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GEMEINDEPORTRÄT

Die Gemeinde im HLS

Dauerthemen in Mendrisio: Verkehr, A2, Outlet-Center Foxtown. Bild: Mendrisiotto Turismo

Mendrisio Politische Gemeinde Tessin, Hauptort des gleichnamigen Kreises und Be- zirks, amAbhang des Monte Generoso gelegen. Rund dreissig Gräber, Sarko- phage und Grabsteine, Münzen aus der Republiks- und Kaiserzeit sowie Überreste einer Villa bei der Kirche Santa Maria zeugen von einer Besied- lung des Ortes in römischer Zeit. 1140 wurde Mendrisio selbstständige Ge- meinde in der Grafschaft Seprio. Unter der (ab 1521 anerkannten) Herrschaft der Eidgenossen wurde Mendrisio Hauptort der gleichnamigenVogtei; ab dem 17. Jh. residierte der Landvogt im Palazzo Rusca. In der Neuzeit wuchs der Ortskern über die Moreebrücke hinaus in die Gebiete um bedeutende Gebäude wie den Palazzo Pollini sowie einige Bauernhöfe wie den sogenannten Matagh. Dem Fluss entlang entstan- den Papierfabriken, Mühlen, Bier- brauereien und 1873 die grosse Spin- nerei Torriani-Bolzani. Die grössten demografischen und baulichen Ver­ änderungen brachte die 2. Hälfte des 19. Jh. Der Ort wuchs in derVerlänge- rung seiner Hauptachse.Während die in Halbpacht betriebene Landwirt- schaft in eine Krise geriet, führte der Bau der Eisenbahn zur Entstehung eines zweiten diversifizierten Indust- riezentrums unterhalb der Bahnlinie. Nach dem 2. Weltkrieg dehnte sich diese Industriezone, in der v.a. Grenz- gänger beschäftigt wurden, über die Prati di Santo Martino aus. Im Süden Mendrisios baute der Kanton wich- tige öffentliche Gebäude: 1898 die neuropsychiatrische Klinik, 1944 die Markthalle sowie Schulen, darunter 1996 die Architekturfakultät der Uni- versità della Svizzera italiana. Zwi- schen dem Bahnhof und dem alten Ortskern entstanden neben Wohn- bauten zahlreiche Betriebe des Dienstleistungssektors, der 2000 mehr als dreiViertel der Arbeitsplätze anbot. Im selben Jahr war mehr als die Hälfte der in MendrisioWohnhaf- ten Wegpendler, während die Zu- pendler zwei Drittel der Erwerbstäti- gen in Mendrisio ausmachten; zwei Fünftel der Beschäftigten waren Grenzgänger. Renato Simoni, Historisches Lexikon der Schweiz, Version vom 24.11.2009, www.hls-dhs-dss.ch

in der Grundausbildung sowie 700 Stu- dierenden in der Weiterbildung. Der Standort wurde bewusst gewählt, um Synergien mit der Architekturakademie zu schaffen. «In Mendrisio wird es ein Kompetenzzentrum geben, das alle As- pekte rund um die Themen Umwelt und Bau umfasst», sagt SUPSI-Sprecherin Rina Corti. Dank diesen Initiativen entwickelt sich Mendrisio zusehends von einem klei- nen Bezirkshauptort zu einem urbanen Pol. Mit dem Zusammenschluss der Gemeinden hat Mendrisio zudem kul- turell an Kontur gewonnen, ist sogar zu einem wichtigen Standort für Kunstmu- seen geworden. Neben dem Kunstmu- seum von Mendrisio (Museo d’arte) beherbergt die Gemeinde auch das Mu- seo Vela in Ligornetto, ein Landes- museum, die Pinacoteca Züst in Ran- cate sowie das Fossilienmuseum in Meride.

Trotz diesem kulturellen Angebot wird Mendrisio von Touristen wohl noch für einige Zeit mit Shopping gleichgesetzt werden. Das Outlet-Center Foxtown mit Auslaufmodellen italienischer Edelmar- ken zieht Jahr für Jahr rund drei Millio- nen Kunden an. Auch Araber, Chinesen und Japaner sind hier Stammgäste. Es bleibt zu hoffen, dass diese dereinst auch den Charme des eigentlichen Ortes Mendrisio entdecken. Oder vielleicht auch einmal zu den historischen Oster- prozessionen oder herbstlichenWeinfes- ten kommen, für die Mendrisio ebenfalls bekannt ist.

Gerhard Lob

Informationen: www.mendrisio.ch

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SCHWEIZER GEMEINDE 4 l 2016

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