzten Jahren hat es einige einschneidende Ereignisse gege ben, die mit großer Wucht verdeutlicht haben, wie wichtig es ist, sich tagtäg lich aufs Neue für die Gleichwertigkeit aller Menschen einzusetzen. In trans nationaler Hinsicht denke ich an die Black-Lives-Matter-Bewegung, die insbesondere 2020 durch die Tötung George Floyds eine erhöhte Wahrneh mung erfahren und rassistische Poli zeigewalt sowie die strukturelle Diskri minierung von Schwarzen und People of Color in den Vordergrund gerückt hat. Mit Deutschland assoziiere ich hier die Morde des NSU oder den ras sistischen Anschlag in Hanau im Feb ruar 2020. Dabei ist es auch der Auf klärungs- und Erinnerungsarbeit der Hinterbliebenen und Überlebenden zu verdanken, dass der Rassismus, der zu diesen Taten führte, überhaupt erst beim Namen genannt und im öffentli chen Diskurs thematisiert wird. Viele möchten sich weiterbilden und mög lichst diskriminierungs- und rassis mussensibel verhalten. Andererseits gibt es jedoch auch solche, die struk

turellen und institutionellen Rassis mus weiterhin leugnen. Daher ist es so wichtig, dass sich Bildungsangebote nicht nur an junge Menschen, sondern auch an Erwachsene richten. Rassis mus muss gesamtgesellschaftlich be trachtet und bearbeitet werden. Wie notwendig das ist, zeigt der Blick in die sozialen Netzwerke und Nachrichten, zum Beispiel bei hitzigen Diskussionen um Schutzsuchende. ?? Wie versteht das Netzwerk den Rassismusbegriff und welche Angebote werden den hessischen Schulen in diesem Zusammenhang von demNetzwerk unterbreitet? !! Das Courage-Netzwerk definiert den Begriff Rassismus als eine Ideologie, welche an die Existenz menschlicher ‘Rassen’ glaubt und be stimmten genetischen Eigenschaften, kulturellen Verhaltensweisen und äu ßerlichen Merkmalen eine meist ne gative Bedeutung zuschreibt. Diese Idee ist wissenschaftlich natürlich längst widerlegt, führt aber bis heute dazu, dass Personen aufgrund ihrer Herkunft, ihres Äußeren, ihrer Religion oder ihrer Kultur abgewertet und als ‘fremd’, ‘anders’ und weniger wertvoll markiert werden. Anhängerinnen und Anhänger der Ideologien nutzen Sie als Rechtfertigung zur Ausgrenzung bestimmter Gruppen innerhalb der Gesellschaft. Bei Rassismus geht es somit immer auch um Unterdrückung. Die Landeskoordination bietet in diesem Zusammenhang Fortbildun gen und Workshops an, die Lehrkräf ten, Schulsozialarbeiterinnen und So zialarbeitern sowie Schülerinnen und Schülern dabei helfen sollen, Rassis mus zu erkennen und Handlungsop tionen gegen menschenfeindliche Ideologien zu entwickeln. Denn es geht nicht nur darum, sich gegen Ras sismus einzusetzen, sondern gegen jedwede menschenfeindliche Ideolo gie, also auch gegen Antisemitismus, Antiziganismus et cetera. Außerdem können sich die Aktiven bei der Pla nung von eigenen Projekten an uns wenden, zum Beispiel um geeignete Referentinnen und Referenten oder Veranstaltungsformate zu finden.

Sollten an einer Courage-Schule ras sistische oder diskriminierende Äuße rungen oder Handlung vorkommen, die nicht schulintern aufgearbeitet werden können, vermitteln wir an ge eignete Beratungsstellen und schau en natürlich auch, welche langfristi gen Präventivangebote wir bereitstel len können. ?? Wie wird Rassismuskritik in den Schulen, die Teil des Netzwerkes sind, gelebt? !! Courage-Schulen müssen zu nächst grundsätzlich anerkennen, dass Rassismus und andere Ungleich wertigkeitsideologien existieren, um aktiv dagegen vorgehen zu können. Darüber hinaus verpflichten sich die Schulgemeinden mit dem Netzwerk eintritt auch dazu, sich offen mit Ge walt sowie diskriminierenden Äuße rungen und Handlungen im eigenen Schulbetrieb auseinanderzusetzen und diese aufzuarbeiten. Denn natür lich ist eine Schule, die sich dem Cou rage-Netzwerk anschließt, dadurch nicht vor solchen Vorfällen gefeit. Wichtig ist aber, dass die Schule eine besondere Verpflichtung eingeht, Be troffene ernst zu nehmen und sie zu unterstützen. Dabei kann ein ange messenes Vorgehen auch darin beste hen, seine Grenzen zu erkennen und sich extern beraten zu lassen. Eine große Stärke des Projektes ist außerdem, dass es nicht überall iden tisch umgesetzt werden muss. Das En gagement der Schulen und ihre Schwerpunktsetzung kann daher sehr unterschiedlich aussehen – und genau das ist auch gewünscht. Für die eine Schulgemeinde kann es besonders re levant sein, zu Queerfeindlichkeit auf zuklären, eine andere möchte den Fo kus vielleicht eher auf das Thema Rechtsextremismus setzen, weil Flyer mit rechtsextremen Symbolen auf dem Schulhof verteilt worden sind. Die Pandemie machte es den Schulgemeinden in den letzten Jah ren natürlich nicht leicht, aktiv zu bleiben. Umso beeindruckender ist es, mit wie viel Einsatz und Kreativität es vielen dennoch gelungen ist. So haben Schülerinnen und Schüler ei

Politische Bildung

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SCHULE

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