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Business Geomatics 7/22 | 05. Dezember 2022

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Zwillinge groß gedacht

Mikroklima im Fokus

Aus einem Digitalen Zwilling von ganz Deutschland ließen sich verschiedene Fachinfor mationen ableiten, etwa zu Stromtrassen, Windkraft, So lardächern oder zum Bestand an Vegetation.

Transiente Strömungssimulation eines Bebauungsszenarios mit Ansys Discovery.

S tädte rücken zunehmend in den Mittelpunkt des Klimawandels, da sie einerseits enorme Mengen an Energie verbrauchen und andererseits einen erheblichen Anteil der weltweiten Treibhaus- gasemissionen verursachen. Spezifische Bedro hungen für Städte in diesem Zusammenhang können etwa Überschwemmungen aufgrund von häufiger auftretenden Starkregenereignissen oder Überhitzungen durch langanhaltend hohe Temperaturen sein. Um angesichts der weltweiten Urbanisierung – und der damit einhergehenden Verschärfung der Problematik – dennoch ein nachhaltiges städtisches Leben ermöglichen zu können, ist es von großer Bedeutung, Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel in den Fokus von Stadtentwicklung und -planung zu rücken. „Entscheidend für die Ergreifung geeigneter Maß nahmen in städtischen Gebieten und künftigen Entwicklungs projekten ist das Verständnis des Zusammenspiels zwischen der bebauten Umwelt und Umweltfaktoren wie Sonnenein strahlung und Aufheizungen, steigende Wasserstände oder Windströmungen. Der Einsatz digitaler Werkzeuge im Bereich der Stadtplanung für präventive Simulationen wird daher zu Recht zu einem Standardverfahren“, berichtet Dr. Stefan

Hexagon zeigt, wie ein Digitaler Zwilling von ganz Deutschland hergestellt werden könnte und welche innovativen Anwendungspoten ziale in einem solch revolutionären Ansatz liegen könnten.

Die Stadt Bremen nutzt einen Digitalen Zwilling, um mithilfe von Virtual City Systems Mikro klimasimulationen im Stadt gebiet durchzuführen und auf dieser Basis fundiertere und vorausschauende Entschei dungen treffen zu können.

Foto: Virtual City Systems GmbH Foto: Virtual City Systems GmbH

Foto: Hexagon Ltd.

Jürgen Dold, Executive Vice President bei Hexagon, ist überzeugt: Hexagons Digitale Zwillinge haben einen zehnmal höheren Informationsgehalt als alle Produkte, die in den letzten Jahren im Auftrag der Bundes länder erfasst worden sind.

Bild: Hexagon Ltd.; stux / pixabay

Visualisierung der Ergebnisse Im nächsten Schritt wurden die Bebauungsszenarien in die Simulationssoftware Ansys Discovery importiert. Mit den solaren Randbedingungen wurde nun eine detaillierte Tem peraturverteilung für die unterschiedlichen Szenarien mittels einer zeitabhängigen und an eine thermische Simulation ge koppelten Strömungssimulation berechnet. Hierfür wurden in jedem Zeitschritt die Veränderungen im Simulationsbereich für die physikalischen Größen Temperatur und Geschwindigkeit betrachtet. Doch wie aussagekräftig sind die erhobenen Daten über haupt? Und wie wird das geprüft? „Als Bewertungskriterium wurde die Temperaturverteilung in einer Höhe von 1,5 Metern über ein Gitter an Monitoringpunkten im Berechnungsgebiet ausgewertet und so auch in unserer Anwendung VC Map mit den Bebauungsszenarien visualisiert“, so Trometer. Um nun den Einfluss von beispielsweise Bäumen, entsiegelten Flächen oder begrünten Fassaden herauszuarbeiten, wurden Szenarien mit und ohne Veränderung analysiert und ausgewertet. „Durch die Überlagerung der Temperaturverteilung erhält man Tempera tur-Differenz-Plots, die den Einfluss aus der Modellveränderung veranschaulichen. So können schon in frühen Planungsphasen solche Effekte konkret und schnell für ein Szenario abgeschätzt werden“, führt Trometer aus. Ausschlaggebend für die Ergebnis se sind die unterschiedlichen baubedingten Schattenwürfe, die zusätzliche Verschattung durch Bäume sowie die prozentuale Reflektion und Wärmeabstrahlung der Gelände- und Gebäu deoberflächen. Bremer Erkenntnisse Durch die Bremer Simulationen ist zu erkennen, dass vermehrte Verschattung durch Bäume tendenziell einen Abkühlungseffekt auf das direkte Umfeld hat. Jedoch trägt die Baumbepflanzung ebenso zu einem reduzierten Luftaustausch bei, da der Wind fluss gestört wird. „Dies hat einen negativen Rückkopplungs effekt auf die Wärmeverteilung im direkten Umfeld“, erklärt Trometer, der ausführt: „Dieses Beispiel veranschaulicht die komplexen Wechselwirkungen, die für ein solches Szenario zu erwarten sind. Und es wird deutlich, dass nur eine detaillierte Simulation in der Lage ist, diese Komplexität abzubilden.“ Insgesamt tragen Mikroklimasimulationen zu einem besseren Verständnis für die Wechselwirkungen zwischen der bebauten Umwelt und dem umliegenden Klima bei. Der unmittelbare Vergleich von simulierten Szenen hilft darüber hinaus dabei, geeignete planerische Maßnahmen zu ergreifen. „Digitale Zwil linge dienen damit als Werkzeug, um Planungsprozesse vorab zu simulieren, besser zu verstehen und Entscheidungsträger bei klimaadaptiven Maßnahmen durch sachbezogene Daten zu unterstützen“, resümiert Trometer. ( jr)

on Hamburg wurde in der Metropolre gion Hamburg ein Gebiet von 8.600 Quadratkilometern innerhalb von 89 Flugstunden erfasst und ein hochauflösen der 3D-Datensatz erstellt. Realisiert wurde dieser Digitale Zwilling mit neues ter Technologie, einem Single Photon LiDAR Sensor (Leica SPL 100, siehe Kasten) von Hexagon. Für jeden Quadratmeter erfasste er mindes tens 42 Punkte mit der Höhengenauigkeit von deutlich unter zehn Zentimetern. Gleichzeitig wurden auch Luftbilder mit einer Auflösung von 22 Zentimetern aufgenommen. Fluggenehmigungen könnte man dies also in 24 Monaten umsetzen“, sagt Jürgen Dold, Executive Vice President von Hexagon. In dem Zwilling sind aufgrund der Auf lösung alle relevanten Objekte erkennbar: Gebäude, Dachaufbauten, Bäume und Büsche, Hochspannungsmasten und teils Geländeformen unter der Vegetation. Auch Wasseroberflächen und die Topographie von Gewässerböden im Uferbereich werden er fasst, denn der Messbereich des Lasers erreicht nach Angaben von Hexagon fünf bis zehn Meter Wassertiefe. Nutzen großräumiger Zwillinge Jürgen Dold hebt hervor, dass ein solcher Di gitaler Zwilling aufgrund der hohen Auflösung einen zehnmal höheren Informationsgehalt hat als Produkte, die in den letzten Jahren im Auftrag der Bundesländer erfasst worden sind. „Zudem stehen uns Technologien zur Verfü gung, Prozesse bei der Datenproduktion und -auswertung effizienter zu gestalten“, so Dold. Ein solcher Datensatz besitzt aber noch wei tere wichtige Eigenschaften. Er ist konsistent und im Vergleich zu bestehenden großräumi gen, lasererzeugten 3D-Modellen aktuell. Das macht ihn zum Beispiel für den Einsatz von KI interessant. Analysen mit künstlicher Intelli genz und Geo-KI sind enorm wichtig, denn es sind die entscheidenden Werkzeuge, um aus der Datenflut nutzbringende Informationen zu gewinnen. „Wir haben Geo-KI für den Datensatz eingesetzt und waren dann recht erstaunt, wie gut es bereits mit einem gerin gen Trainingsumfang funktioniert hat, sprich wie viele Gebäude, verschiedene Vegetation oder Infrastrukturelemente identifiziert und klassifiziert werden konnten“, so Dold. Der Einsatz von Cloud-Lösungen könne dies noch erheblich verstärken, etwa um Informa- Hochgerechnet auf das gesamte Land bedeutet dies, dass rund 3.700 Flugstunden ausreichen, um alle 357.000 Quadratkilo meter zu erfassen. „Je nach Anzahl der eingesetzten Li DAR-Flugzeuge, Wetterlage und

tionen noch schneller zu erlangen. Man könne bereits in diesem Datensatz erkennen, wie die Vegetation im Umfeld von Stromleitungen wächst, beschreibt Dold ein einzelnes Bei spiel stellvertretend für das hohe allgemeine Potenzial, mit hochgenauen und aktuellen Basisdaten, relevanten Fachdaten und analy tischen Methoden Vorhersagen zu erstellen. Davon sind einige Anwendungen von höchster gesamtgesellschaftlicher Relevanz, etwa die Sicherung von Versorgungsinfrastruktur oder die Simulation von Hochwasser- und Starkre genereignissen, die mit dem Digitalen Zwilling eine neue Qualität erreichen. Von der Wichtigkeit der Vegetation für die Beherrschung des Klimawandels einmal ganz abgesehen. So könne man nicht nur flächen deckend Bäume identifizieren und demnach zählen, sondern aufgrund der hochpräzisen Daten sogar das darin enthaltene Volumen der Biomasse. „Für die Waldinventur etwa liegen dort revolutionär neue Ansätze“, so Dold. Eben so können neue Kennzahlen erstellt werden wie etwa das Verhältnis von Gebäudevolumen zu Biomasse für Städte oder bestimmte Regi onen, farblich kodiert und intuitiv darstellbar. „Die Generationen, die uns folgen, werden uns dankbar für solche Informationen sein“, berichtet Dold. Wichtig sei dabei auch, dass die Kombination von LiDAR und photogrammetrischen Senso ren weitere Vorteile habe. Die kombinierte Auswertung der Daten liefert eine größere Erkenntnistiefe. So hat die Stadt Köln in einem Projekt beispielsweise herausgefunden, dass 20 Prozent mehr an versiegelter Fläche über die kombinierte Auswertung erkannt werden kann. Prognose für die nächsten 5 Jahre Vor dem Hintergrund der schnellen Techno logieentwicklungen erwartet Hexagon auch entsprechend weitreichende Folgen, die sich für die nächsten fünf Jahre in drei Bereiche unterteilen lassen. Zum einen steigt der Grad der Aktualisierung. „Ich bin überzeugt, dass wir autonom fliegende Drohnen sehen werden, die Digitale Zwillinge in Echtzeit erstellen. Minia turisierte Sensoren, schnellere Kommunikati onstechnologien und kombiniertes Edge- und Cloud-Processing.“ Der zweite Trend liege zum anderen in der Steigerung des visuellen Erlebnisses, sprich der Eindruck wird immer realer, intuitiver und de tailreicher. Das liegt nicht nur an neuen Visuali sierungstechniken wie Virtual oder Augmented Reality. Im Zuge der Datenfusionierung werden die Zwillinge auch vollständiger, Luftbildda ten, terrestrische und Innenraumaufnahmen fließen in einen Digitalen Zwilling zusammen. Und drittens werden die Digitalen Zwillinge interaktiver. So kommen sie beispielsweise bei Training und Ausbildung zum Einsatz. „Es verändert sich die Art, wie wir arbeiten wer den“, so Dold. (sg)

Trometer, Managing Director bei der Virtual City Systems (VCS) GmbH. Ein Beispiel für technische Innovationen in diesem Zusammenhang seien etwa Digitale Zwillinge, die Entscheidungsträger dabei unterstützen können, fundiertere und vor ausschauende Entscheidungen zu treffen. Detaillierte Mikroklimasimulationen im Stadtgebiet Diese Mehrwerte haben auch die Stadt Bremen und das hier ansässige Landesamt für Geoinfor mationen erkannt und daher gemeinsam mit VCS vor einigen Jahren mit dem Aufbau eines Digitalen Zwillings begonnen. Ziel ist dabei unter anderem, das aufgebaute 3D-Stadtmodell für detaillierte Mikroklimasimulationen im Stadtgebiet zu nutzen. „Konkret geht es um die Frage, welchen Einfluss Maßnahmen wie Baumpflanzungen, Bodenver sieglungen oder Fassadenbegrünungen auf die klimatischen Verhältnisse in ausgewählten Quar tieren der Überseestadt Bremen haben, einem der größten Stadtentwicklungsprojekte in Europa“, berichtet Trometer. Der grundlegende Ansatz war die Verknüpfung der semantischen 3D-Stadtmo dellplattform Bremens mit einer 3D-Solarpoten zialanalyse zur Ermittlung der solaren Exposition und einer interaktiven 3D-Wind- und -Wärme simulation. Im ersten Schritt wurden dafür in den vor definierten Berechnungsgebieten verschiedene Bebauungsszenarien mithilfe des VCS-Planungs werkzeugs VC Planner erstellt, die sich in Größe, Form und Anordnung der Gebäude sowie in Art und Beschaffenheit der Freiflächen unterschie den. „Diese Szenarien wurden anschließend samt Vegetationsobjekten mit unserem virtualCAD Ex porter aus der interaktiven Webkarte für die Solarpotenzialanalyse exportiert“, so Trometer, der ausführt: „Mithilfe der Solarpotenzialanalyse konnte schließlich die Sonneneinstrahlung in Form der Wärmestromdichte an sämtlichen Ge ländeoberflächen und Gebäudeflächen für einen typischen Sommertag Ende Juni zwischen 13 und 14 Uhr berechnet werden.“

Foto: Virtual City Systems GmbH

Visualisierung von Klimasimulationsergebnissen in Form von Temperatur-Differenz-Plots in der VC Map.

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D ie Industrie hat es vorge macht. Simulationen und Digitale Zwillinge von Pro dukten oder Produktions anlagen schaffen enorme Optimierungspotenziale: Mehr Leistung in kürzerer Zeit mit weniger Kosten, schnellere Planung, weniger Fehler, länge re Laufzeiten, bessere Umweltbilanzen. Die Öffentliche Verwaltung könnte es nun der Industrie gleichtun, denn Digitale Zwillinge von Städten, Infrastruktur und Geländeformen schaffen Möglichkeiten, wichtige gesellschaft liche Herausforderungen zu meistern. Warum nicht gleich einen Digitalen Zwilling von ganz Deutschland erstellen? Das Unter nehmen Hexagon hat nämlich gezeigt, dass die technische und wirtschaftliche Realisie rung von solchen Digitalen Zwillingen auch

großflächig machbar ist – bis auf die Ebene von ganz Deutschland. Hexagon, seit jeher ein Schrittmacher für die Entwicklung der Geoin formatik, stellt damit Innovationen höchster Tragweite in den Raum. Ist es sinnvoll, einen Digitalen Zwilling von einem gesamten Land zu erstellen? Testprojekt auf 8.600 Quadratkilometern Zunächst einmal ist es wichtig, dass Hexagon die Realisation in der Praxis bereits unter Beweis gestellt hat – sowohl technisch als auch wirtschaftlich. Unter der Führung des Bundesamts für Kartografie und Geodäsie und in Zusammenarbeit mit dem Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung der Freien Hansestadt Hamburg und der Metropolregi

Vergleich der Simulationsergebnisse mit und ohne Baumbepflanzung.

www.vc.systems

Auch mit Geodatenverknüpfung!

Technologie: Single Photon Laser

Hexagon bietet mit dem Leica SPL 100 einen Einzelphoton-basierten Laserscanner für den Einsatz auf Flugzeugen. Er besitzt eine im Vergleich mit bisherigen Airborne Laserscannern höhere Flächenleistung, da er bei großen Flughöhen von bis zu 4.000 Metern eingesetzt werden kann. Die SPL-Technologie (Single Photon Laser) unter stützt die dafür notwendige Sensibilität bei der Erfassung der reflektierten Laser pulse. Der SPL 100 beinhaltet zudem einen für diese Bauart notwendiges, hochleis tungsfähiges Navigationssystem (GNSS/IMU) und eine 80 Megapixel RGBI Kamera (RCD30). Aufgrund der eingesetzten grünen Wellenlänge des Lasers (532 nm) ist er auch für bathymetrische Anwendungen geeignet.

kendox.com

KENDOX AG | Oberriet SG (CH) | Wien (A) | Oberhausen (D)

www.hexagon.com

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